Bad Homburg (fch). Mit der posthumen Werkschau des Frankfurter Malers Harald de Bary (1935-2019) startete das Kulturzentrum Englische Kirche in die Herbst-/Winter-Saison. Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor begrüßte Witwe Erika de Bary, Familie und zahlreiche Kunstfreunde zur Ausstellung „Der Charme der Eigenständigkeit“. Zu sehen sind 52 Werke von Gemälden und Aquarellen über Zeichnungen und Lithografien bis hin zu Collagen und Schieferdrucke aus dem Spätwerk des Künstlers aus seinem 3000 Werke umfassenden Depot. Die in Bad Homburg gezeigten Arbeiten sind vorrangig in Irland entstanden. Dort hatte de Bary ab 1974 in Nord-West Irland im County Leitrim ein Atelier in einem alten, umgebauten Schulhaus bezogen. „Natur und Landschaft dienten ihm als Inspirationsquelle für seine Kunst“, sagte die Stadträtin.
Die Wurzeln für seine Kunst liegen in der abstrakten Malerei der 1950er-Jahre, der Kunstströmung Informel. Die Informelle Malerei zeichnet sich durch eine radikale Abkehr von der traditionellen Bildkomposition aus. Die Künstler des Informel stellten den gesamten, seit Jahrhunderten etablierten Malprozess von den Bildinhalten bis hin zu den Materialien infrage. Der Malakt sollte unmittelbar und authentisch die Eingebung und Emotionen des Künstlers zum Ausdruck bringen, bei dem der Zufall immer eine große Rolle spielte, Raum für freie Assoziationen und Interpretationen bot. Harald de Bary war mit Malern der Quadriga befreundet, der unter anderen Karl Otto Götz, Heinz Kreutz und Otto Greis angehörten. „Der Impuls dieser Kunst, in abstrakten Bildwelten einen inneren Zusammenhang offenzulegen, sollte prägend für das Werk Harald de Barys werden“, sagte Lewalter-Schoor.
Kunsthistorikerin Dr. Claudia Caesar aus Bad Vilbel führte in das Leben und Werk des aus einer alten Frankfurter Hugenottenfamilie kommenden Malers ein. Eine seiner Vorfahrinnen war Susette Gontard. In ihrem Haus hatte Friedrich Hölderlin als Hauslehrer gearbeitet bis ihn der eifersüchtige Ehemann hinauswarf und Hölderlin zu seinem Freund Isaac von Sinclair nah Bad Homburg flüchtete. Nach dem Abitur studierte Harald de Bary von 1956 bis 1960 Kunst in Freiburg/Breisgau und an der Stuttgarter Akademie bei Heinrich Wildemann. „In Stuttgart fand der junge Künstler in seinen Spachtelbildern zu einer ersten eigenwilligen Position: Er setzte die Farbe pastos in vielen kleinen Feldern nebeneinander auf den Bildgrund und nahm damit Impulse seriellen Arbeitens auf. Gleichzeitig sprengte er mit dieser Werkgruppe bereits den Rahmen des zweidimensionalen Bilds, denn der Auftrag unterschiedlicher Farbmassen führte zu einem unregelmäßigen Bildprofil, das wie ein Relief in den Raum ausgreift“, informierte die Kunsthistorikerin.
Nach seinem Kunststudium lebte der junge Künstler mehrere Monate in Paris, wo er das Atelier 17 des englischen Malers und Grafikers Stanley William Hayter besuchte und in Kontakt mit Surrealisten kam. In Paris entstanden Arbeiten einer neuen grafischen Werkgruppe, die Strichzeichnungen. Reisen führten den Künstler immer wieder von Frankfurt hinaus in die Welt, allein fünf Mal nach Afrika. „Seine Arbeiten aus dieser Phase kennzeichnet ein intensives Erleben der Natur, die reflexhaft immer wieder in seiner originär abstrakten Bildwelt aufschimmert.“ Mit der Religion setzte sich Harald de Bary intensiv in seinen Kopf- und Kreuzstudien auseinander. „Charakteristisch für de Bary – wie für viele Künstler des Informel – ist, dass stets der Herstellungsprozess in seinen Werken ablesbar bleibt. Der Künstler gibt uns in seinen Gemälden und Zeichnungen seinen sehr persönlichen, emotionalen Zugriff auf die Welt, von hoher Sensibilität und Spontaneität geprägt, aber doch nicht zufällig, sondern Produkt eines häufig langen und nicht selten mühsamen Arbeitsprozesses“, informierte Dr. Claudia Caesar. Musikalisch mit alten irischen Liedern umrahmt wurde die Vernissage abwechselnd von Harfenistin Esther Groß und Nail Delaney auf der Tin Whistle.
!Die Ausstellung „Der Charme der Eigenständigkeit“ mit Werken von Harald de Bary ist bis 12. November im Kulturzentrum Englische Kirche, Ferdinandsplatz, zu sehen.