Klima, Rüsselkäfer, Wild: Kronberger Stadtwald ist in Gefahr

Ein trostloses, erschreckendes Bild im Gebiet Hünerberg. Während linker Hand noch eine Reihe, allerdings größtenteils zu fällende Fichtenbäume stehen, sind geradeaus und rechts nur noch vereinzelte Bäume zu sehen. Foto: Puck

Kronberg (pu) – Bedingt durch das Hereinbrechen der Corona-Pandemie ist ein weiterer Patient in den letzten Wochen ein wenig in Vergessenheit geraten – der Kronberger Stadtwald.

Im Nachgang seines diesbezüglichen Sachstandsberichts im jüngsten Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU) erklärte sich Revierförster Martin Westenberger gegenüber der Redaktion des Kronberger Bote für einen gemeinsamen Kurzbesuch im Gebiet Hünerberg bereit mit der Intention, das dramatische Ausmaß der Situation anschaulicher vor Augen zu rücken.

Sachstand

„Von circa 2.000 Festmetern pro Hektar mit vorwiegend Fichtenholz sind das die traurigen Reste“, skizzierte der Waldhüter nach der Ankunft im Zielgebiet die einschneidende Lage. Der sich bietende Anblick hätte aufrüttelnder kaum sein können: Zwar standen linker Hand eine Menge Fichtenbäume, doch der nähere Blick offenbarte rasch viele grüne Markierungen als Hinweis auf einen zeitnahen Fälltermin. Mittendrin lagen teils schon von der Wurzel befreite Baumstämme, die dem Windwurf wie zuletzt durch Sturmtief „Sabine“ oder dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen waren. Rechter Hand und geradeaus ein noch trostloseres Bild, weil dort, abgesehen von vereinzelt stehenden Buchen, von Wald wahrlich keine Rede mehr sein konnte. Dieser triste Anblick wird schon in Kürze der Vergangenheit angehören, wenn in ein bis zwei Wochen die Arbeit mit den erwarteten speziellen Holzernte-Maschinen (Harvester) dort startet. Gleichwohl veranschaulicht dieses Gebiet in aller Deutlichkeit den Ernst der Lage, denn so wie hier sieht es noch an vielen weiteren Stellen im Kronberger Stadtwald aus. Faktisch handelt es sich um einen vorläufig geschätzten Verlust von 20 Hektar von insgesamt knapp 500 Hektar Stadtwald.

Ursachen

Die Ursachen sind vielerlei Natur. Allem voran haben die zuletzt extrem heißen und zu trockenen Sommer infolge der zunehmenden Erwärmung die Ausbreitung von Schadorganismen wie beispielsweise Borkenkäfern bei Fichten (35 Prozent Anteil an Baumbestand im Kronberger Stadtwald) oder von Pilzen extrem begünstigt. Die unselige Borkenkäfer-Plage in den Griff zu kriegen ist, wie Westenberger berichtet, ein langwieriges Unterfangen, da die Rüsselkäfer, von denen sich viele Arten unter der Borke oder im Holz von Bäumen in selbstgebohrten Gängen fortpflanzen, große wirtschaftliche Schäden anrichten. Aufmerksame Waldbesucher können die zerstörerischen Spuren gut selbst entdecken. Überall dort, wo an gefallenen Fichtenstämmen kleine Öffnungen mit Holzmehl drumherum zu finden sind, sind dies untrügliche Belege dafür, dass sich dort Käfer ins Holz hineinbohrten. Markant ins Auge fallen auch zahlreiche Fichtenbäume mit mehr oder weniger fehlender Rinde. Das Fatale dabei, die Rinde ist nicht nur der Ort, an dem ein großer Teil des Wachstums passiert, sondern sie schützt den lebendigen Teil des Baumes vor Insekten und Pilzen. Ist die Rinde beispielsweise durch dort wütende Borkenkäfer verletzt, dringt Feuchtigkeit ein und die Schadstellen vereinfachen weiteren Schadorganismen den Eintritt. Verliert der Baum große Teile der Rinde, stirbt er letztendlich ab.

