Großer Eingriff am Herzen der Stadt

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Das Herzstück der Stadt steht auf dem Spiel. Sanierung und Umbau oder Abriss und Neubau? Es sind die Kernfragen des Verfahrens, das nun endlich in der Sache Zukunft des Kurhauses in Gang kommen soll. Die mehrschichtige Vorarbeit wird viel Zeit und Geld kosten und setzt viel Planungs- und Verhandlungsgeschick voraus. Und sie könnte Probleme aufwerfen, die bisher eher am Rande diskutiert werden, wenn es um das Kurhaus der neuen „Zwanziger Jahre“ und darüber hinaus geht.

Die Operation am offenen Herzen wird nicht nur ein „Mammutprojekt“, wie es Oberbürgermeister Alexander Hetjes nennt. Sie wird eine Herausforderung auf vielen Ebenen, der sich die Stadt zu stellen bereit ist. Jedenfalls der Magistrat, und wenn alles wie geplant läuft, ab morgen auch der Verwaltungsrat der Kur- und Kongress-GmbH. Er soll dem weiteren Vorgehen beim Erstellen einer Machbarkeitsstudie für die Zukunft des zentralen Hauses der Kurstadt zustimmen. Wenn es dann immer noch gut weiterläuft, könnte eine Entscheidung in Sachen „Kurhaus Neubau“ im April 2021 fallen. Kurz nach der Kommunalwahl der erste Härtetest für das dann neue Stadtparlament.

Das ist der Plan, doch vor der finalen Entscheidung werden noch reichlich andere Pläne gewälzt. Digitale und analoge, es gilt ein Programm abzuarbeiten, das allein in der Vorbereitung rund zwei Millionen Euro verschlingen wird. So hoch werden die „Kosten für die Durchführung des Vergabemanagements“ geschätzt. Später wird man voraussichtlich über mindestens die hundertfache Summe zu sprechen haben. Denn es geht nicht nur um Kurhaus und Kongress-Center, es geht auch um Hotel und Parkhaus. Und es geht darum, das unmittelbar angrenzende Umfeld in die Planung mit einzubeziehen. „Das Zusammenspiel des neuen Gebäudes mit dem umgebenden öffentlichen Raum soll in einem schlüssigen Gesamtkonzept dargestellt werden“, so hat es das Kommunikationsbüro des OB im Rathaus formuliert. Gemeint sind damit etwa der Verkehrsfluss rund um das neue oder sanierte Kurhaus, eventuell neue Zufahrten zu Tiefgaragen, der öffentliche Nahverkehr auf dem Kurhaus-Vorplatz und andere Parameter, die auf dem Prüfstein stehen. Ein Mammutprojekt eben, „das größte Projekt seit 50 Jahren“, so der Oberbürgermeister.

Historisierend oder modern

Am Ende des mehrschichtigen Verfahrens „Machbarkeitsstudie“, das jetzt nach zwei Jahren Streit inklusive Kurdirektor-Wechsel in die Gänge kommen soll, ist vorgesehen, dem Stadtparlament drei Varianten zur Entscheidung vorzulegen. Die nüchtern-trockene, voraussichtlich preisgünstigere Version lautet Sanierung, Umbau, Modernisierung vom Scheitel bis zur Sohle. Dafür ist eine „bauliche, technische und wirtschaftliche Begutachtung der Kurhaus-Sanierung“ zu beschließen. Innerhalb von sechs Monaten soll eingehend der Sanierungsbedarf des bestehenden Kurhauses ermittelt und dokumentiert werden. Ergebnisse werden im Herbst 2020 erwartet.

Zudem soll überprüft werden, wie eine „räumliche Modifizierung“ den Flächenbedarf und die Nutzungsanforderungen der Kur- und Kongress-GmbH einerseits und des Maritim-Hotels andererseits erfüllen kann. Die GmbH muss sich laut Kurdirektor Holger Reuter im Angebot neuen Anforderungen stellen, um am Markt konkurrenzfähig zu bleiben, das Hotel hat ebenfalls schon Interesse angemeldet zu wachsen, es würde sein aktuelles 145-Zimmer-Portfolio gerne vergrößern. Dritter im Bunde der Eigentümer des Geländes in zentraler Stadtmitte ist die Taunus Sparkasse. Auch der Kurhausvorplatz soll baulich und technisch begutachtet werden, Sanierungskosten sind zu ermitteln, ein möglicher Bauzeitenplan zu erstellen.

Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wird die Kur und Kongress-GmbH unter dem Punkt Neubau einen „Realisierungswettbewerb“ durchführen, der sich an Architekten, Stadt- und Landschaftsplaner richtet. Erwartet werden „umfassende Konzeptlösungen“ für die umfangreichen Nutzungsansprüche. Eine entscheidende Rolle soll laut OB Hetjes die Fassadengestaltung des neuen Gebäudes spielen. Das Kurhaus der Moderne könnte demnach durchaus eine historisierende Fassade bekommen. Die am Wettbewerb teilnehmenden Büros, der im Sommer 2020 starten wird, sollen daher zwei unterschiedliche Fassadenvarianten entwickeln. Als Variante A wird eine Fassadengestaltung in Anlehnung an das zweite Kurhaus nach den Entwürfen des Belgiers Jean-Pierre Cluysenaar erwartet. Es geht um die Ansicht, wie sie den Bürgern der Stadt zwischen 1863 und 1945 an der Stelle des heutigen Kurhauses geboten wurde. Mindestens zur Louisenstraße hin muss das neue Kurhaus in dieser Variante eine historisierende Fassade aufweisen. Variante B kann mit einer modernen Fassade für den gesamten Neubau aufwarten.

Apropos Bürger: Laut Hetjes ist eine Bürgerversammlung im Sommer vorgesehen, bevor der Wettbewerb ausgelobt wird, an dem elf Büros teilnehmen sollen. Bei den späteren Preisgerichtssitzungen sollen jeweils vier bis fünf per Losverfahren ausgewählte Bürger als „nicht stimmberechtige Sachverständige“ beteiligt werden.

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