Bad Homburg (js). Götterfunken purzeln in der Frühabendsonne vom Weißen Turm. Aus luftiger Höhe klingt die „Ode an die Freude“ über den Schlosshof und darüber hinaus bis zum kleinen See tief unten im Park. Im Turmstübchen oben spielt Schlossgärtner Peter Vornholt auf seinem Saxofon, die vier Fenster in alle vier Himmelsrichtungen sind geöffnet, um die Klänge in der warmen Abendluft dieser Tage zu verbreiten. „Freude schöner Götterfunken ….“, der vierte Satz aus der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven, steht am Anfang und am Ende des nun täglichen Turmblasens. Musikkultur am gefühlt höchsten Punkt der Kurstadt, ein Zeichen der Solidarität mit den Mitmenschen in schwierigen Corona-Zeiten.
Die schöne Idee des Gartenmeisters hat sich schnell herumgesprochen im Ort, das Publikum wächst, einige sind nach eigenem Bekunden schon zum wiederholten Mal da. Zum Frühlingsanfang war der Mann mit dem Saxofon erstmals auf dem Turm. Verteilt und mit ordentlichem Abstand sitzen stille Zuhörer auf der Mauer oder lehnen zwischen Säulen am Schlossgemäuer, rund um das Wahrzeichen der Stadt sammeln sie sich abends gegen 17.30 Uhr, eine Viertelstunde später etwa beginnt das tägliche Konzert. Peter Vornholt, der Hobby-Musiker, der auch in einer Band spielt und vielleicht mal beim Laternenfest öffentlich auftritt, ist der Frontmann der „Turmspiele“, der Initiator, der sich über gleichgesinnte Mitstreiter freut. Und auch schon gefunden hat. Junge Trompeter der Humboldtschule etwa, 17-Jährige, die Beethovens „Ode an die Freude“ im Duett in die Homburger Luft bliesen. Inzwischen führt er eine Liste, damit er planen kann, denn mehr als zwei Musiker dürfen nicht gleichzeitig im Turmstübchen sein.
Am Samstag hat’s mal nicht geklappt mit den angesagten Humboldt-Schülern, da ist Peter Vornholt dann selbst schnell die Stufen hinauf gestapft. Solidarität im doppelten Sinne, auch mit den Musikfreunden, die extra für das Abendkonzert gekommen sind. Beethoven als Erkennungsmelodie ist stets als Ouvertüre und Finale vorgesehen, dazwischen haben die Musiker Freispiel. Können nach Lust und Laune aufspielen, das darf auch mal wie bei Saxofonist Vornholt ein Lied italienischer Partisanen aus dem Zweiten Weltkrieg sein, die Urfassung des bekannten „Bella Ciao“, ein bisschen Sting, ein wenig Louis Armstrong … Um Gongschlag 18 Uhr ist kurze Pause im Turmzimmer, denn dann gehört die Aufmerksamkeit dem Glockengeläut der benachbarten Erlöserkirche. Ist der letzte Glockenschlag verklungen, können wieder Götterfunken purzeln.
!Wer selbst aufspielen will, kann sich bei Peter Vornholt melden, kurze Anmeldung unter Telefon 0173-3945438 reicht.