„Es fehlt das Stück menschlicher Begleitung“

„Wir warten sehr darauf, wieder zu den Sterbenskranken in die Alten- und Pflegeheime im Hochtaunuskreis kommen zu dürfen“, sagt Hans-Jörg Todt, Vorsitzender des Bad Homburger Hospiz-Dienstes. Foto: privat

Hochtaunus (a.ber). „Warum könnt ihr nicht vorbeikommen zum Gespräch?“ Diese Frage hören Dr. Hans-Jörg Todt, Vorsitzender des Bad Homburger Hospiz-Dienstes, und seine 38 ehrenamtlichen Hospizhelfer dieser Tage oft. „Und es schmerzt und macht uns Sorgen, dass wir physisch nicht bei den Patienten in den Alten- und Pflegeheimen sein können. Es belastet die Patienten sehr stark, denn sie wissen, dass das Leben endlich ist und oft nicht viel Zeit bleibt“, sagt Hans-Jörg Todt. Gespräche führen, die Hand halten, Linderung bringen und gemeinsam Entscheidungen treffen, ob der ärztliche Palliativdienst hinzugezogen werden muss: All dies kann in Zeiten der Corona-Pandemie nicht geschehen, denn laut Verordnung dürfen die alten und sterbenden Menschen in den Pflegeheimen nicht besucht werden. Da bleibe zur Zeit nur der Kontakt über Telefon und Briefe, „aber das ist kein Ersatz, gerade nicht bei Sterbenden in ihrer letzten Lebensphase.“

Lange und enge Beziehung

Der Bad Homburger Hospiz-Dienst, der außer in der Kurstadt auch im Hochtaunuskreis aktiv ist, erlebt in diesen Tagen, dass die psychosoziale Begleitung den Patienten in den Heimen extrem fehlt. Oft haben die ehrenamtlichen Hospizhelfer eine lange und enge Beziehung zu den Menschen, die sie betreuen. Da derzeit auch Angehörige mit einem Besuchsverbot belegt sind, fehlt nun das Stück menschlicher Begleitung, das unbedingt notwendig ist. Anders als in den Alten- und Pflegeheimen im Hochtaunuskreis haben die Patienten, die in ihrem eigenen Zuhause gepflegt werden, jedoch nach wie vor die Möglichkeit, sich vom Hospiz-Dienst begleiten zu lassen. „Diese sterbenskranken Menschen entscheiden es selbst, wen sie an ihr Bett lassen. Und wir erleben, dass viele von ihnen die Gefahr einer Erkrankung durch Corona-Viren durchaus nüchtern sehen, obwohl sie wissen, dass sie vorerkrankt und gefährdet sind. Sie haben aber keine Panik“, so Todt. „Viele gehen bereits mit dem Thema Tod gelassen um, da interessieren andere Dinge, die sie in ihrer letzten Lebensphase besprechen möchten.“

Das Thema Sterben und Tod sei ja, so der Vorsitzende des Vereins, früher von der Gesellschaft an den Rand gedrängt und verdrängt worden. Das habe sich in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch die bundesweite Hospiz-Bewegung etwas verbessert. Doch beobachte er, dass, anders als vielleicht gedacht, auch derzeit trotz der Pandemie die gedankliche Beschäftigung mit Sterben und Tod eher zurückgedrängt würde. „Die Jüngeren sagen sich, dass der Verlauf einer Corona-Erkrankung bei ihnen voraussichtlich milde verlaufe, und hinter vorgehaltener Hand heißt es über die betroffenen alten Menschen manchmal: Die sind ja alt und sterben jetzt halt etwas früher.“ Natürlich verhielten sich viele Jüngere dennoch vorbildlich, um alte Menschen nicht unnötig zu gefährden. „Doch was nötig wäre, sind Gedanken darüber, welche Haltung jeder Einzelne zum Thema Krankheit und Sterben in seinem Leben einnimmt.“

„Wir als verantwortliche Mitmenschen müssen in dieser Lage jetzt mit Augenmaß handeln und mit Mut und Verantwortungsgefühl entscheiden“, meint Ulrike Ihlefeld aus Oberursel, die seit 16 Jahren als ehrenamtliche Hospizhelferin arbeitet. Corona sei als Ausrede ungeeignet, um sich in der Sterbephase eines bedürftigen Angehörigen zurückzuziehen. In den Alten- und Pflegeheimen hätten Sterbende oft kein Verständnis der Pandemie-Lage, und viele litten sehr darunter, dass sie Kinder und Enkel nicht um sich haben könnten. „Es ist jetzt wichtig, dass viel darüber gesprochen wird, was möglich zu machen ist, damit sich diese Situation entspannt – und da sind auch die Leitungen der Heime in der Pflicht. Die Regierungen, die genauso von der Wucht der Ereignisse getroffen sind wie wir alle, sollten ebenso mit Mut Entscheidungen treffen. Gerade am Ende des Lebens ist der menschliche Kontakt so unglaublich wichtig – findet er nicht statt, ist das eine psychosoziale Katastrophe“, urteilt Ulrike Ihlefeld.

Auf Spenden angewiesen

Der Verein Bad Homburger Hospiz-Dienst hatte dieser Tage vor, seine Qualifizierung von 46 neuen Hospizhelfern in Friedrichsdorf, Bad Homburg und Oberursel zu starten. Dies ist nun nicht möglich. Auch den Gedächtnisgottesdienst im Mai für die Verstorbenen hat Hans-Jörg Todt absagen müssen. „Und ein erhebliches Defizit wird es für unseren auf Spenden angewiesenen Verein dieses Jahr auch geben“, so Todt. „Das Wichtigste aber ist, dass wir darauf warten, wieder zu den Patienten in die Alten- und Pflegeheime zu dürfen.“

!Der Bad Homburger Hospiz-Dienst macht darauf aufmerksam, dass die drei hauptamtlichen Fachkräfte des Dienstes mit der Leiterin Sabine Nagel in der Dienststelle unter Telefon 06172-8686868 oder im Internet unter www.hospizdienst-bad-homburg.de für Angehörige und Betroffene selbstverständlich zu erreichen sind und gerne weiterhelfen.



X