150 Millionen Euro für das Kurhaus

Ganz wichtig ist beim Modell des Berliner Architekturbüros GMP das Stichwort „Durchlässigkeit“, für Tageslicht möglichst überall. Vorgesehen ist eine lichte Ladenpassage, die den tiefergelegten Vorplatz mit dem neuen Wintergarten vor dem  Kurhausgarten verbindet. Foto: js

Von Jürgen Streicher

 

Bad Homburg. Wohin geht die Reise? Es ist nun die Zeit gekommen, da das Ziel mit einem klaren Bild vor Augen vorgegeben werden soll. Nach etwa fünf Jahren Vorspiel geht es jetzt um die finale Richtung der Planung, wie das Kurstadt-Kurhaus in den nächsten ungefähr 50 Jahren aussehen soll. Also etwa ab 2030, wenn der angestrebte Baubeginn 2026 eingehalten werden kann – nach der für 2024 vorgesehenen politischen Entscheidung mit eventueller Bürgerbeteiligung im Anschluss. Nach derzeitigem Stand wird mit Baukosten von um die 150 Millionen Euro kalkuliert.

Wenn über das „Herz der Stadt“ (OB Alexander Hetjes) gesprochen wird, dann gibt es kein Limit. Nicht beim Träumen von einer goldenen Zukunft, nicht beim Geld, das dafür in die Hand genommen werden muss. Wer beim Kurhaus nicht vom Herz spricht, nennt es das „Herzstück“ der Innenstadt, das „Herz der City“, den „Kristallisationspunkt der Mitte“, auch die „emotionale Mitte“.

Es gibt viele sprachliche Bilder, die beschreiben sollen, um was es beim Kurhaus und damit auch dem gesamten Areal drumherum geht. Es geht um alles, es geht um die Zukunft der Kurstadt, die sich in einem Konkurrenzkampf als „Wirtschaftsstandort und Oberzentrum“ dem Wettbewerb stellen und sich behaupten muss. Wie viel weitere Millionen auf die aktuell prognostizierten rund 150 Millionen Euro dann noch draufzurechnen sind, das mag man sich lieber nicht vorstellen. Auf Nachfragen aus dem Publikum der „Bürgerinformationsveranstaltung“ zum Thema Kurhaus reagiert der von der Stadt und der Kur verpflichtete Projektleiter Michael Guntersdorf eher unwirsch.

Jetzt geht es erstmal um Bilder, um schöne Bilder. Betrachter können virtuell schon durch die mögliche neue Kurhaus-Welt flanieren, sich Vorstellungen schaffen, von dem, was möglich ist. Rund 200 Interessierte sind zwei Jahre nach der letzten öffentlichen Bürgerinformation und fünf Jahre nach dem gefeierten ISEK-Prozess (Integriertes Stadtentwicklungskonzept) wieder ins bereits totgesagte Kurhaus gekommen, wollen live dabei sein bei der Vorstellung der finalen „Machbarkeitsstudien“. Mehr ist es noch nicht, das wird stets betont. Gerade mal das Ende der Vorplanung, ein „vielschichtiger langer Prozess“, wie der OB eingangs betont. Es wird gezeigt und darüber geredet, was möglich sein könnte, wenn man denn zu einer Einigung käme.

Einladend und elegant

Ein großer Andrang wurde wohl nicht erwartet, der Kurhaus-Saal war schon vor Beginn durch eine Trennwand geteilt, viele Stühle blieben frei. Etwa 250 weitere Menschen waren an den Bildschirmen zu Hause dabei, unter www.kurhaus-bad-homburg.de kann man sich das komplette Programm immer wieder ansehen. Kurze Clips mit fotorealistischen Aufnahmen zu den vorgestellten Varianten, schöne 3D-Animationen, die Lust machen sollen auf ein „offenes strahlendes Haus für die Bürger, einladend und elegant“. Dieses Ziel verfolgt laut Hubert Nienhoff das renommierte Berliner Architekturbüro GMP. Die Vertreter der eingeladenen Architekturbüros mit klaren Arbeitsvorgaben zur Grundidee hatten jeweils 15 Minuten Zeit, ihre Ideen und Visionen mit wohlfeilen Worten vorzustellen.

