Kronberger Villen – ein Stück Siedlungsgeschichte

Das Bild stammt aus der Broschüre „Auf zum Taunus“ von 1910 und gibt einen Eindruck von der Villenlandschaft, die damals in Kronberg und wie hier abgebildet, in Schönberg entstand.

Kronberg (mw) – Das geballte Auftreten von Villen, Landhäusern und gehobenen Einfamilienhäusern gibt Kronberg bis heute seinen unverwechselbaren Charme. Den gilt es, genauso wie den Charakter der Stadt im Grünen, zu erhalten. Das sorgt in der Politik immer wieder für Diskussionsstoff, denn gleichzeitig steigt der Siedlungsdruck und nicht die Villen fehlen, sondern der bezahlbare Wohnraum und Platz für Ansiedlung von Gewerbe. Im Museum Kronberg Malerkolonie lenkte der Vorsitzende der Kronberger Museumsgesellschaft, Hans Robert Philippi, den Blick jedoch nicht auf die heutige Situation Kronbergs, sondern auf die Entstehung Kronbergs von einem Dorf am Taunusrand zum Wochenend- und Sommerdomizil wohlhabender Frankfurter. Ein Stück Lokalhistorie, das die Kronberger anscheinend brennend interessierte. Jedenfalls waren nicht genügend Plätze für die Gäste vorhanden, die der Einladung der Museumsgesellschaft gefolgt waren. Zwei Stunden lang dauerte Philippis Vortrag über die Villengeschichte. Er berichtete von der Entstehung der markantesten Stadtvillen genauso wie von versteckt liegenden Villen oder jenen, die längst abgerissen heute im Stadtbild bedauerlicherweise fehlen. Zur Dokumentation hatte er auch Bilder der jeweiligen Häuser und Luftaufnahmen mitgebracht, die die Besiedlungsgeschichte der Stadt am Taunushang aufzeigen, der Stadt vor den Toren Frankfurts, die seit Anschluss an die Eisenbahn 1874 für einen Sonntagsausflug aufs Land noch besser erreichbar wurde.

Es war geballtes Wissen über mehr als ein Dutzend Häuser. Nicht bei allen sind Philippis Recherchen abgeschlossen, nicht von allen konnte er sein gesammeltes Wissen über die Architekten der Häuser, über deren Stil, vor allem jedoch über das Leben ihrer Bewohner vortragen, es sind einfach zu viele Villen mit vielen wechselvollen Lebensgeschichten dahinter. Doch vielleicht werden sie ja eines Tages in gebundener Form nachzulesen sein.

Als Einführung in die Villengeschichte wird dieser Artikel nicht alle Villen vorstellen, die Philippi in seinem zweistündigen Vortrag erwähnt, kurz beschrieben oder ausführlich beleuchtet hat, jedoch vier beispielhaft herausgreifen.

Wie Philippi eingangs aufklärte, erlebte Kronberg Mitte des 19. Jahrhunderts „eine Art Einwanderung“. Zuvor hatte Kronberg eher Dorfcharakter. Doch bereits Mitte des 18. Jahrhunderts gingen die Frankfurter mehr und mehr dazu über, den Luftkurort als Sommeraufenthalt zu nutzen. Zunächst wurden bescheidene Holzhäuser errichtet, durch die Gründung der Kronberger Malerkolonie sollte die Ansiedlung fördernd unterstützt werden. „Hatten doch die Maler die ländliche Idylle frei nach der berühmten Rousseau‘schen Aufforderung „Retour à la nature! Zurück zur Natur!“ gesucht und ihre Gemälde an das Frankfurter Bürgertum verkauft“, erläuterte Philippi. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe Kronberg begonnen, sich für das vermögende Frankfurter Bürgertum als Wohnsitz auf dem Lande oder als Sommerresidenz zu entwickeln.“ Dabei waren die Maler, allen voran Anton Burger, mit die ersten, die sich mit Haus und Atelier in Kronberg ansiedelten.

Villa Bonn – das heutige Rathaus

Eine der ersten Frankfurter Familien, so erfuhren die Zuhörer in der Villa Winter, die Kronberger Landbesitz erwarben, war die Familie Bonn. 1863 hatten Baruch Bonn, Gründer des Bankhauses Bonn, und seine Frau Betty, geborene Schuster, das Haus am Südhang der Stadt gekauft. Es bestand aus einem Wohnhaus, auf dem später ein Obergeschoss im Schweizer Stil gebaut wurde. Sein Sohn Wilhelm Bernhard Bonn sollte die Sommerresidenz nach dem Tode des Vaters noch vergrößern. Er kaufte weitere Grundstücke hinzu, bis das Gelände auf rund drei Hektar gewachsen war.

Schließlich kam auch das Haus gegenüber in den Bonn‘schen Besitz, es sollte die Wirtschaftseinheiten wie Wäscherei, Remise und Stallung beherbergen.

