Bad Homburg (fch). Trifft ein bekannter Schriftsteller auf Jugendliche, dann sind die Erwartungen auf beiden Seiten hoch. So geschehen beim Workshop für die Deutschklassen am Kaiserin-Friedrich-Gymnasium (KFG). Da traf Hölderlin-Förderpreisträger Joshua Groß im Hofcafé des KFG auf Oberstufen-Schüler des Deutsch-Leistungs-(LK) und -Grundkurses (GK) der Qualifizierungsphase Q2. Lehrerin Nina Salus-Flohr und Schulleiter Jochen Henkel freuten sich, dass der 33-Jährige den Schreibworkshop an der KFG anbot.
Damit erfüllte der Autor das von Kulturamtsleiterin Dr. Bettina Gentzcke geäußerte Anliegen der Stadt, junge Menschen mit zeitgenössischen Schriftstellern in Verbindung zu bringen. Der Autor stellte den Schülern zwei Literaturwettbewerbe vor, für die sie Texte verfassen sollten, für die er ihnen Strukturen gab. Ihre Texte stellten die Schüler dann dem Autor im zweiten Workshopteil vor. Beim ersten Zusammentreffen berichtete der Autor den Teilnehmern, wie er selbst zum Schreiben gekommen war: über Rap-Musik und seinen Englischunterricht. Lange habe er sich nicht vorstellen können, was es heißt, ein Autor zu sein, Literatur als Beruf und wenig Geld zu haben. Studiert hat der aus Grünsberg im Nürnberger Land kommende Franke Politikwissenschaft, Ökonomie und Ethik der Textkulturen.
Die Schüler wollten von ihm wissen, wie sein Alltag als Schriftsteller aussieht. Hat er feste Zeiten, zu denen er schreibt? Oder ein festes Pensum wie 1000 Worte am Tag zu schreiben? Joshua Groß räumte mit dem Klischee auf, dass ein Schriftsteller zu Hause sitze und schreibe und dann das Geld fließe. Vor dem Schreiben stehe die Recherche. Dazu gehöre es beispielsweise auch, Reisejournale zu lesen oder Youtube-Videos von Ländern anzusehen, die er selbst bereisen und über die er schreiben möchte. Der Schreibprozess bestehe aus einem Wechselspiel zwischen Planung und spontanem Schreiben. Als Autor tauche man in unterschiedliche Lebenswelten ein, sollte alle Ebenen eines Lebens in eine Geschichte, egal ob diese in der realen oder einer virtuellen Welt spiele, einbringen. Alle Menschen teilten existenzielle Empfindungen wie Liebe, Einsamkeit und Verzweiflung. Glück und menschliche Abgründe finden sich in allen gesellschaftlichen Schichten. Wichtig sei es, Bilder und eine Atmosphäre entstehen zu lassen. Hilfreich sei beim Schreiben die Neugier auf Neues in unbekannten Kontexten, gedankliche Science-Fiction-Ausflüge, Kontraste von Existenzen wie das Finden von erzählerischen Formen, in denen man den Themen weiter nachgehen und diese weiter entwickeln könne. Geld verdiene er unter anderem als Autor einer Literaturzeitschrift, mit Lesungen und als Lehrbeauftragter für kreatives Schreiben an der Universität Augsburg.
Erstaunt war Joshua Groß darüber, dass viele Schüler aus seinem Auditorium viel lesen und schreiben. In seiner Altersklasse hätten viele Jugendliche nicht gelesen. Der mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnete Autor stellte den Schülern einzelne seiner Werke wie seinen Roman „Flexen in Miami“ (2020) vor. Für die Liebesgeschichte, die auf vielen Ebenen danach fragt, woher wir wissen können, dass wir da sind, und wie wir einander begegnen können, erhielt er 2021 den Förderpreis zum Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg.
Die Schülerinnen Anna Sophia (17), Katharina (16) und Taisia (17) sagten, dass es sie erstaunt habe, wie wenig ein Autor für sein Buch bekomme. „Der Verlag kassiert 90 Prozent der Einnahmen.“ Vanessa (17) fügte hinzu: „Hauptberufliche Autoren stehen unter einem großen Druck, etwas schreiben und veröffentlichen zu müssen.“ Taisia hatte bereits eine Idee für einen eigenen Text. Vor einem Jahr hatte sie einen Prolog für eine Geschichte über Leute verfasst, „die in eine Handlung reinkommen wie ein Erzähler, der in Figuren hineinspringt“. Vanessa berichtete, dass sie „eine Kiste voller Papierschnipsel mit Ideen“ habe. Ihr schwebe eine Geschichte vor, die von einem Paar erzählt, das auf der Titanic war und das aus seiner Sicht den Untergang beschreibt. Die Tipps zum Schreiben von Joshua Groß fanden alle gut, seinen Weg Schriftsteller zu werden, ungewöhnlich.