Viola am Puls der Zeit – Tamestit und Zimmermann

Weltklasse Viola-Spieler Tabea Zimmermann und Antoine Tamestit in hochdramatischem Dialog

Foto: Andreas Malkmus

Kronberg (aks) – Ein vibrierendes Klangerlebnis erwartete die zahlreichen Zuhörer in St. Peter und Paul. Das moderne Stück „Viola, Viola“ von George Benjamin (Jahrgang 1960) war eine klangliche Herausforderung. „Wild und energisch“, so wollte der Komponist seinen Viola-Dialog. Trotz schriller, flirrender Töne und energischen fast zornigen Seitenwechseln mit ausdrucksstarken Pizzicati machten sich die beiden Viola-Meister, Tabea Zimmermann und Antoine Tamestit, einen Spaß aus dieser für die meisten überraschenden und unbekannten Komposition, als ginge es darum, wer das letzte Wort – beziehungsweise den letzten Ton hat.

Wer es sich in stiller Vorfreude auf Beethoven gemütlich machen wollte, wurde schnell aus wohligen Träumen gerissen und für den Rest des Abends wachgerüttelt. Das Konzert war Teil des Kronberg Academy Festivals „Searching for Ludwig“, anlässlich des (fast) 250. Geburtstags des großen Meisters. In unterschiedlichen Konzerten lernten die Zuschauer Werke aus allen seinen Lebensphasen sowie auch frühere und spätere sowie zeitgenössische moderne Kompositionen anderer, teils wenig bekannter, Künstler kennen. Beethovens Duo Es-Dur für Viola und Violoncello mit dem heiteren Untertitel „Duett mit zwei obligaten Augengläsern“ war, wie erwartet, ein Ohrenschmaus. Wer die Wiener Brillenträger waren, für die Beethoven dieses Duo skizzierte, ist unbekannt. Sie spielten wohl Viola und Violoncello und schienen eine Vorliebe für eher konservative Musik zu hegen. Die feine Differenzierung der kontrastierenden Elemente leuchtete in einem zauberhaften Zusammenspiel der Meisterin Zimmermann mit dem jungen Cello-Talent Bruno Philippe aus Frankreich, Schüler von Frans Helmerson, der sich ganz dem musikalischen Dialog hingab. Beiden Künstlern gelang eine wunderbare Harmonie – nur mit Blickkontakt und ganz ohne Augengläser! Philippe hatte einmal bei einem anderen Konzert erwähnt, dass es ein magischer Augenblick sei „when you come on stage as your own paradise“. Dieser Zauber erreichte auch das Publikum.

Der Engländer Frank Bridge spielt eine herausragende Rolle in der Musikgeschichte, nicht nur, weil Benjamin Britten zu seinen Schülern zählte. „Lament“, ist, wie der Name schon sagt, ein melancholisches Stück, pathetisch und getragen im erhabenem Duktus der beiden Bratschen. Tabea Zimmermanns natürliches Charisma und ihre Spielfreude ziehen jeden in ihren Bann. Sie spielt eine zeitgenössische Bratsche von Etienne Vatelot. Mit jüngeren Spielern scheint sie einen freundschaftlichen Ton zu pflegen. Auch Tamestit war früher ihr Schüler und zählt nun zu den international renommierten Viola-Solisten, der selbst eine Stradivari spielt. Beide Solisten engagieren sich besonders leidenschaftlich für zeitgenössische Musik, das zeigte sich in der Zusammenstellung des einstündigen Programms.

Das finale Brandenburgische Konzert Nr. 6 stammt aus der Feder Johann Sebastian Bachs im Jahr 1721 mit insgesamt sechs Konzerten, dem als formales Modell das Concerto Grosso vorliegt. Künstler waren neben Zimmermann und Tamestit drei Cellisten: die 17-jährige La Li aus China, Bruno Philippe und der junge Ukrainer Aleksey Shadrin sowie der Amerikaner Alexander Edelmann am Kontrabass und der bekannte Kronberger Kantor Bernhard Zosel am Cembalo. Das war geballte Kammermusik vom Feinsten. Bach hätte seine Freude gehabt am energischen temporeichen Spiel der Künstler, die den tosenden Applaus mit fröhlichen Gesichtern genossen. Die Rose zum Abschied überreichte Tabea Zimmermann in einer spontanen herzlichen Geste an Marta Casals Istomin, der Witwe des 1973 verstorbenen Pablo Casals und Namensgeber des Casals Forum, das in Kronberg gebaut wird, die in der ersten Reihe diesem herrlichen Musikvortrag lauschte.



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