Geschichten von Emotionen, Erfolg, Scheitern und Achtung

Don Johnson, der Revolverheld: Ihr Liebling unter den 15 Pferdecharakteren, über die die Bad Homburger Autorin Evi Simeoni gemeinsam mit Dressurreiterin Isabell Werth ein Buch geschrieben hat – wer es liest, dem gehen die Augen auf nicht nur über Pferde und Reitsport, sondern auch über uns Menschen und unsere Beziehungen. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Wenn die weltberühmte deutsche Reiterin Isabell Werth am 30. Juli mit ihrer Rappstute Wendy de Fontaine ins Viereck vor dem Versailler Schloss in Paris einreiten wird, um für eine olympische Medaille 2024 zu kämpfen, dann wird eine Bad Homburgerin besonders mitfiebern: Evi Simeoni. Kurz bevor die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt Anfang Juli für die deutsche Dressur-Equipe nominiert worden war, hatte die Autorin Evi Simeoni, die Jahrzehnte als Sportreporterin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung tätig war und deren Herz immer besonders für den Reitsport schlug, gemeinsam mit Isabell Werth ein Buch veröffentlicht: „Was für ein Mensch ist mein Pferd?“ Ein Buch, das mehr ist als eine Erfolgsgeschichte im Sport zwischen zwei Buchdeckeln. Geschichten von Hochachtung, Emotionen, Erfolg und Scheitern, von Einfühlungsvermögen und authentischem Sein und Werden – sie kommen mit einer Wärme und Leichtigkeit daher und zeugen von einer Dialogfähigkeit zwischen Mensch und Tier, die einem die Augen aufgehen lassen über das, was in Beziehungen möglich ist.

„Es hat mich schon immer fasziniert, wie einfühlsam Isabell über ihre Tiere reden kann“, sagt Evi Simeoni im Gespräch auf ihrer Terrasse in Gonzenheim, das druckfrische Buch in der Hand. 1989 hatten sich die Sportreporterin und die damals 20 Jahre junge Dressurreiterin aus Rheinberg bei einem Reitturnier kennengelernt, 1991 führten sie ihr erstes Interview miteinander. Es folgten viele Gespräche am Rande von Wettbewerben. Im Jahr 2018 erschien – damals noch in Dialogform „in journalistischer Distanz“, so Simeoni – der gemeinsame Bestseller „Vier Beine tragen meine Seele“. Die Idee, wo sie selbst nun beruflich kürzer trete und langsam aus dem Journalismus aussteige, ein weiteres Buch mit Isabell Werth zu schreiben, sei ihr vor zwei Jahren gekommen: „Wir haben gedacht: Schön, wenn wir damit die reine Fachwelt verlassen könnten und für alle schreiben, die Pferde mögen“, erzählt die 1958 geborene Schriftstellerin. Diesmal ließ sie sich auf die Rolle der „Ghostwriterin“ ein und lieh der erfahrenen Dressurreiterin ihre Stimme. „Das hat etwas mit Vertrauen zwischen uns zu tun“, sagt Simeoni. Heraus kam, nach unzähligen gemeinsamen Telefonaten und Gesprächen „irgendwo zwischen Ställen und Zäunen am Rande von Turnieren“ ein charaktervolles Buch im wahren Sinne des Wortes. „Diva, Macho, Teufelsbraten: 15 starke Charaktere – und was sie uns lehren“, heißt der Untertitel des im Piper-Verlag erschienenen Werks.

Pferde erleben, erziehen und über sie nachdenken: In dem Buch „Was für ein Mensch ist mein Pferd?“ begegnen dem Leser 15 der mehr als 30 Pferde, die Isabell Werth in ihrer langen Karriere in den Sport brachte. Dass Evi Simeoni die Tiere auch alle kannte und kennt, ihre Charaktere, Schwächen und Stärken, und ihre Entwicklung bis zum „Pferde-Rentenalter“, dass sie so manchen endgültigen Abschied zwischen der passionierten Ausbilderin und Dressurreiterin und ihren Pferden miterlebte, macht es ihr möglich, höchst lebendig zur Sprache zu bringen, was ihr geschildert wurde. Im Bild unter anderem zu sehen: Das „Herzenspferd“ Bella Rose – zum Star geboren; der Macho Quantaz; Gigolo, ein wahrer Athlet, mit dem Werth bei neun internationalen Wettbewerben zum Sieg ritt; Amaretto – der geduldige Patient, der der Reiterin immer „ein Stück Geheimnis“ blieb; der Hysteriker Warum nicht; Genie und Wahnsinn ihres Ausnahmepferdes Satchmo: Die Tiere, so schildert sie, sind unverfälscht und authentisch in ihren Äußerungen.

Und wie antwortet der Mensch darauf? Den Autorinnen ist es gelungen, die ganze Gefühlswelt, Beziehungsspannungen, -kämpfe und Hingabe zwischen Pferd und Mensch deutlich zu machen. Es ist nicht nur ein Begreifen des jeweiligen Charakters nach pädagogischen Maßstäben, es ist vielmehr ein ehrliches Entgegenkommen zwischen Mensch und Tier ohne dominierende Manipulation. „Nichts lässt sich erzwingen“, so das Fazit Isabell Werths. Wie hier der Dressur-Reitsport beschrieben wird, so würde man sich auch das Miteinander unter Menschen oft wünschen. Was Isabell Werth, die nun 55-jährig wieder bei Olympia antritt, an Lebenserfahrung weitergibt, ist die gemeinsame Entwicklung der besten Eigenschaften von Pferd und Mensch und so die Eroberung der Fülle des Lebens.

In den Charakter-Geschichten – aber auch im von Isabell Werth geschriebenen Vorwort und im Epilog von Evi Simeoni – liegt, außer zahlreichen Informationen und Reflexionen über den Reitsport, sehr viel Lebenserfahrung. Deshalb sei das Buch auch Pädagogen und Erzieherinnen allen Alters sowie Eltern empfohlen. Wie setzt man Grenzen? Wie fordert und fördert man Charakter und Selbstbewusstsein? Wo ist es gut, auch einmal Zugeständnisse zu machen anstatt den Machtkampf zu führen? „Weil ein Pferd wie ein Kind reagiert, so ursprünglich und unverdorben. Tiere sind nicht korrumpierbar, ihr Verhalten uns gegenüber ist immer ehrlich. Und ganz ehrlich: diese Verbindung zu spüren ist für mich nach wie vor das Wichtigste“, so Isabell Werth. Für Co-Autorin Evi Simeoni, die Idee und Konzept des Buches entwickelte, ist der Optimismus, der das Werk prägt, „so sehr wichtig“, wie sie im Gespräch sagt.

Wer den Buchdeckel am Ende zuklappt, wird feststellen, ein Stück mehr von seiner eigenen Welt zu verstehen. Und dass der wesentliche Teil des Lebens Beziehung ist, an der man in allen Lebenslagen, in Sieg und Niederlage, neugierig arbeiten muss, wenn es sein soll, auch in respektvollem und fairem Wettkampf. Olympia kann kommen.

!Evi Simeoni und Isabell Werth: „Was für ein Mensch ist mein Pferd? – Diva, Macho, Teufelsbraten: 15 starke Charaktere – und was sie uns lehren“. Piper Verlag, 205 Seiten, 20 Euro.

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