Ilse Schwarz-Schiller ist die erste Ursella-Preisträgerin

„Ilse Schwarz-Schiller hat Maßstäbe gesetzt.“ Thomas Poppitz, Hendoc, Gerd Krämer und Michael Reuter (v. l.) überreichen Ilse Schwarz-Schiller (2. v. r.) den Ursella-Preis. Foto: sem

Oberursel (sem). „Wir machen kein Geheimnis draus: Ilse Schwarz-Schiller ist die erste Preisträgerin des Ursella-Preises“, verkündet Krämer zu Beginn seiner Laudatio. Die rund 100 anwesenden Gäste im großen Rathaussaal applaudieren. Niemand scheint überrascht zu sein. Nicht, dass das Ergebnis bekannt gewesen wäre. Sondern weil die Entscheidung der Jury, laut Krämer, „logisch“ war. Denn Schwarz-Schiller ist nicht nur eine städtische Größe, sie ist eine Institution.

Krämer gibt in der Laudatio einen detaillierten Einblick in das Leben und Wirken von Schwarz-Schiller. Aufgewachsen in Ansbach, habe sie durch die dort stattfindende „Bachwoche“ schon früh „Blut geleckt“. Die dort gemachten Erfahrungen im Kindesalter hätten ihren Lebensweg geprägt. So sei Schwarz-Schiller ihrer Passion für klassische Musik auch aktiv nachgegangen. Sie habe Klavierspielen und Balletttanzen gelernt. Ihre Berufswahl, Klavierpädagogin, sei ebenso davon beeinflusst gewesen. Seit je her sei die Förderung des Pianistennachwuchses ihr Anliegen.

Einen wichtigen Impuls erhielt Schwarz-Schiller von Leonard Hokanson sowie den Kontakten zu seiner Meisterklasse an der Musikhochschule in Frankfurt: die Idee für Hauskonzerte. „Ihre Hauskonzerte, eine Chance für junge Pianisten, waren ein Geheimtipp“, berichtet Krämer. Und heißbegehrt − die Veranstaltung im kleinen Kreis sei immer voll besetzt gewesen. „Es wurde eine Art ,must be‘, sich dort sehen zu lassen.“ Maßgeblich beeinflusst wurde die Konzertreihe durch die Begegnung Schwarz-Schillers mit dem polnischen Konzertpianisten Maciej Lukaszczyk. Durch ihn lernte sie die polnische Pianistenschule im Sinne von Frédéric Chopin kennen. Schwarz-Schiller wurde eine „Chopin-Verehrerin“. So gründete sie schließlich 1986 die „Chopin-Gesellschaft Taunus“. Diese sei laut Krämer ein „schneller Erfolg“ gewesen. Sie erregte große internationale Aufmerksamkeit, als sie als erste Chopin-Gesellschaft der Welt das Gesamtwerk des Komponisten zyklisch in der Konzertsaison 1995/96 aufführte. Dies war der Beginn der Chopin Intermusicale Oberursel, die seitdem alle zwei Jahre ausgerichtet wird. Die durch Schwarz-Schiller geschaffene Verknüpfung zwischen Oberursel und Chopin ist nach Krämer ein „Stand-Alone“-Merkmal. „Sie hat es geschafft, dauerhaft und nachhaltig unserer Stadt ein Profil zu geben.“

Das identitätsstiftende Element des Engagements in Bezug auf die Heimat ist wesentlich bei der Vergabe des Preises. „Der Bezug zu einer Region ist heute nicht immer gegeben“, so Krämer. „Wer kommt, um zu bleiben, der schlägt Wurzeln. Will Oberursel mehr sein, als eine Schlafstadt für Frankfurt, brauchen wir aktive Menschen…“ Aber nicht nur das: „Der Gedanke des Preises ist es, das Feld nicht jenen zu überlassen, die den Begriff „Heimat“ missbrauchen.“ Zustimmender Applaus brandet auf. „Heimat ist nicht statisch. Es geht um Zugehörigkeit und Zusammenhalt. Selbstverständlich ist das nicht.“

Auch für Schwarz-Schiller war dies zunächst nicht selbstverständlich. Als sie und ihr erster Mann aus beruflichen Gründen in diese Gegend zogen, war sie nicht sonderlich begeistert. Davon ist jedoch nach all den Jahrzehnten nichts mehr zu spüren, als Schwarz-Schiller sichtlich gerührt am Rednerpult steht. „Es ist eine wahnsinnige Überraschung und eine doppelte Ehre, als Erste diesen Preis zu erhalten. Es gibt sicher mehrere Menschen, die ihn verdient haben.“

„Es war eine Freude, an dem Stück zu arbeiten“, äußert der Oberurseler Künstler Hendoc, als er und Michael Reuter vom CDU-Vorstand den Ursella-Preis enthüllen. Die 1,20 Meter hohe Skulptur wurde aus einem 300 Jahre alten Oberstedter Balken gefertigt und mit Blattgold versehen. Bis zur Spitze zieht sich das Goldene Band durch verschieden angelegte Rechtecke, um an der Abbildung des Alten Rathauses von Oberursel zu enden. Der goldene Streifen stehe für die Menschen. „Wir haben tolle Menschen hier“, meint Hendoc. „Und Menschen machen eine Stadt aus.“ Mit diesem Gedanken hat Hendoc die Bedeutung des Preises mit diesem „Wanderpokal“ treffend umgesetzt.

Denn die CDU Oberursel möchte den Ursella-Preis nun alljährlich an Personen, Vereine oder Institutionen verliehen, die mit ihrem Engagement das Gemeinwesen bereichern. Wer mit dem Preis ausgezeichnet wird, entscheidet eine Komitee aus CDU-Mitgliedern sowie Vertretern unterschiedlicher kultureller Vereine. Thomas Poppitz, Vorsitzender der CDU Oberursel und Jury-Mitglied erklärt: „Die Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht. Aber am Ende waren wir uns alle einig.“

„Eigentlich ein scheues Kind“

Sie habe immer nur gearbeitet, sich immer nur nach vorne und nie zurück bewegt, erläutert Schwarz-Schiller in ihrer Dankesrede. Heute komme ein kurzer Stillstand. Schwarz-Schiller blickt zurück auf einige besondere Ereignisse. Als sie die Einladung zur Preisverleihung erhalten hat, habe sie sich „sofort an Jahre zurück erinnert.“ Dies sei wohl Schicksal gewesen. Denn sowohl auf der Einladung als auch der Urkunde zum Ursella-Preis steht das Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: „Kultur, verstanden als Lebensweise, ist vielleicht die glaubwürdigste, die beste Politik.“ Einst hatte Schwarz-Schiller Weizsäcker bei einem Empfang in Schloss Ansbach kennengelernt. Nach dem Gespräch schickte er ihr sogar einen Brief, der sie nicht nur motivierte, sondern ihr auch half, eine für sie schwierige Situation in Oberursel zu lösen. Unvergessen auch der Auftritt des Startenors Hermann Prey bei der 1200-Jahr-Feier im Jahr 1991, den Schwarz-Schiller scheinbar mit Leichtigkeit engagieren konnte.

Sie sei voller Freude, stolz und verlegen. „Eigentlich war ich ein scheues Kind ... ja, das glaubt mir heute nur niemand“, fügt sie schmunzelnd hinzu, als die Zuhörer ungläubig lachen. „Da war nur immer was in mir drin“, fährt Schwarz-Schiller fort. „Und ich habe meinen Weg gefunden. Oberursel ist für mich Heimat geworden.“



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