Wie die gespannt lauschenden Zuhörer vernahmen, gingen vier Jahre ins Land, bis 1905 die neue Sommerresidenz – die Villa Bonn, das heutige Rathaus, – fertiggestellt werden konnte. Die modernen Standards der damaligen Zeit waren auf rund 1.000 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche 12 Schlaf- und fünf Badezimmer. 1922 wurde der Besitz verkauft. Seither nutzt die Stadt das herrschaftliche Gebäude als Rathaus. Verschiedener Quellen zufolge stammte die Familie Bonn wohl von den aus Spanien eingewanderten Juden ab. Nicht unerwähnt ließ Philippi die Stiftung „das Baruch und Betty Bonn‘sche Versorgungshaus der Gemeinde Cronberg“, das die Kinder der Bonns auf einem großen Mirabellengrundstück zum Andenken an ihre Eltern errichten ließen. „In diesem Haus sollten Arme und durch Altersschwäche oder Krankheit zum Erwerb ihres Unterhalts unfähige Personen männlichen und weiblichen Geschlechts ohne Unterschied der Religion aufgenommen und versorgt werden“, berichtete er. „Eine schreckliche Ironie der Geschichte“ nannte er die Tatsache, dass Emma Bonn, die Tochter von Wilhelm Bernhard Bonn, erblicher Ehrenbürger der Stadt Kronberg, 1942 im KZ Theresienstadt umgebracht wurde und ausgerechnet das Stiftungshaus der Bonns zur Kronberger Parteizentrale der NSDAP wurde.

In den 1870er-Jahren soll sich in Kronberg sogar ein „spekulativer Bodenhandel“ entwickelt haben, führte Philippi zur Siedlungsgeschichte Kronbergs weiter aus. Doch kaufmännisch erfolgreich sei diese Sache nicht geworden. Dennoch schrieb 1868 der Königsteiner Bürgermeister Pingler: „Mit großer Eifersucht sieht man, dass Cronberg, welches doch kaum mehr als ein climatischer Curort ist, unter dem Einfluss vieler prachtvoller Villen, deren rasche Entstehung ein reicher Privatmann daselbst gefördert hat, Königstein weit zu überflügeln droht.“

Doch das bedeutendste Ereignis für die Entwicklung Kronbergs sollte erst noch geschehen: es war neben der Inbetriebnahme der Eisenbahn die Wohnsitznahme der Kaiserin Friedrich (Victoria) in Kronberg. Sie erwarb die Villa Schönbuch des Kaufmanns Jacques Reiss 1888 mit großem Gelände. Ihren Kompfortansprüchen genügte das Sommerhaus mit einem beheizbaren Zimmer jedoch nicht. Sie ließ die Villa abreißen und gab „aufgrund einer größeren Erbschaft mit hinreichend Finanzmitteln ausgestattet Auftrag, das Schloss Friedrichshof zu bauen. Es wurde ein Prachtbau im Stile des zeitgenössischen Historismus mit starker Anlehnung an die Renaissance, erbaut vom Hofarchitekten Kaiser Wilhelms I., der unter anderem auch die Stadtvilla der Familie Bonn in Frankfurt gebaut hatte. Philippis Recherchen zufolge in vorhandenen Dokumentationen gab es zu dieser Zeit zwei architektonische Strömungen: die konservative Richtung, die sich dem ekletktizistischen Historismus verschrieb, und die andere Gruppe, die vom Historismus kommend sich über die Industriearchitektur und den Jugendstil zur Klassischen Moderne entwickelte.

Der ständige Aufenthalt der Kaiserin-Witwe führte dazu, das andere fürstliche Persönlichkeiten Glanz in die Stadt brachten und in der Stadt weitere Villen entstanden: „Es waren Häuser von Persönlichkeiten, die Beziehungen zum Hofe hatten oder von solchen, die das Eigene in vornehmer Isolierung voneinander suchten.“ Nach detailliertem Blick auf die Geschichte der Villa Schönbusch, die Villa Guaita, die Villa Schuster (bekannt als Waldhof), Villa Meister, Villa Rath, die allesamt auch die Lebensgeschichten einflussreicher Geschäftsmänner erzählen, wird klar: „Sie gehörten zur geschäftlichen und gesellschaftlichen Spitze der Stadt Frankfurt. Man traf sich und sprach sicherlich auch über private Vorhaben, wodurch eine Art Mundpropaganda für den Vordertaunus und Kronberg entstand“, so nennt es Philippi. So ganz nebenbei sei man auch verwandt oder verschwägert gewesen – das führte zu weiteren Ansiedlungen.

Die Jaminstraße beispielsweise entwickelte sich zu einer reinen Villenstraße: „Ganz oben stand die Villa Thiemann, gefolgt von der Villa Nussbaum (oberhalb des Freseniusweges liegend), unter ihr liegend die Villa Armbrüster sowie die Villa Wetzlar. Gegenüber hatte sich der Architekt Prof. Löhr seine Villa erbaut, darüber stand das Haus des Malers Hans Thoma und weiter oben schloss sich das Haus des Malers Fresenius sowie die Villa Schulte an der Ecker Merian-/Jaminstraße“, skizzierte er.

