Bad Homburg (aks). Der große Komponist Ludwig van Beethoven wollte 1817 weg vom Italienischen, den typischen Sonaten für Pianoforte, hin zu einer deutschen „Großen Sonate für das Hammerklavier“, die mit 45 Minuten und drei sehr komplexen Sätzen eine Herausforderung für jeden Pianisten darstellt. Sie galt in der Musikwelt lange als „unspielbar“. Die 23-jährige Hanna Schwalbe aus Hannover, unter anderem Schülerin von Igor Levit, und auf Europas großen Bühnen gefragt, meistert dieses Stück im Rahmen des „Forum für junge Künstler“ im Kurhaus ohne Noten, anfangs mit viel Temperament, ist sie dann im Adagio ganz bei sich, findet eine sanftere und ruhigere Ausdrucksweise, die ganz ihrem Auftreten entspricht – souverän und engelsgleich, eine zarte Erscheinung, die am Klavier energische Virtuosität versprüht. Die Kunst bei der sogenannten „Hammerklaviersonate“, die nicht als „Hammer“ gemeint war und nicht zum Hämmern einladen sollte, ist es beim majestätischen Allegro und später beim Prestissimo nicht aufzutrumpfen und die Klaviertasten intensiv zu bearbeiten, sondern feinsinnig und transparent Beethovens Melodie leise durchschimmern zu lassen.
Im zweiten Teil hat sie Maurice Ravels „Gaspard de la nuit“ (Schatzmeister der Nacht) gewählt, düster und verklärt, das ebenfalls als schwer spielbar gilt. Mit „Ondine“ lockt sie die aufmerksamen Zuhörer zu einem mysteriösen Ausflug in das Reich der Märchen und der Fantasie. Da perlen und fließen die Klänge wie von einer Harfe, lyrisch wellenartig. Im Teil „Le Gibet“, der Galgen, ermahnt uns ein beständiges Ticken der (Pendel-)Uhr, auch unser Ende zu bedenken. Mit „Scarbo“ (Gnom), „dem schwersten Stück der Musikgeschichte“, so Kohlrausch vom Kulturkreis Taunus-Rhein-Main, Conférencier an diesem Abend und selbst Pianist, gelingt es Hanna Schwalbe den hüpfenden und feixenden Gnom musikalisch einzufangen. Ravel ist ein teuflisch schweres Musikstück gelungen, mit dem Ziel die Komposition „Islamey“ von Balakierew, die bis dahin als herausfordernd galt, noch zu übertrumpfen. Auch dieser Schwierigkeitsgrad bringt die junge Pianistin, die auch im zweiten Teil auf Noten verzichtet, nicht aus der Fassung. Mit vollem Körpereinsatz springen und gleiten ihre Finger über die gesamte Klaviatur. Hochspannung, die der Steinway aushält: Leise und drohend, donnernd und dissonant schlagend, und am Ende scheint der ungehorsam herumspringende Gnom gezähmt. Traumwandlerisch schön sprudelt ihr Spiel auf dem Steinway dahin. Verzückt lässt man als Zuhörer gern los und gibt sich der Musik hin.
Spieltechnisch eine Herausforderung – für die Ohren – und die Augen – ein Genuss, der begeisterte Applaus bringt die blutjunge Künstlerin zum Strahlen. Ihr Dankeschön: Eine Zugabe, die „Bagatelle opus 125“ von Beethoven, die so leicht und fröhlich klingt und so ganz anders als die eindrucksvolle Hammerklavier-Sonate.
Das Forum für junge Künstler, das der Kulturkreis Taunus-Rhein-Main seit 50 Jahren veranstaltet, unterstützt junge Ausnahmekünstler und bietet ihnen eine Bühne. Nächster Termin ist am 4. November, um 19.30 Uhr im Theater-Foyer des Kurhaus. Mi-Helen Horn an der Violine und Yuanzhen Sun am Klavier spielen Werke von Mozart, Mendelssohn und Ysaÿe.
Die Pianistin, Hanna Schwalbe, passionierte Kammermusikerin, entführte das Kurhaus-Publikum in die Welt der Märchen und präsentierte Beethovens „Hammerklavier-Sonate“.Foto: aks