Oberursel. Nach Peter „Schüssel“ Schüßlers erstem Auftritt im Alt-Oberurseler Brauhaus berichtete eine Zeitung vor über 25 Jahren unter der Überschrift „Schüssel im geistigen Tiefflug“. Schüssel nahm’s locker und kokettierte stets mit dem Niveau seiner Vorstellungen. Am Freitag war der letzte Auftritt des Kabarettisten in der ausverkauften Stadthalle, und schon als sich nur der Vorhang öffnete, brandete der Jubel und Applaus der 500 Zuschauer bei der Abschiedsvorstellung auf.
Die Schüssel machte sich mit dem ersten Lied auf dem Weg ins Publikum und ließ seine Fans mit einer kleinen Änderung am Text wissen, dass sie an diesem besonderen Tag etwas mehr als sonst zu erwarten hatten: „Vor zwölf kommt ihr nicht ins Bett“ sang er. Dann nahm er Platz auf seinem Stuhl, vor ihm sein altbekannter Tisch, daneben ein Eintracht-Schal und die Mütze, nur Flocki fehlte. Der langjährige vierbeinige Begleiter musste ausnahmsweise nicht am Tisch hängen, sondern hatte ein eigenes Hundehaus auf der Bühne, wo er es sich bequem gemacht hatte.
Schüssel, der sich selbst als „Lauterbacher Vorzeigemodell“ aufgrund seiner sieben Impfungen bezeichnet, zeigte sich in Bestform. Er sei nun nicht nur viermal gegen Corona, sondern zweimal gegen Gürtelrose und einmal gegen „politischen Schüttelfrost“ geimpft, erklärte er. Wie man es von ihm kennt, hat er auch an diesem Abend seine Gedanken über viele Themen vorgetragen. Dabei standen unter anderem waren das Gendern, sein Leben als Vegetarier plus, Corona, die AfD, die Energiekrise, die Höhe seiner Rente und natürlich über sein Leben mit seiner Bühnenfamilie Frieda und Heinz-Rüdiger im Mittelpunkt.
Zum Abschied hatte Schüssel sowohl vor als auch auf der Bühne Gäste dabei. Im Publikum saßen seine echte Frau Nicole und seine Söhne Julian und Björn. Auf der Bühne wurde in der ersten Hälfte kurz umgebaut. Es erschien das Frohsinn-Männerballett im Schüssel-Look – komplett mit grünen gepolsterten T-Shirts, Kappen und blauen Latzhosen. Schüssel nahm Platz auf einem bequemen Sessel an der Seite der Bühne, bei der Zugabe tanzte er jedoch elegant mit. Mit Blick auf das zusätzliche Polster kommentierte er: „Ich habe das in Natur, was die sich da reinstopfen.“
Nach weiteren Liedern von Schüssel, die das Publikum gerne kräftig mitgesungen hat, kamen die nächsten Bühnengäste: die Frohsinn-Sänger. Bei ihrem zweiten Lied „Steh auf“ tat das Publikum genau das, selbst auf der Empore wurde getanzt, bevor die Melodie von „Y.M.C.A.“ durch die Stadthalle tönte und die Sänger ein umgedichtetes Lied dazu sangen. Die vier Buchstaben ersetzen sie mit den Wörtern „Schüssel, Ciao Ciao“ – ein Refrain, den bald viele im Publikum mitsangen. Als Zugabe wiederholten sie das Lied und machten sich durch das Publikum als Polonaise mit Schüssel auf den Weg in die Pause.
Wie er in die Pause ging, kam Schüssel auch zurück durch das Publikum, aber dieses Mal zusammen mit der Frohsinn-Brassband. Schüssel, der sich farblich passend zu den Musikern mit einem rot-weißen Eintracht-Frankfurt-Hemd im Hawaii-Stil gekleidet hatte, ging mit dem Stab voraus und führte die Band zur Bühne. Dort angekommen erklangen „Narcotic“, „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ und als Zugabe „In the Mood“. Sogar eine zweite Zugabe wurde gefordert.
Natürlich hat Schüssel auch die aktuelle Politik sowohl auf Bundesebene als auch in Oberursel kommentiert. Zu den Plänen der Ampel-Koalition im Bundestag fragt er „wo der ganze Schotter herkommen soll“. Nichtstun ist aber auch für ihn keine Lösung: „Wer seinen Kopf in den Sand steckt, bringt seinen Hintern in eine gefährliche Position“, sagte er. Bürgermeisterin Antje Runge, die er als „rote Söckin“ bezeichnete, will er trotz seiner Comedy-Rente im Auge behalten. Nicht, dass aus ihrem Wahlslogan es irgendwann „Mit mir regiert das ich“ werde. Sie sei „eine Mutti für unsere Bürger, wie Angela, aber jünger und ohne Raute“, aber wie sie etwas in Oberursel umsetzen wolle bei der aktuellen Kassensituation, wisse er auch nicht. „Ohne Futter kann der Esel nicht kacken“, fasste Schüssel anschaulich zusammen.
Über seine eigenen Finanzen macht sich Schüssel auch noch Sorgen und hofft, nicht eines Tages in Oberursel obdachlos zu sein, nur weil er versehentlich das Licht zu Hause mal angelassen hat. Früher konnte er für seine Mutter einkaufen gehen und sogar noch Wechselgeld für Bonbons haben. Besonders erwähnenswert seien die Leckmuscheln von damals. Seit Jahren fragt er in seinem Programm „Gibt es sie überhaupt noch?“ Für seinen letzten Auftritt hatte er die Antwort dabei in Form von 100 Stück dabei, die er von der Bühne aus in das Publikum verteilte.
Langsam wurde die Stimmung eher gemütlich, und zu Liedern wie „Das ist Heimat“ wurden viele Handy-Lampen eingeschaltet und es wurde mitgewunken. Aber Schüssels letzter Gast Edu Keller von der Gruppe „Aber Hossa“ hatte ein anderes Tempo drauf. Erst sang er über die Deutschen im Urlaub und ihre Vorliebe dafür, Plätze mit Handtüchern zu reservieren, dann fragte er musikalisch: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, gefolgt von „Das bist du“ von Peter Maffay mit einem für Schüssel umgeschriebenen Text. Das Publikum war nun auf den Füßen und winkte kräftig mit beiden Händen mit.
Peter Schüßler brachte danach langsam die Veranstaltung mit seinem „Rede, was wahr ist“-Spruch zu Ende und erntete stehende Ovationen. Es war klar, dass er es sich nicht nehmen lassen würde, wie immer mit seinem klassischen Abschluss den Abend zu beenden. So sang er zur Melodie von „My Way“ ein letztes Mal „Das war Schüssels Leben“, bevor die Frohsinn-Sänger ihn bei „Marmor Stein und Eisen bricht“ begleiteten. Aber das Publikum wollte noch mehr, und so kehrte auch Edu Keller zurück zur Bühne und zusammen mit Schüssel und den Frohsinn-Sängern endete der Abend mit einem echten Höhepunkt: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Nach seinem Start im „Tiefflug“ vor über 25 Jahren hat Schüssel mit seinem Höhenflug an diesem Abend genau das gemacht.