Villa am Nussbaum

Die Villa am Nussbaum beispielsweise war in einer Baufachzeitschrift „Moderne Bauformen“ (1908) beschrieben und hatte einen Berliner Architekten, Prof. Curt Stöving, der dieses große Landhaus für Dr. Richard Wirth erbauen ließ. Es gelangte später in den Besitz von Liselott Linsenhoff, verheiratete Rheinberger, die es als Gästehaus der VDO betrieb. Dr. Wirth war Patentanwalt in Frankfurt, auch er war dem Werberuf „auf zum Taunus“ gefolgt.

Villa Mumm – heute Sitz von Fidelity

Die Villa Mumm war eine der letzten großen Bauten im Zuge der Villenbesiedlung. Nach Zustimmung der Stadtverordneten ging das 6 Hektar große Kastaniengrundstück 1909 für 370.000 Deutsche Mark an Fritz Mumm von Schwarzenstein.

Fertigstellt wurde die Villa im neobarocken Stil – als Ausdruck von Gediegenheit und Wohlstand – 1911. Ihr Architekt, Heinrich Bäppler, gehörte zu den „Traditionalisten“ seiner Zeit, die im Gegensatz zu den Freunden des Jugendstils gerne auf historische Stilformen zurückgriffen, wie Philippi verriet. Bäppler, gebürtiger Offenbacher, zeigte sich in der Villa Mumm als typischer Vertreter der Frankfurter Adels- und Bürgerarchitektur des beginnenden 20. Jahrhunderts und muss als Stararchitekt seiner Zeit angesehen werden, klärte der Vortragende auf. Fritz Mumm von Schwarzenstein war in vierter Generation Mitinhaber des Bankhauses Mumm & Co. Verwandschaftliche Beziehungen bestanden zu den Familien Neufville, Brentano, Guaita und Metzler. „Auch hier finden wir Namen mit Kronberger Bezug.“

Villa Spieß

„In Schönberg lebten noch 1840 in 32 Häusern gerade einmal 186 Einwohner in 49 Familien“, lenkte Philippi gegen Ende seines Vortrags den Blick auf Schönberg, heute Ortsteil von Kronberg. Erst mit der Eisenbahn habe auch Schönberg „Anschluss an die große Welt“ gefunden.

Ein Beispiel ist die Villa Spieß, die der Arzt Gustav Spieß auf dem Gelände zwischen Friedrichstraße und Brühl im historisierenden Stil errichten ließ. Die stilistische Anlehnung an das Schloss Friedrichshof sei hier, wie auch bei weiteren Villen in Kronberg, unverkennbar. „Dr. Spieß hatte bereits Kaiser Wilhelm operativ die Nase wegen dessen Stimmproblemen behandelt. Er hatte also Kontakt zum Herrscherhaus. Vielleicht war das auch der Grund, warum die Kaiserin gelegentlich zum Schwimmen kam“, mutmaßte Philippi. Jedenfalls gab es auf dem Grundstück noch ein großes Gewächshaus an der Klostergasse, ferner ein Gartenhaus und für die drei Kinder ein Baumhaus. Sogar einen Ruderteich habe es durch den zum Weiher aufgestauten Bach „im Brühl“ gegeben. Der „Clou“ jedoch war das beheizbare Schwimmbad ungefähr an der Stelle des heutigen Tagungshauses. „Das Wasser konnte mittels eines eigens dafür gebauten Heizkessles um 1 Grad pro Stunde aufgewärmt werden. Um das Bad war eine Sichtblende angebracht, die laut baupolizeilicher Auflage so hoch sein musste, dass man aus einer vorbeifahrenden Kutsche auf der Friedrichstraße nicht hineinsehen konnte.“

Der Tochter von Gustav Spieß wurde die Sommervilla allerdings zu groß und so baute sie sich ein kleineres Haus auf dem Gelände. Sie wollte jedoch, dass das Spieß-Haus im Wesentlichen ihren Charakter behielten und suchte deshalb einen „sozialen oder karikativen“ Käufer, den sie in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau auch fand. Seit der Umstrukturierung der EKHN warten die Villa und die neueren Nutzbauten auf neue Aufgaben, informierte Philippi. „Die Stadt Kronberg hat erklärt, hier keine beliebige Bebauung oder Verwertung des Geländes zuzulassen.“

Der Vorsitzende schloss seinen Vortrag mit einem Blick auf die damalige Bebauungssituation im Schönberger Plan aus der Schrift „Auf zum Taunus“ und einem weiteren, das die entstandene Villenkolonie Anfang des 20. Jahrhunderts zeigte. „Sie sehen, es gibt noch viel zusammenzutragen und zu erforschen.“ So dürfen alle Geschichtsinteressierten sich schon heute auf einen „Teil 2“ seines Vortrages „Villen und Landhäuser in Kronberg. Ein Stück Siedlungsgeschichte im Vordertaunus“ freuen.

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