Mit alten Fotos und Karten auf Zeitreise

Besucher Dr. Klaus Jürgen Best lässt sich von Stadtarchivmitarbeiter Andreas Mengel (r.) historische Ansichtspostkarten zeigen. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Zahlreiche Schatzsucher, Hobbyhistoriker und Fotografie-Liebhaber gaben sich am Sonntag in der Villa Wertheimber beim „Stöbertag im Stadtarchiv“ ein Stelldichein. Dieser widmete sich dieses Mal dem Thema „(Bad) Homburg vor der Höhe im Spiegel früher Fotografien und Ansichtspostkarten“.

Die mehr als 13 000 Exemplare große Post- und Bildpostkarten-Sammlung im „Gedächtnis der Stadt“ wächst permanent an, wie Stadtarchivmitarbeiter Andreas Mengel informierte. Zu den seltenen Stücken gehören heute Postkarten von Gasthäusern, Privatpensionen oder Kurkliniken, die meist nur in kleinen Auflagen gedruckt wurden. Die Ansichtspostkarten sind beliebte Sammelobjekte und bilden im Stadtarchiv eine eigenständige Bildgattung. Sie beinhaltet Exemplare aus Bad Homburg und seinen heutigen Stadtteilen, dem Gebiet der ehemaligen Landgrafschaft Hessen-Homburg mit seinen damaligen Amtsdörfern Dornholzhausen, Gonzenheim, Kirdorf, Ober-Eschbach und Ober-Erlenbach, aber auch den Orten Köppern, Friedrichsdorf, Seulberg, Dillingen und Oberstedten. Hinzu kommen Ausflugsziele wie die Saalburg, der Herzberg und der große Feldberg.

Die Bandbreite der Motive reicht von Gesamtansichten und Abbildungen sakraler und profaner Bauwerke über Straßen und Marktplätze, Wohn- und Geschäftshäuser sowie Denkmäler und Parks bis hin zu Produktionsstätten. Teils plakativ, teils grafisch anspruchsvoll gestaltet bilden die Karten das reiche kulturelle Leben in der Kurstadt und ihrer Umgebung ab. Die jüngste Postkarte ohne Bild, die gezeigt wurde, datiert aus dem Jahr 1874, mit Bild aus dem Jahr 1869. Zum Schmunzeln brachte die Besucher das Adressfeld einer Karte vom 26. Februar 1906, die die Hofbuchdruckerei C. J. Schick an ihren Kunden, den Bildhauer Jacob May in der Neuen Mauergasse, sandte. Anstelle der Ortsangabe ist schlicht und einfach „Hier“ eingetragen.

Wie die Archivare recherchiert haben, entwickelten sich die zwischen 1865 und 1870 in Deutschland und Österreich zeitgleich eingeführten Postkarten zu den Kurznachrichten des späten 19. Jahrhunderts. Außer den Bildmotiven war auf der Vorderseite nur wenig Platz für kurze Textnachrichten. Diese erreichten den Adressaten dank mehrmals am Tag zugestellter Post schnell.

Experten geben Auskunft

Für die bessere Orientierung und Einordnung der Ansichtspostkarten hatten die Organisatoren der Ausstellung zudem eine „Chronologie der Postkarte“ verfasst. Für weitergehende Fragen standen den Besuchern außer den acht Archivmitarbeitern auch zwei Experten zur Verfügung. Bei den Postkarten war dies der Sammler und Heimatforscher Bernd Ochs. „Er bringt die Karten zum Sprechen“, schwärmte Besucher Dr. Klaus Jürgen Best aus Bad Homburg. Bei den frühen Fotografien war als Experte der Jurist, Fotografie-Geschichte-Spezialist und Autor Dr. Eberhard Mayer-Wegelin als Ansprechpartner im Lesesaal dabei.

Auch bei den Fotografien können die Archivare aus dem Vollen schöpfen. In ihrem Archiv befinden sich 30 000 Fotografien von 1850 bis heute. Das älteste Foto ist ein unbekanntes Herrenporträt (Ambrotypie) von 1852 von Wilhelm Hilliger. Ein anderes zeigt Landgraf Ferdinand von Hessen-Homburg im Jahr 1857. Der Fotograf war der gerade einmal 16-jährige Friedrich „Fritz“ Jacobi. Die Fotomotive variieren von Porträts über künstlerische, technische, kulturelle und wirtschaftliche Sujets bis hin zu Darstellungen des Alltagslebens.

Die technische Entwicklung der Fotografie machte bereits in den ersten Jahrzehnten ihrer Erfindung 1839 in Paris große Fortschritte. Wie diese verliefen, ließ sich beim Stöbertag anhand der ausgestellten Fotos genau verfolgen. Zu den Fotografen gehörten ortsansässige wie Jacobi, international bekannte wie Francis Frith (1822-1898) und ab 1840 zahlreiche Wanderfotografen. Stöbern konnten die Besucher nicht nur in der Fotosammlung, sondern auch in den mehr als 100 teils recht wertvollen Foto- und Reisealben. Steckalben kamen ab 1860 in Mode als acht Aufnahmen auf einer Glasplatte, sogenannte Carté de Visite“ (CDV), möglich wurden.

Frühe Schwarz-Weiß-Fotos wurden mit Ölfarben koloriert etwa von Philipp Müller. Und wer wie Archivmitarbeiterin Beate Datzkow Fotos durch ein Stereoskop betrachtete, sah mittels einer optischen Täuschung erste 3D-Fotos. Besucher Thomas Winternheimer aus Bad Homburg schwärmte: Schwarz-Weiß-Fotos spiegeln eine andere Welt. Jedes Bild erzählt mehr als 100 Worte. Mit den alten Fotos kann man wunderbare Zeitreisen machen.“ Der Oberurseler Holger Zimmermann ging mit Hilfe der Schwarz-Weiß-Fotos auf eine spannende Pirsch durch die Kurstadt. Von den Fotos befinden sich 34 304 Datensätze im digitalen Katalog des Archivs, online sind 5452 gestellt. „Die Auflösung ist reduziert. Wer Fotos und Postkarten in einer höheren Auflösung benötigt, kann diese im Stadtarchiv bestellen“, informierte Beate Datzkow.

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