Eine Bronzetafel erinnert an das ehemalige Waisenhaus

300 Jahre Landgräfliche Stiftung von 1721 in Bad Homburg: Eine neue Bronzetafel am ehemaligen Waisenhaus der Stiftung am Waisenhausplatz, die Historikerin Barbara Dölemeyer (r.) und Oberbürgermeister Hetjes vorstellen, informiert über Eckdaten zur Geschichte einer der ältesten Stiftungen Deutschlands für Kinder- und Jugendpflege. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Drei Vollwaisen, ein Halbwaise und ein uneheliches Kind: Das waren die ersten Kinder, die in das 1721 errichtete „Armen-, Arbeits- und Waisenhaus“ am heutigen Waisenhausplatz in der Bad Homburger Innenstadt einzogen. Landgraf Friedrich III. Jacob von Hessen-Homburg hatte sechs Jahre zuvor ein Grundstück nahe des landgräflichen Regierungssitzes Homburg erworben, um in Fürsorge und christlicher Nächstenliebe Waisenkindern ein Zuhause zu bieten.

Die Landgräfliche Stiftung von 1721 besteht heute noch. Seit 1968 an den Stadtrand in den Bommersheimer Weg gezogen, kümmert sich die Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung heute noch in ihrem Wohnheim nach christlichen Grundsätzen und Werten moderner Pädagogik um junge hilfsbedürftige Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Aus Anlass ihres 300-jährigen Jubiläums ließ die Stadt Bad Homburg jetzt eine neue Bronzetafel an der Ecke des ehemaligen Waisenhauses anbringen. Stadthistorikerin Professorin Barbara Dölemeyer erinnerte am Ort an die Anfänge der ältesten heute noch bestehenden Bad Homburger Stiftung.

1721 war der mehrgeschossige Bau an der Waisenhausstraße fertiggestellt worden – aber, so Barbara Dölemeyer, die notwendigen Spenden für den Betrieb aus der Bürgerschaft seien nur zögerlich geflossen. Johann, Johannes, Maria, Christina und Anna waren dann die ersten Kinder, die schließlich aufgenommen werden konnten. „Und Landgraf Friedrich III. nutzte das Haus auch, um Bettlertum und Müßiggang in der Bevölkerung einzudämmen.“ Wenig später war die Landgräfliche Stiftung außer Heimat für Waisenkinder auch Arbeits- und Zuchthaus für kleinere Verbrecher und Arbeitsscheue – „was immer wieder für Ärger sorgte“, so Dölemeyer. So hätte der Betsaal im Haus manchmal als Gefängnis gedient, was für die Waisen eher belastend war. Doch besonders die Ehefrau des Landgrafen, Christiane Charlotte, setzte nach 1746 durch die Gründung der „Christianen-Stiftung“ die sozialen Bestrebungen ihres verstorbenen Mannes fort und sorgte so für die Finanzierung des Waisenhauses. Hatte der Landgraf noch per Statut bestimmt, dass nur protestantische Kinder aufgenommen werden sollten, so kamen bald auch katholische Waisenkinder in die Landgräfliche Stiftung, „wurden aber dann protestantisch konfirmiert: So weit ging die Toleranz dann doch nicht“, erzählte Barbara Dölemeyer. Erst Landgraf Ludwig sorgte für die räumliche Trennung von Kindern und anderen „Delinquenten“. In preußischen Zeiten wurde das Haus dann auch Heimat für Sozialwaisen, also uneheliche Kinder, sowie für „arme Personen beiderlei Geschlechts“. 1853 kehrte man zum ursprünglichen Statut der Stiftung zurück, seither ist die Landgräfliche Stiftung ausschließlich für Kinder und Jugendliche da.

Barbara Dölemeyer erinnerte auch an kuriose Begebenheiten aus der Geschichte der Stiftung, wie die Anschaffung eines Leichenwagens ab 1842, mit der das Waisenhaus Leichen vom Beerdigungsinstitut zum Friedhof fuhr, um sich zu finanzieren. Auch in der Kaiserzeit ab 1866 blieb die Landgräfliche Stiftung bestehen. So mancher Bad Homburger Bürger erinnert sich noch an den Waisenhausvater Reinhold Schulz, „Vater Schulz“, der die Landgräfliche Stiftung von 1946 bis 1973 leitete.

Mit der Installation der neuen Bronzetafel am ehemaligen Waisenhaus wurde auch ein Fehler der alten Tafel historisch korrigiert: Die Landgräfliche Stiftung von 1721 ist zwar nicht das zweitälteste Waisenhaus in Deutschland gewesen, gehört aber dennoch zu den ältesten Stiftungen dieser Art. Eine steinerne Tafel hoch oben am Haus in der Waisenhausstraße bezeugt authentisch das Jahr 1721 als Gründungsjahr.

Das Bad Homburger Stadtarchiv hat die Bestände und das gesamte Altarchiv der Landgräflichen Stiftung vom Kinderheim erworben. Unter www.bad-homburg.de/stadtarchiv können Interessierte unter dem Link zum Findbuch online spannende Einzelgeschichten über die Waisen und das Leben im Waisenhaus seit Anfangszeiten recherchieren.



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