Mit Kompass in eine sichere Zukunft

Schulterschluss vor dem Bürgerhaus: Innenminister Peter Beuth (rechts) ernennt Steinbach zur Kompass-Stadt, links daneben Bürgermeister Steffen Bonk. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Es ist keine Stadt der Bösewichte. In der Kriminalstatistik, so der objektive Befund, rangiert Steinbach unter ferner liefen. Doch entsprechen niedrige Fallzahlen auch dem subjektiven Sicherheitsgefühl? Das wird sich bald zeigen, denn die Stadt ist seit voriger Woche Kompass-Kommune, unterzieht sich damit einem Sicherheitsprogramm der Landespolizei, das die Stimmungslage auslotet. Am 24. Oktober startet die erste Phase des KOMMunal-ProgrAmm-Sicherheits-Siegels mit einer Bürgerbefragung auf dem Wochenmarkt.

Das Schild mit einem Hessenlöwen, der die Krallen ausgefahren hat, um die Menschen dieses Landes mit aller Kraft gegen finstere Mächte zu verteidigen, hat Steinbach als 81. Kommune aus der Hand von Innenminister Peter Beuth empfangen. Damit öffnen sich gut 20 Prozent der hessischen Gemeinden für Sicherheitskonzepte, mit denen Angsträume beseitigt und Vertrauen in die Polizei aufgebaut werden soll. Als der Minister im Bürgerhaus das kriminalpolizeiliche Lagebild skizziert, weiß er natürlich, dass die Stadt „nicht wirklich auffällig“ ist. Der letzte polizeiliche Großeinsatz, so hat sich der christdemokratische Ressortchef sagen lassen, datiert vom Februar 2013, als das alte Bürgerhaus nach Weiberfastnacht in Flammen aufging. Ausgangspunkt war ein Schwelbrand in einem Abfalleimer auf der Bühne. Die Ursache ist unbekannt geblieben. Doch Beuth weiß auch, dass die Zahl von 340 Delikten im Jahr 2019 nicht jeden Steinbacher überzeugen kann, auf einer Insel der Seligen zu wohnen.

Öffentliche Ordnung in Gefahr?

In der Kommune gibt es zwar keine Delikte wie Mord und Totschlag, keine Banküberfälle, Erpessung oder Entführung, aber die 10 500 Einwohner beunruhigen aufgebrochene Garagen, geklaute Motorroller und brennende Gartenhecken durchaus. Mulmige Gefühle verbreiten vor allem Sachbeschädigungen, von denen vergangenes Jahr 75 angzeigt wurden. Beschmierte Wände und Sitzbänke, demolierte Bushaltestellen sowie herausgerissene Zäune vermitteln den Eindruck, die öffentliche Ordnung gerate aus den Fugen. Die SPD hat das Thema Sicherheit schon länger auf der Agenda des Stadtparlaments und kommt der Kompass-Befragung – ebenfalls auf dem Markt – zwei Wochen zuvor. Zur Einstimmung veröffentlichten die Sozialdemokraten ein Foto der zerstörten Tischtennisplatte an der Friedrich-Hill-Halle.

Bei derartigen Vorfällen gerät vor allem die Jugendszene ins Visier, die sich am Apfelweinbrückchen, am Weiher-Spielplatz und auf dem Bolzplatz an der Waldstraße einfindet. Die Meetings sind nicht strafbar, doch sie erzeugen zumal bei Senioren ein Gefühl der Bedrohung. Auf diesem Feld kollidiert das subjektive Sicherheitsempfinden mit der objektiven Sicherheitslage. Diese Treffen machen häufig viel Lärm um nichts. Bei der Befragung am 24. Oktober wird das Thema eine Rolle spielen, wenn Polizeibeamte zehn Fragen stellen, die klären sollen „wo der Schuh drückt,“ wie es der Innenminister formuliert. Es wäre keine Überraschung, wenn der städtische Kompassbeauftragte und Ordnungsamtsleiter Patrik Hafeneger zu hören bekommt, mit den 2,6 Stellen für die Stadtpolizei sei es nicht getan. Wegen der dünnen Personaldecke sind die Uniformierten meist alleine unterwegs. Zudem schafft die Stadt gerade ein transportables Radargerät an, mit dem die dringend nötigen, aber zeitaufwendigen Kontrollen auf den Raserstrecken der Stadt erfolgen werden. Auch dafür ist dann die Stadtpolizei zuständig.

Nach Auswertung der anonymen Bürgerbefragung, bei der Geschlecht und Alter festgehalten werden, folgt eine Sicherheitskonferenz, die maßgeschneiderte Konzepte für die städtischen Entscheidungsträger erarbeitet. Was dabei herauskommt, kann in der Kompass-Modellkommune Bad Homburg erfragt werden. Dort wurden 15 ehrenamtliche Sicherheitsberater für Senioren ausgebildet und Videoüberwachung am Kurhaus erwogen. Auch der Einatz von Streetworkern als Kontaktpersonen zu Jugendlichen steht in Rede.

Das Sicherheitssiegel wird keinsesfalls verschenkt, sondern die Vergabe an Bedingungen geknüpft. Der Präventionsrat muss funktionieren, die Sicherheitskonferenz getagt haben, und eine weitere Maßnahme muss erfoglreich getestet worden sein. Überdies muss ein mit der Kompass-Geschäftsstelle beim Landeskriminalamt abgestimmter Bericht des städtischen Beauftragten vorliegen. Bürgermeister Steffen Bonk kündigte an: „Jetzt beginnt die Arbeit.“ 2022 will die Stadt das Siegel im Rathaus aufhängen.

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