Alarmstimmung am Immobilienmarkt

Viel Leerstand gibt es in der Erich Ollenhauer-Straße. Foto: js

Oberursel (js). Bagger und Gerüste prägen das Stadtbild an vielen Stellen, es wird noch gebaut. Das Angebot ist groß, aber es gibt keine Käufer. Nach Rekordumsätzen in den vergangenen Jahren wankt der Immobilienmarkt auch in Oberursel. Zurückhaltung statt Hype, die extrem gestiegenen Baupreise und die gleichzeitig heftige Erhöhung der Bauzinsen haben den Markt ins Schleudern gebracht. Und die Menschen in der Stadt zum Zögern. Der Erwerb oder der Neubau der eigenen vier Wände ist für fast alle Menschen aufgrund der hohen Baukosten und der gestiegenen Bauzinsen sehr schwierig bis nahezu unmöglich geworden.

Zwei Zahlen illustrieren das sehr markant. Trotz von der Bauaufsicht genehmigten Wohnbauprojekten für 277 Einheiten in 2021 und 2022 wurden im vergangenen Jahr nur zwölf Neubaueigentumswohnungen tatsächlich verkauft. Diese Zahlen nannte Lothar Hecker, der Vorsitzende des Gutachterausschusses bei der Präsentation des Immobilienmarktberichtes für 2023. Der Markt ist in Bewegung, die Experten vom Gutachterausschuss der Stadt Oberursel sprechen schon von „Turbulenzen“. Was die gesamte Republik trifft, macht keinen Umweg um den Taunus. Der örtliche Immobilienmarkt konnte sich dem bundesweiten Trend nicht entziehen. Die Kurven im grafischen Spiegel zeigen nach unten, in allen Bereichen. Die Zahl der Transaktionen wird rasant kleiner, Kaufverträge werden kaum noch unterschrieben, der Geldumsatz ist noch einmal um 45 Millionen Euro geschrumpft 2023 nach schon heftigem Abfall im Jahr davor um mehr als 100 Millionen Euro. 2021 wurden noch 315 Millionen Euro Umsatz an der Wohnungsbörse notiert, im aktuellen Berichtsjahr des Gutachterausschusses für 2023 sind es noch 165 Millionen Euro.

Nach fast 20 Jahren mit stets steigender Tendenz ist der Peak überschritten, „es ist was los auf dem Markt, er hat sich verändert“, formuliert Lothar Hecker zunächst vorsichtig. Und spricht dann vom „Markt in Bewegung“ und wenig später von „Markt-Turbulenzen“ mit „massiver Zurückhaltung“ in allen Bereichen. Man hatte sich dran gewöhnt im Lauf der vergangenen Dekade, dass die Immobilienpreise immer weiter explodieren. Zuletzt stagnierten sie auf hohem Niveau, aber es fehlten die Käufer. Jetzt werden erste Preisnachlässe wahrgenommen, laut Hecker um bis zu 16 Prozent.

Eine schöne Eigentumswohnung, die erst mit 840 000 Euro Kaufpreis angesetzt war, ist dann plötzlich für rund 700 000 Euro im Angebot. Folgen von Leerstand etwa im Neubauquartier an der Erich-Ollenhauer-Straße, das noch „unterbewohnt“ ist, wie es dezent genannt wird. „Die Preise werden weiter sinken“, prognostiziert Hecker, die Fieberkurve beim Quadratmeterpreis für Eigentumswohnungen ist 2023 rapide gesunken, die Tendenz hält aktuell noch an.

Auch die Preise für Bestandswohnungen haben im Schnitt um elf Prozent nachgegeben, trotz Preiskorrekturen ist in diesem Segment eine starke Kaufzurückhaltung erkennbar. Das gilt nicht für freistehende Ein- und Zweifamilienhäuser im Hochpreissegment vor allen in den besonders guten Lagen. Da gibt es immer Kaufinteressierte und Vollzug zu melden. Zu nennen sind hier etwa die Bereiche Maasgrund und Eichwäldchen oder am Oberhöchstadter Berg, wo bei Neubauten der mittlere Kaufpreis schon über 2,4 Millionen Euro liegt und auch Häuser mit Baujahr 1900 bis 1979 meist aufgrund der großen Grundstücke im Durchschnitt für 840 000 Euro im Angebot sind. Eingefallen ist der Markt bei den Eigenheimen in „normalen“ Lagen um 13 Prozent im Durchschnitt, am größten sind die Preisrückgänge im Niedrigpreissegment der Reihenhäuser.

Der bisher nur schwach nachgebende Bauzins ist weiterhin die größte Bremse bei einer Entscheidung für Wohneigentum, bei Bestands-immobilien kommt noch der Aspekt Heizungsgesetz und die damit verbundene Unsicherheit dazu. Heckers Ausblick: „Die Preise werden weiter sinken.“ Und die Kaufbereitschaft auch mit einer Wende am Zinsmarkt wieder wachsen. Aber noch passt das Titelbild des aktuellen Marktberichts zur Stimmung: ein unvollendetes Einfamilienhaus, bei dem das Dach nicht fertig geworden ist. Weil das viele dafür nötige Geld, das im Haufen daneben aufgetürmt ist, dank der gestiegenen Baukosten und Bauzinsen einfach nicht mehr da ist und hinten und vorne nicht langt.

!Der komplette Bericht und weiteres Material ist über den Gutachterausschuss im Rathaus erhältlich.

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