„Stadtplanung ist kein Sprint, sondern ein Marathon“

Arnold Richter auf dem Rathausplatz im Schatten seiner jahrzehntelangen Wirkungsstätte. Künftig werden Plätze weniger Stein, mehr Grün haben, ist er überzeugt. Foto: js

Oberursel. Die Wandlung von Gewerbebrachen zu Wohnungen in der Hohemarkstraße fällt in seine Zeit, die Neugestaltung von wichtigen innerstädtischen Plätzen. Das Gesicht des „neuen Bahnhofs“ und sein Umfeld sind vor dem Hessentag 2011 in seinem Geschäftsbereich im Rathaus entworfen worden. Als Chef der Stadtplanung verlässt Arnold Richter heute das Rathaus. Nach fast 45 Jahren in Diensten der Stadt, Bürgermeisterin Antje Runge nennt ihn einen „prägenden Stadtplaner“. Für die Oberurseler Woche sprach Jürgen Streicher mit dem Mann, der Spuren in der Stadt hinterlassen hat.

Sie haben Bürgermeister und Baustadträte „überlebt“, wechselnde politische Konstellationen im Parlament verkraftet. Das Rathaus war 45 Jahre Ihr „zweiter Wohnsitz“, sind Sie überrascht über sich selbst?

Arnold Richter: Ein bisschen schon. Natürlich habe ich mir zuletzt mehr Gedanken über diese Zeit gemacht. Wenn man im Arbeitsalltag steckt, ist das nicht so an der Tagesordnung. Es zeigt aber auch, dass es sich lohnt, einen langen Weg zu gehen. Stadtplanung und Stadtentwicklung sind kein Sprint, sondern ein Marathon.

Wieviel Ausdauer und Zähigkeit braucht ein Stadtplaner in Diensten einer Kommune, welches Maß an Anpassungsfähigkeit?

Zähigkeit ja und zwar viel, Anpassungsfähigkeit nein. Ich glaube und hoffe, dass ich mich im Berufsalltag, wenn es um Meinungen ging, nicht verbogen habe und kein Angepasster war.

Und wieviel Frust muss er verkraften?

Frust habe ich nicht empfunden. Man muss in diesem Beruf wissen, dass am Ende die Politik entscheidet. Man kann im Stadtparlament niemanden zwingen, die Hand zu heben, man muss überzeugen.

Sie haben als technischer Mitarbeiter angefangen. Was macht man da so?

Meine Anfangsstation war die Verkehrsplanung. Wir haben in den 80er-Jahren die ersten Radwege entwickelt, die ersten verkehrsberuhigten Bereiche, und auch damals schon erkannt, dass es andere Fortbewegungsarten außer dem Auto gibt.

Im weiteren Verlauf Ihrer Karriere, was machte da den Reiz der Arbeit aus?

Der Reiz ist, dass Stadtentwicklung in einer Stadt wie Oberursel nie fertig ist. Es gibt immer wieder neue Projekte, nichts ist vergleichbar, und es ist natürlich auch der unmittelbare Kontakt zu den Bürgern und der Politik. Ein interessantes Spannungsverhältnis.

Inwiefern?

Es geht darum, in einem Projekt die eigene fachliche Meinung, die Wünsche der Bürger und das politisch Machbare zusammenzubringen. Nicht einfach, aber spannend und realisierbar.

Wovon träumt der Stadtplaner, was wäre ein Traumprojekt?

Sicher träumt der Stadtplaner von einer perfekten Stadt mit interessanter Architektur, optimalen Verkehrsverhältnissen, einer immer ausgewogenen ökologischen Bilanz und einer gesellschaftlichen Lebendigkeit.

Gab es auch Albtraumprojekte?

Nein, sicher nicht. Aber die Zeit vor dem Hessentag 2011 war schon eine Herausforderung, die neue Unterführung am Bahnhof war genau zwei Tage vor Beginn im Juni 2011 fertig. Ohne diese Unterführung wäre es mehr als eng geworden am Bahnhof.

Frau Runge hat bei Ihrer Verabschiedung gesagt, sie seien ein „prägender Stadtplaner“ gewesen. Sehen Sie das auch so?

Ich habe meine Arbeit immer ernst genommen, und ich glaube, eine meiner wichtigsten Fähigkeiten ist, dass ich ausdauernd auch schwierige Aufgaben weiterführe. Vielleicht wurde deswegen am Ende eine ganze Menge umgesetzt.

