Geschwisterduo auf Zeitreise in Romantik und Biedermeier

Ein eingespieltes Duo am Klavier sind die Geschwister Sophie (23) und Vincent (25) Neeb aus München. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Ist bereits ein Solokonzert mit einem bekannten Pianisten reizvoll, so punktet ein Doppelkonzert mit zwei brillanten Solisten umso mehr. Zu sehen und hören war dieses Klavierkonzert für vier Hände am Freitagabend in der Schlosskirche. Da spielten sich die Geschwister Sophie und Vincent Neeb temperamentvoll die Bälle zu, wetteiferten sportlich miteinander, um dann voller Harmonie zum Pas de deux zusammenzufinden.

Das sympathische Duo aus Oberhaching bei München nahm sein hessisches Publikum mit auf eine musikalische Zeitreise in Romantik und Biedermeier. Mit ihrem Programm brachten sie die beiden verschiedenen Gesichter dieser Epoche eindrucksvoll zu Gehör. Die wichtigste musikalische Stilrichtung des 19. Jahrhunderts zeichnet sich durch politische Umwälzungen wie die Französische Revolution und das erstarkende Bürgertum aus. Dies und die Hinwendung zur Natur, die zu einem zentralen Element der romantischen Musik wird, fließen wie weitere Zeitströmungen in die Kompositionen ein. Das Modeinstrument der Zeit ist das Klavier.

Eröffnet hat das Duo sein „Meisterpianisten II“-Konzert mit „16 Walzer Opus 39“ von Johannes Brahms. In einem Brief hatte der große Schubert-Verehrer Brahms diese als „kleine unschuldige Walzer in Schubert’scher Form“ bezeichnet. Den Walzerklängen in freier Bearbeitung folgte ein Marsch. Und zwar die „Variationen über ein eigenes Thema As-Dur D813“ von Franz Schubert, die dem konzentriert lauschenden Publikum Hochspannung bis zum letzten Ton bescherten. Nach der Pause stand das „Klavierquartett E-Dur op. 47“ von Robert Schumann und dessen „Bearbeitung für Klavier zu vier Händen“ durch Johannes Brahms auf dem Programm. Nach der im privaten Rahmen stattgefundenen Premiere am 5. April 1843 des gerade einmal in fünf Wochen entworfenen und instrumentierten Klavierquartetts, notierte Schumann: „Wir haben gestern das Quartett zum ersten Mal gespielt, und es nimmt sich recht effektvoll aus.“ Die vier thematisch eng verbundenen Sätze lassen die für Schumann typische geheimnisvoll-träumerische Stimmung aufleben.

Der dritte Satz, das Andante, gilt als eines der schönsten Cellothemen der Romantik. Zehn Jahre später schrieb Johannes Brahms eine Bearbeitung für Klavier zu vier Händen. Sie erfordert aufgrund ihrer Schwierigkeit und ihres hohen satztechnischen Anspruchs ein professionelles, perfekt zusammenspielendes Duo wie Sophie und Vincent Neeb. Die 23-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Bruder spielen jeweils seit ihrem fünften Lebensjahr Klavier. Seither haben sie sich stetig künstlerisch weiterentwickelt, zahlreiche Wettbewerbe, Preise und Stipendien gewonnen.

Das Duo gestaltet regelmäßig Konzerte im In- und Ausland, spielt auf renommierten Festivals und erhält regelmäßig Impulse von weiteren führenden Duos. Mit ihrem Programm aus Werken voller Strahlkraft entfalteten sie den Facettenreichtum der vierhändigen Klavierliteratur in der Schlosskirche. Die beiden Pianisten mit eigener Handschrift musizierten mit bestechender Transparenz und mitreißendem Elan.

Das Publikum war begeistert und erklatschte sich zwei Zugaben. Die erste gaben die Geschwister mit dem ersten spätromantischen Stück aus Max Regers „Cinq Pièces pittoresques op. 34 für Klavier zu vier Händen“. Um dann für das restlos begeisterte Publikum passend zur Kirche als Konzertsaal von Johann Sebastian Bach „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit BMW 106“ in der Bearbeitung von Györgi Kurtág zu spielen.



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