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Schwalbach (MS). Es ist der Alptraum eines jeden Mieters: Plötzlich tropft es von oben aus der Decke und von den Wänden läuft stinkendes Abwasser herab. Einige Mieter in einem Mehrfamilienhaus in der Badener Straße haben genau diesen Alptraum vor drei Wochen erlebt, leben seither in einer müffelnden Baustelle und fühlen sich von ihrer Vermieterin – der Nassauischen Heimstätte (NH) – im Stich gelassen.
Es war am 24. Juli, als Ahadriu Chighannou abends um 22 Uhr bemerkte, dass etwas nicht stimmt. Überall an den Wänden in seiner Wohnung im ersten Obergeschoss lief Wasser an den Wänden herunter und schon bald stellte sich heraus, dass es Abwasser ist. Noch schlimmer sah es in der Wohnung obendrüber aus. Dort stand eine bräunliche Mischung aus Abwasser, Urin und Kot drei Zentimeter hoch in der gesamten Wohnung. Die Bewohner – eine Familie mit vier Kindern – waren allerdings im Urlaub und bemerkten das Unglück nicht. Sie fanden erst am vergangenen Sonntag ihre mehr oder minder zerstörte Wohnung vor. Der Strom war abgestellt, die Toilette abgehängt, der Fußboden war aufgequollen und in den Möbel hatte sich der Fäkaliengestank festgesetzt. In der Nacht musste die Familie ihre Notdurft auf einer nahe gelegenen Wiese verrichten.
Ursache für das Desaster war ein verstopftes Fallrohr, in dem sich das Abwasser staute, bis es aus verschiedenen Waschbecken, der Toilette und der Badewanne austrat. Außerdem riss durch den Druck ein Abfluss ab, so dass sich die Brühe in die Wohnung ergoss.
Die Nachbarn reagierten schnell und informierten die Nassauische Heimstätte. Die schickte auch schon am nächsten Tag einen Rohrreiniger. Doch der machte die Sache eher schlimmer als besser. Zum einen gelang es nicht, das fast 60 Jahre alte Rohr frei zu bekommen. Zum anderen ergoss sich nach dem Reparaturversuch noch mehr Wasser in die Zimmer, das dann nicht nur in die darunter liegende Wohnung floss, sondern auch noch im Erdgeschoss und im Keller aus Wänden und Lichtschaltern tropfte.
Das Wasser, das in der Wohnung im zweiten Stock stand, wischte niemand auf. Es versickerte nach und nach und kam dann weiter unten wieder heraus. Unmittelbar nach dem Schaden riefen die verzweifelten Nachbarn auch bei der Feuerwehr an, damit diese das Wasser mit ihren Saugern entfernt. Doch als sie von der Leitstelle hörten, dass sie unter Umständen auf den Kosten für den Einsatz in vierstelliger Höhe sitzen bleiben, verzichteten sie auf die Hilfe der Feuerwehr.
Mittlerweile ist klar: Das gesamte Rohr muss komplett ausgetauscht worden. Wann das passiert, kann die Nassauische Heimstätte aktuell noch nicht sagen. Pressesprecher Jens Duffner: „Das muss zunächst ein Gutachter prüfen. Erst dann können Aussagen zum zeitlichen Ablauf der Reparaturmaßnahmen getroffen werden.
So lange das alte Fallrohr, das zu rund 70 Prozent verstopft sein soll, aber noch in Betrieb ist, drohen jederzeit neue Überschwemmungen. Am Dienstag vergangener Woche und am Sonntag lief die Brühe weitere Male. Aus allen Toiletten fließt das Wasser nur sehr langsam ab. Die Betroffenen haben sich mittlerweile auch an das Gesundheitsamt und das Ordnungsamt der Stadt Schwalbach gewendet. „Wir haben wirklich Angst um die Gesundheit der Kinder, die hier leben müssen“, sagt Stefan Euler aus dem Erdgeschoss, der den Gestank in seiner Wohnung mit etlichen Ventilatoren zu vertreiben versucht. „Hier kann man eigentlich nicht wohnen.“
Das sieht die NH anders. Sie hat in zwei der drei Wohnungen die Tapeten entfernen und einen Teil der Wände desinfizieren lassen. „Von Gesundheitsgefahren gehen wir nicht aus. Die Wohnungen wurden gründlich gereinigt und desinfiziert“, sagt Jens Duffner. Aus Sicht der NH sind auch die Bäder „nutzbar“ und die Wohnungen „bewohnbar“ – auch die der sechsköpfigen Familie mit dem größten Schaden. Eine Ersatzunterbringung in einem Hotel oder einer Pension sei „nicht erforderlich und daher auch nicht vorgesehen“.
Stefan Euler kann die Reaktion der NH nicht verstehen: „Wir Mieter haben alles getan, damit der Schaden möglichst gering bleibt. Aber ich habe das Gefühl, dass uns niemand zuhört.“ Wie die beiden anderen Betroffenen fordert er von der Nassauischen Heimstätte, dass sie dafür sorgt, dass er und seine Nachbar nicht länger in verunreinigten Wohnungen leben müssen. Außerdem will er wissen, wie es mit der Reparatur weitergeht und wer den Mietern die Schäden ersetzt.
Denn auch an diesem Punkt sieht sich die Nassauische Heimstätte nicht in der Verantwortung. „Einrichtungsgegenstände sind über die Hausratversicherung der Mieter abgedeckt“, erklärt NH-Sprecher Jens Duffner. Allerdings haben nicht alle der Betroffenen eine solche Versicherung. Überdies kann gerade bei Schäden durch Abwasserrohre sehr wohl der Vermieter schadenersatzpflichtig sein, falls Rohr-Verstopfungen durch mangelnde Instandhaltung entstanden sind. Klären müssen das am Ende wahrscheinlich die Gerichte.
Die betroffenen Bewohner sind derweil beinahe mit ihren Nerven am Ende. „Das kann so nicht weitergehen. Da muss jetzt dringend etwas passieren“, sagt Stefan Euler.
Die Bewohner eine Hauses in der Badener Straße müssen seit nunmehr drei Wochen in einer müffelnden Baustelle leben.Foto: Schlosser
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