Unvergessliche „Wassermusik“ beim Classic-Open-Air-Event

Seung Jo Cha begleitet am Flügel Simone Garnier, Anja Stader, Martin Kellenbenz und Timon Führ beim Medley aus dem „Zigeunerbaron“ von Franz Lehar. Foto: bg

Oberursel (bg). Allen Beteiligten wird der Auftritt des „Kleinen Opern-Ensembles Hessen“ im Rushmoor-Park unvergesslich bleiben. Bei seiner Begrüßung der über 400 Besucher hoffte Dirk Müller-Kästner vom Verein Kunstgriff, der den Orscheler Sommer veranstaltet, noch einigermaßen, den schlechten Wetterprognosen trotzen zu können. Sicherheitshalber wurden aber noch Pavillons aufgestellt. Im Verlauf des Abends wurden sie dringend gebraucht. Als nach der Halbzeit heftige Regenschauer niedergingen, trotzte gut die Hälfte des Publikums nicht nur dem Wetter, die Stimmung unter den Pavillons und Schirmen wurde richtig beschwingt und ausgelassen. Lauthals sangen die Fans der leichten Muse bei bekannten Ohrwürmern wie dem „Chiantiwein“ begeistert mit.

Orschler Sommer und Klassik – das kommt gut. Bereits vor drei Jahren war der Auftritt des Ensembles ein Riesenerfolg. Das weitläufige Areal des Rushmoor-Parks sorgte für ein stimmungsvolles Konzerterlebnis, bei dem alle Sinne angesprochen wurden. Auf Klappstühlen oder Sitzbänken hatten es sich die Besucher mit einem Glas Wein oder anderen Kaltgetränken gemütlich gemacht. Wer Hunger hatte, konnte sich am Essensstand stärken. Bei der Bewirtschaftung unterstützten bei diesem Event Mitglieder der CDU den Kunstgriff.

Oper schlägt Seifenoper

Der Abend stand unter dem Motto „Liebe, Trug und blaue Masken“. Zum Auftakt versammelten sich die vier Solisten Anja Stader, Sopran, Simone Garnier, Mezzsosopran, Martin Kellenbenz, Tenor, und Timon Führ, Bassbariton, auf der Bühne und eroberten das Publikum im Handumdrehen. Das Zusammenspiel klappte hervorragend, kein Wunder schließlich gehört das Quartett dem Ensemble des Papageno-Theaters Frankfurt an, man kennt sich also gut. Gemeinsam intonierten sie die Arie „Un di, se ben raentomi“ aus Verdis „Rigoletto“. Wunderbar und einfühlsam begleitet durch die großartige Seung Jo Cha am Flügel, die mit ihrem passgenauen, gefühlvollen Spiel glatt ein Orchester ersetzte. Sie ist die musikalische Leiterin des Papageno-Theaters. Opernklängen nicht in den Musentempeln oder in Konzertsälen, sondern unter freiem Himmel dargeboten, begeistert viele Menschen, die im Alltagsleben eher nicht den Weg in die Opernhäuser finden. Der bekannte HR-Moderator für klassische Musik, Niels Kaiser, bekannt durch seine Sendung „Kaiserklänge“, half ihnen dabei auf die Sprünge und erklärte ihnen die Welt der Oper, die nach seinen tiefschürfenden und herrlich schrägen Erläuterungen das Genre der Seifen-Oper um Längen schlägt. In allen Opern wimmele es nur so von Herzensbrechern, Dreiecks-Beziehungen, die selten gut ausgingen, falschen Liebesschwüren, kurz: Lug und Trug. Morde, begangen aus Leidenschaft oder Heimtücke, seien an der Tagesordnung, wahre Liebe gebe es so gut wie gar nicht, so Niels Kaiser bei seinen von Gelächtern begleiteten Ausführungen.

Aber, das war seine gute Botschaft, die Melodien sind wahre Gassenhauer und echte Ballermänner-Songs. Derart mit Insider-Wissen versorgt, lauschte das Publikum hingerissen dem Programm. Im ersten Teil erklangen Arien von Bizet, Mozart, Saint-Saens, Puccini und Verdi. Jeder Solist hatte einen vielumjubelten Auftritt. Timon Führ mit der Arie des Don Giovanni „Komm ans Fenster, mein Schatz“, Simone Garnier präsentierte sich als intrigante Dalila und verführerische Carmen, Anja Stada glänzte als Musetta, und Martin Kellenbenz sang als Prinz Kalaf das berühmte „Nessun dorma“ – Keiner schlafe“ aus „Turandot“ von Puccini. Von Freizeitjoggern, Hundegebell oder Glockengeläut ließ sich das eingeschworene und gut aufgelegt Ensemble in keiner Weise stören.

Stimmen unter Schirmen und Zelten

Nach der Pause kamen die Zigeuner und der Regen. Anfangs mit einigen Spritzern beim stimmungsvollen Medley aus dem „Zigeunerbaron“ von Franz Lehar, später setzte auch noch ein heftiger Platzregen ein. Das alles schreckte Publikum wie Künstler nicht. Sie sangen und tanzten auf der Bühne einfach weiter. „Seid ihr unter den Schirmen noch da“, wollte der großartige Niels Kaiser wissen, und bekam lauthals Antwort. Mit lautstarken Bravo-Rufen und begeistertem Beifall bedankten sich die unter Schirme, Zelte und Pavillons geflüchteten Zuhörer für wunderbare Arien und Volksweisen, die ihnen von den Künstlern serviert wurden, immer im passenden Outfit. Darunter das Wolgalied aus der Operette „Der Zarewitsch“, „Ja, der Chiantiwein“ oder „Dein ist mein ganzes Herz. Beim „Villja-Lied“ aus der „Lustigen Witwe“ agierte das Publikum als Backround-Chor, bei dem Niels Kaiser die Einsätze dirigierte.

Mit einem vielumjubelten Medley aus der „Maske in Blau“ von Fred Raymond endete das gleichermaßen stimmungsvolle wie wasserreiche Open-Air-Classic-Event. Und Überraschung: „Sassa“, stammt nicht von den Mainzer Hofsängern, auch wenn sie es durch ihre Auftritte bei der Mainzer Fastnacht in fast alle Wohnstuben brachten, sondern aus eben dieser Operette, wie auch das wunderbare Lied über den „Frühling in San Remo“ oder der Titel „Die Julischka aus Budapest“.

Pünktlich am Ende des Konzertes hatte der Regen wieder aufgehört. Alle Besucher, die sich durch die Unbill des Wetters nicht die Freude an der Musik hatten nehmen lassen, konnten ohne Schirm den Heimweg antreten.



X