GMP durfte beim „Pitch“, wie Werber sagen, als erstes Büro auf die Bühne, um die Leitidee für das Projekt vorzustellen. 15 Minuten für 50 Jahre Kurhaus mit der Vorgabe, ein völlig neues, modernes äußeres Bild, einen Kur-Tempel mit moderner Fassade zu gestalten. „Klassisch elegant, handwerklich hochwertig“, so Nienhoff. Ganz wichtig das Stichwort „Durchlässigkeit“, für Tageslicht möglichst überall, eine lichte Ladenpassage, die den tiefergelegten Vorplatz mit dem neuen riesigen Wintergarten vor dem Kurhausgarten verbindet. Der Theatersaal „aufgefrischt und technisch erneuert“, umlaufende Kolonaden um den gesamten Komplex, in den auch das bestehende Hotel integriert werden muss. Ein „Stück Qualität“ soll der Mitte der City zurückgegeben werden, „nicht die Asche, besser das Feuer weitergeben“, sagt der Planer. Kurdirektor Holger Reuter erwartet eine „erhebliche Aufwertung des gesamten Areals“.

Das Frankfurter Büro Ferdinand Heide hatte, die Aufgabe, das neue Kurhaus mit altem Glanz auf der Außenhaut gut in Szene zu setzen. Ein extremer Kontrast in der ersten Filmsequenz, vom hellen Sonnenglanz, der riesige Glasflächen illuminiert, zum winterlichen Charme mit Pferden und Kutsche. Die historisierende Fassade dominiert von entsprechenden Säulen und Rundbogenfenstern, architektonische Zurückversetzung von der Moderne in die Urzeit des Bad Homburger Kurhauses. Aber auch Heide will viel Licht für die „emotionale Mitte“ der Stadt, eine „neue Identität mit neuem Charakter“. Das Kurhaus als „Gelenk zwischen Kurpark und Louisenstraße, im Mittelpunkt eine große Öffnung vom tiefergelegten Vorplatz bis zum Garten und Kurpark. Eine „breite hohe Mitte, 365 Tage offen für alle“. Dazu eine „Wandelhalle“ als Querverbindung zwischen Ludwigstraße und Schwedenpfad zu neuen Bushaltestellen. Die Parkseite auch in der Fassade modern gestaltet in zeitgemäßer Konstruktion soll für Offenheit und Transparenz stehen.

Der dritte Entwurf, eine auf Sanierung basierende Variante mit neuen Teilelementen des Kronberger Architekturbüros LMG GmbH, will in der Fassade „Historie neu interpretieren“ und auch ein „neues Wahrzeichen der Stadt“ schaffen. Bei den ersten Kostenschätzungen dürfte die Realisierung etwas teurer werden als die kompletten Neubau-Varianten. Im Prozess wurde außerdem die +1-Idee ins Rennen gebracht, dabei geht es um ein reines „Revitalisierungskonzept“. Es blieb schnell der Eindruck von einer Alibi-Variante, die keiner der „Experten“ will. Projektleiter Guntersdorf hat das schön formuliert: „Wenn wir das anfassen, wissen wir eigentlich nichts und auch nicht, was uns erwartet.“ Man hat da mal blind geschätzte Kosten von 86 Millionen Euro aufgerufen. Nachfragen bitte im weiteren Verlauf des Prozesses.

Indiskrete Fragen, wie die Innenstadt, vor allem das direkte Umfeld der Großbaustelle über Jahre überleben soll, Fragen zu Zeiträumen und Kosten hier und da sind bei der Bürgerinformation dann doch nicht so unbedingt gewünscht. Auch Fragen aus dem Internet-Publikum sind in diesem frühen Stadium nicht vorgesehen. Bis Ende des Jahres haben die politischen Gremien nun Zeit, sich in die komplexe Materie einzuarbeiten, damit Anfang des Jahres 2024 eine Entscheidung getroffen werden kann. Sollte diese für eine Neubau-Variante fallen, ist eine Bürgerbefragung vorgesehen. Noch einmal: Baubeginn wird nicht vor 2026 sein, die glanzvolle Eröffnungsparty nicht vor 2030 stattfinden.

Der dritte Entwurf, ein Vorschlag des Kronberger Architekturbüros LMG GmbH, basiert auf der Sanierung des Kurhauses mit neuen Teilelementen. Visualisierung: HHVISION

Eine historisierende Fassade dominiert den Kurhausentwurf des Frankfurter Büros Ferdinand Heide. Visualisierung: HHVISION

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