Welcher der Bürgermeister und Baustadträte hat Sie am meisten geprägt?

Es war sicher Hans-Georg Brum, mit dem ich 18 Jahre sehr eng zusammengearbeitet habe. Wir denken in vielen Bereichen ähnlich. Aber auch Eberhard Häfner, Baustadtrat von 1991 bis 2003. Er hat viele innovative Ideen in die Stadtplanung eingebracht. Auch Ideen, für die nicht von Anfang an Beifall zu erwarten war.

Gibt es in der Stadt Orte, bei denen Sie sagen, hier steckt ganz viel Arnold Richter drin?

Ja, die gibt es. Das ist der Bahnhof mit seinem gesamten Umfeld, der Adenauerpark und sicher der Epinay-Platz, auch wenn er heute als „steinerner Platz“ kritisch gesehen wird.

Sie sind ja, trotz 45 Jahren in Diensten der Stadt, immer ein „Fremder“ geblieben, haben nie in Oberursel gewohnt und gelebt. Ist das ein Vorteil bei der Arbeit?

Die Sache mit dem „Fremden“ stimmt nicht so ganz. Wenn ich zu Hause von „bei uns“ gesprochen habe, wusste meine Frau immer, ich meine Oberursel. Aber sicher, ich halte Distanz für wichtig.

Schärft es den Blick auf die Stadt?

Unbedingt, ich halte es für absolut wichtig, über den Tellerrand zu schauen und berufliche Distanz zu halten. Bei der Stadtentwicklung helfen harmonisierende Träumereien nicht weiter.

Professionelle Distanz, Ihre stets nüchtern sachliche Haltung im Dialog mit Bürgern, Anwohnern, Initiativen und harten Kritikern war ein Markenzeichen.

Wenn es so war, würde mich das freuen, denn dann hätte ich das erreicht, was ich für wichtig halte.

Leben und Wohnen in Heuchelheim, Arbeiten in Oberursel, Sie haben das bewusst getrennt?

Außer der Distanz ist es einfach gut, von Freitagnachmittag bis Montag anderes als Oberursel zu sehen, es macht den Kopf frei.

Nie mit dem Gedanken gespielt, ganz nach Oberursel zu ziehen?

Doch, Überlegungen gab es, aber mein familiärer Mittelpunkt liegt nun mal in Mittelhessen, der Kontakt ist mir sehr wichtig.

Als prägender Stadtplaner haben Sie Prozesse begleitet, ihren Stempel draufgesetzt, Blickwinkel verändert. Wie weit geht die Freiheit des Planers?

Sie geht schon weit. Ich bin immer frei, Ideen einzubringen, aber dabei muss ich meine Mitarbeiter mitnehmen, Wünsche der Bürger berücksichtigen und die Politik überzeugen. Ich habe oft gesagt, wenn man vorangeht, muss man sich ab und zu auch umdrehen und schauen, ob die anderen noch folgen.

Ihre größte Herausforderung?

Bin in der Regel ich selbst. Neue Ideen begeistern mich schnell, da ist es gut, Mitarbeiter zu haben, die kompetent ihre Meinung sagen.

Und, sind Sie zufrieden mit Ihrem Werk?

Im Großen und Ganzen schon, natürlich würde man aus heutiger Sicht manches anders machen, aber das liegt sicher in der Natur der Sache.

Ich würde Sie gerne um Schulnoten bitten für ein paar Großprojekte und zur Gestaltung von Plätzen. Hohemarkstraße, Camp King, Bahnhof plus Umfeld, Hessentag, Historischer Marktplatz, Epinay-Platz, Rathausplatz, Chopin-Platz.

Schulnoten finde ich an dieser Stelle schwierig, aber ich bin schon überzeugt, dass alle genannten Projekte bis auf den Chopin-Platz, der soll ja noch werden, der Stadt gut getan haben.

Ihr Lieblingssatz, in dem die Worte Stein und Platz vorkommen?

Den gibt es nicht, ein Platz besteht aus Stein und Grün und ich glaube, dass sich das Verhältnis von Stein zu Grün zukünftig zugunsten von Grün verändern wird. Also Platzverweis für Stein, Freistoß für Grün.

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