Bad Homburg. Seit einigen Jahren organisiert Sven Rühl mit dem von ihm gegründeten Verein „Colorful“ den Christopher Street Day (CSD) im Main-Taunus-Kreis. Nachdem er immer wieder den Wunsch von Teilnehmern gehört hatte, auch im Hochtaunuskreis einen CSD auf die Beine zu stellen, startete er im vergangenen Jahr einen Aufruf, um Mitstreiter zu finden. Mit Erfolg: Am Samstag zog der CSD-Zug zum ersten Mal durch die Kurstadt.
Auf den Aufruf hin war das Team aus Tina, Tanja, Marius, Jill und Caro entstanden, das zusammen mit Sven und seinen Vorstandskollegen Renate Baganz und Heiko Reichert in den vergangenen sechs Monaten alles für den großen Tag in Bad Homburg vorbereitet hatte. Los ging es am Bad Homburger Bahnhof mit einer Demonstration.
Etwa 500 Personen folgten Heiko in seinem weißen Auto mit LGBTQIA2+-Flagge, und viele trugen selbst eine bunte Mischung von Flaggen und Plakaten. „Was stört es dich, wen ich liebe?“ war auf einem Plakat zu lesen, „Es ist OK verschieden zu sein“ auf einem anderen. Das Plakat „Loud and queer“ fasste das Motto der Demo gut zusammen, denn die Teilnehmer waren laut, bunt und gut gelaunt. Auch das Motto des Tages „Love is Love“ war zu lesen.
Über die Basler Straße ging es zum Europa-Kreisel und von dort die Louisenstraße hoch, allerdings nicht durch die Fußgängerzone. Die Demo nahm den Weg über die Ferdinandstraße zum Kurpark und ging dort entlang der Promenade zum Kurhaus. Dabei wurde nicht nur von den Teilnehmern zur Musik aus Heikos Auto kräftig mitgesungen.
Am Kurhausvorplatz warteten die Moderatoren Oli Becker und Travestie-Star Tante Gladice an der Bühne mit etwa 100 weiteren Personen. Obwohl eigentlich nur eine Demo geplant war, so Rühl, wurde daraus weit mehr. Es gab Stände der „Omas gegen Rechts“, von der Gewerkschaft „ver.di“, den Jusos, der Linken, der Grünen, von „WIR – das Vielfaltszentrum Bad Homburg“, von Pro familia Friedrichsdorf, vom LSVD (Verband Queere Vielfalt), und sogar das Polizeipräsidium Westhessen war vertreten.
Eine kleine Premiere
Oberbürgermeister Alexander Hetjes begrüßte die Besucher und die inzwischen eingetroffenen Demonstranten. „Wir feiern heute sowas wie eine kleine Premiere“, sagte er. „Wir sind eine sehr bunte Stadtgesellschaft hier in Bad Homburg, und deshalb gehört diese Veranstaltung auch genau hierhin, wo sie ist, in die Mitte unserer Gesellschaft, in die Mitte unserer Stadt, genau hier vor das Kurhaus.“ Er bedankte sich bei allen, die ehrenamtlich den Tag mit organisiert hatten, besonders aber bei Sven Rühl, den er als „Hauptleidtragenden im Dschungel der Behördengänge“ bezeichnete. Rühl berichtete später im Gespräch, dass er zwar keine Gegenwehr zu den Plänen bei der Stadtverwaltung erfahren habe, aber sich dennoch mehr Unterstützung gewünscht hätte. Die Zusammenarbeit mit der Stadt Bad Homburg bezeichnete er als „ausbaufähig“.
Auch Landrat Ulrich Krebs begrüßte die Besucher. „Wir sind nicht nur eine bunte Stadt, sondern ein bunter Landkreis“, sagte er, und zum Thema CSD im Kreis ergänzte er: „Die Tradition sollten wir fortsetzen.“
Beim Bühnenprogramm war Oberursel gut vertreten. Den Anfang machte das „Different Sounds Orchestra“, ein integratives Projekt des IB Bommersheim, das von „Aktion Mensch“ gefördert wird. Später traten die Midi- und Maxigarden sowie das Tanzduo und die Tanzmariechen vom Bommersheimer Carneval Verein (BCV) auf. Weitere Auftritte gab es von Jessica Walker und Teemo. Viele Besucher waren aus anderen Städten extra nach Bad Homburg für den Tag gereist, so fand Oli Becker im Publikum unter anderem Besucher aus Wuppertal und Hamburg.
Zwischen den musikalischen Auftritten fand ein Politik-Talk statt, denn die Organisatoren des CSD hatten auch Forderungen gestellt wie die Verbesserung der Bildungspläne im Hochtaunuskreis, geschlechtssensible Sprache in Kreis, Städten und Kommunen sowie die Mitwirkung von Vertretern der LSBT*IQ Community in den kommunalen Gremien.
Zu Gesprächen waren Clemens Selzer (Kreisvorstand und Mitglied im Kreistag der Linke), Sven Mathes (Sozialpolitischer Sprecher der Grünen im Kreistag), Stadtrat Tobias Ottaviani (SPD), Niklas Debusmann (stellvetretender Landesvorsitzender von Volt) und Felicitas Klings (Mitglied im Bundesvorstand der Partei der Humanisten) gekommen. Die FDP hatte zwar zugesagt, war aber nicht anwesend. Die CDU hatte man eingeladen, sie hatte allerdings mit dem Hinweis auf fehlenden Kapazitäten abgesagt. Rühl räumte ein, dass man vergessen hatte, die Freien Wähler beziehungsweise die BLB einzuladen.
Die Frage „Was kann man gegen Ausgrenzung in ländlichen Gebieten tun?“ sollten die Politiker beantworten. Eine weitere Frage lautete, wie sie sich für unbürokratischen kostenfreien Zugang zu Tests für sexuell übertragbare Krankheiten einsetzen werden? Vor allem bei der zweiten Frage wurde von Sven Mathes bemängelt, dass der Hochtaunuskreis das „maximal Nötige“ tue, um die gesetzlichen Bedingungen zu erfüllen, mehr darüber hinaus jedoch nicht.
Tobias Ottaviani ergänzte, dass selbst mit dem Sonderstatus von Bad Homburg die Regeln des Kreises gelten. Daher halte er auch den Weg von Kooperationen mit entsprechenden Fördermitteln für sinnvoll. Mit DJ Tina ging die Party am Kurhaus bis in den Abend hinein.