Mama, ich bin dann mal Monster-Trainer!

Inmitten der bunten Pokémons ist der zwölfjährige Steinbacher Alexander Krol voll in seinem Element. Als Pokémon-Trainer gehört er in seiner Altersklasse zu den Besten der Welt. Foto: privat

Von Christine Sarac

Steinbach. Den drolligen gelben Pikachu kennen viele. Auch jene, die sich mit dem Thema Pokémon nicht beschäftigen. Der zwölfjährige Alexander Krol bewegt sich in der Welt der kleinen Monster jedoch auf einem ganz anderen Niveau. Er kennt die Eigenschaften von über 500 Pokémons auswendig. In seiner Altersklasse zählt er zu den besten Spielern der Welt.

Doch erst mal alles auf Anfang, denn der Schüler mischt noch gar nicht so lange im Lager der Profi-Pokémonspieler, die auch Trainer genannt werden, mit. „Vor ungefähr einem Jahr hat alles angefangen“, erinnert er sich, während er auf dem großen Wohnzimmertisch die Bänder seiner gewonnenen Medaillen glatt streicht. Alexanders Englischlehrerin an der Phorms-Schule bot als Nachmittags-AG einen Pokémon-Club an. „Eines Tages kam mein Sohn nach Hause und erzählte von der coolen Lehrerin und den Pokémon-Videospielen“, erinnert sich Alexanders Vater, August Krol. Während sich bei vielen Eltern bei dem Wort Videospiel bereits die Nackenhaare aufstellen und das „Kommt gar nicht in die Tüte“ bereits auf der Zunge liegt, aus Angst, der Junior könnte in Cyberwelten abdriften, blieben die Krols erstmal gelassen. „Ausgewählte Videospiele gab es bei uns bereits, bevor die Pokémons bei uns eingezogen sind“, sagt der Dreifachvater. „Natürlich habe ich mich informiert, was das genau für ein Spiel ist“, fügt er hinzu. Inzwischen spricht August Krol genauso begeistert über das Nintendo-Spiel aus Japan, wie sein Sohn. „Man braucht ein gutes Gedächtnis, eine Strategie und muss versuchen, die Spielzüge des Gegners vorauszusehen“, schwärmt Krol Senior. „Das ist ein bisschen so wie Schach, nur mit lustigeren Figuren“, sagt Alexander und grinst. Das Videospiel fordert aber auch Fähigkeiten, die man vom Pokern kennt, denn wer bluffen kann, ist auch hier klar im Vorteil.

Dass Alexander so ein talentierter Spieler ist, zeigte sich recht schnell. „Meine Lehrerin hat gesagt, dass ich bei der Europäischen Pokémon-Internationalmeisterschaft teilnehmen soll“, erinnert sich der Siebtklässler. Diese fand zufällig vom 22. bis 24. April in Frankfurt statt. Der Vater begleitete ihn zu der Großveranstaltung auf die Messe, und beide waren sofort fasziniert. „Es ist kaum vorstellbar, wie viele Leute aus der ganzen Welt dort sind“, berichtet August Krol. Das erste Match spielt Alexander gegen Chiara aus Australien. „Ich hab sie platt gemacht“, erzählt der Blondschopf aufgeregt und voller Stolz. Erst am Abend finden die Krols heraus, dass Chiara in der Altersklasse Junioren zur Weltelite gehört.

Doch wie wird das Videospiel denn jetzt genau gespielt? Alexander versucht, es so einfach wie möglich zu erklären. „Zuerst muss man ein Team aus sechs Pokémons zusammenstellen“, erläutert der Zwölfjährige.

Klingt einfach, ist es aber nicht, schließlich stehen rund 1000 Pokémon-Charaktere zur Auswahl. „Jedes Pokémon hat verschiedene Eigenschaften, die es im Kampf aktivieren kann“, erklärt Alexander weiter. „Mein Gegner und ich, wir schicken je einen Pokémon in den Ring, und dann kämpfen die gegeneinander.“ Das funktioniert ähnlich wie bei Schnick-Schnack-Schnuck nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip, nur dass es hier viel mehr Kombinationsmöglichkeiten gibt. Eine Runde dauert in der Regel etwa 20 Minuten. Vier von sechs Matches muss der Spieler gewinnen, dann hat er sich für das Finale qualifiziert, den sogenannten „Top Cut“. Hier gilt das Prinzip der K.o.-Runde, das heißt, wer verliert, fliegt raus. Alexander schlägt sich gut in Frankfurt. Ein Wettkampf führt zum nächsten, so dass Vater und Sohn innerhalb der nächsten Monate ziemlich viele Flugmeilen ansammeln. Die beiden reisen nach Spanien, Frankreich, Italien und England – natürlich immer am Wochenende, wenn keine Schule ist.

Auch die Pokémon-Erfinder, die Firma Nintendo, wurde bereits auf den Jungen aus Steinbach aufmerksam, der derzeit zu den 16 besten Spielern der Welt in seiner Altersklasse gehört. „Wer sich gut bei den Matches schlägt, der sammelt Punkte, und es gibt auch Siegerprämien“, weiß August Krol. „Dann bekommt man limitierte Geschenke, besondere Pokémon-Karten und Travel-Awards, so dass man für die Reisen zu den Turnieren nicht mehr bezahlen muss.“ Außerdem werden die Wettkämpfe auch live gestreamt, so dass Fans überall auf der Welt die Veranstaltungen mitverfolgen können. „Unglaublich, dass einem da Tausende am Bildschirm zusehen“, staunt August Krol. Dennoch achtet er darauf, dass sein Sohnemann die Bodenhaftung nicht verliert. „Die Schule darf nicht drunter leiden“, weiß Alexander. Um aber im Training für sein Hobby zu bleiben, übt Alexander, dessen Lieblingsfächer Spanisch, Physik und Sport sind, etwa zwei Stunden pro Tag.

Mit seinen zwölf Jahren gehört Alexander jetzt in die nächsthöhere Altersklasse der „Senioren“ für die Zwölf bis 16-Jährigen. Bei den Internationalen Meisterschaften in Columbus/Nordamerika Ende Juli kam Alexander mit dem zweiten Platz nach Hause. Aber auch ein Champion gewinnt nicht immer. In London flog Alexander in der K-o.-Runde raus, obwohl er bei diesem Wettkampf bis dahin jeden Gegner weggefegt hatte. Papa August, der die Spiele seines Sohnes oft per Handyvideo für die zwei Geschwister und die Mama zu Hause festhält, zeigt die Szene auf seinem Smartphone. Als es „Game over“ für Alexander heißt, sinkt der Kopf des Jungen resigniert vor ihm auf die Tischplatte. Man fühlt förmlich den Schmerz der Niederlage mit. „Ich denke, auch da nimmt mein Sohn sehr viel fürs Leben mit“, findet August Krol. Natürlich hat Alexander den kleinen Tiefschlag längst weggesteckt und sich ein neues Ziel gesetzt. „Einmal Weltmeister werden“, schwärmt der Schüler, und das ist nicht mal unrealistisch. Der Austragungsort der nächsten WM wurde kürzlich unter großem Jubel verkündet. Es ist Yokohama in Japan, dem Heimatland der Pokémons. Im Sommer hat Alexander die Chance, seinen Traum wahr zu machen.

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