Prognose

HessenForst rechnet dieses Jahr mit einer nochmals gestiegenen Anzahl an Borkenkäfern, die im Boden überwintern, bei 15 bis 16 Grad herauskommen, um ihren Hunger an den Bäumen zu stillen oder zur Vermehrung Eier im lebenden Gewebe unter der Rinde abzulegen. Revierförster Martin Westenberger geht konform mit der Überzeugung von HessenForst, dass alles für eine massenweise Vermehrung der Borkenkäfer samt daraus resultierender absterbender Bäume spricht. Um der Lage einigermaßen Herr zu bleiben, hat der Landesbetrieb seine Vorgehensweise auf die verschärfte Borkenkäfersituation abgestimmt. Zuerst wird das im Februar gefallene Windwurfholz aufgearbeitet. „Sabine“ brachte im Landeswald über 300.000 Bäume zu Fall, zumeist Nadelholz. Gleichzeitig werden frisch befallene Bäume so schnell wie möglich aus dem Wald gebracht. Dadurch soll den Käfern das Brutmaterial entzogen und die erwartete explosionsartige Vermehrung, dort wo sie nicht gestoppt werden kann, zumindest verlangsamt werden. Oberste Priorität hat die Rettung der intakten Waldbestände sowie der Schutz des benachbarten Waldbesitzes. In der Hauptflugzeit des Käfers kontrollieren die Forstleute laufend die Fichtenbestände. Der Fokus dieser Maßnahmen liegt auf dem sogenannten waldschutzrelevanten Holz, also den frisch befallenen Fichten. Abgestorbene Bäume taugen nicht mehr zur Borkenkäferbrut. Sie verbleiben im Wald, wenn von ihnen keine Gefahr für die Verkehrssicherung ausgeht.

Schlüssige Konzepte gefragt

Damit der Herausforderungen noch nicht genug, denn bei aller Notwendigkeit der Wiederbewaldung der großen Freiflächen, muss berücksichtigt werden, dass Rüsselkäfer, Kurzschwanzmäuse und auch das Wild den neuen Kulturen zusetzen. Schlüssige Konzepte und Umdenkprozesse sind gefragt, beispielsweise kommen mittlerweile statt neuer Fichten Douglasien oder Esskastanien als Ersatzpflanzungen ins Spiel. Daraus resultierend wird sich allerdings das bisher gewohnte Waldbild weiter stark verändern. Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Schnelligkeit, Abtransport-Machbarkeit, CO2-Bindung, leidende Ökobilanz oder Verlust von Erholungswert sind weitere beherrschende Themen. Ganz abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden für Kronberg. „Der Markt ist eingebrochen“, brachte es Martin Westenberger schon vor der Corona-Krise auf den Punkt. Kein Wunder, denn wie der Burgstadt geht es zahlreichen Kommunen. Wurde die Planmenge von 1.700 Festmetern pro Jahr schon 2018 mit 2.300 tatsächlich geschlagenen Festmetern Holz deutlich überschritten, mussten im letzten Jahr sogar 7.000 Festmeter statt die geplanten 1.700 Festmeter weichen. Das spült mitnichten mehr, sondern weniger Geld wegen des Preisverfalls in die Kassen. Infolge der Corona-Krise sind Lieferketten von der Holzernte über den Transport bis zum Holzabsatz noch stärker beeinträchtigt.

Zu allem Überfluss herrscht trotz der im Vergleich zu den beiden Vorjahren zugenommenen Niederschlägen nach wie vor extreme Waldbrandgefahr. Last not least kämpfen die Waldschützer außerdem mit zunehmenden Fällen von illegal entsorgten Grünabfällen im Stadtwald. „Die haben im Wald nichts verloren“, erklärt Westenberger mit allem Nachdruck.

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