Bad Homburg (hw). Der 74. Band der „Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg vor der Höhe“ ist mit 260 Seiten nicht nur besonders umfangreich ausgefallen, sondern bietet auch ein breites Themenspektrum: Die sechs Beiträge spannen einen weiten Bogen vom 16. bis hinein ins 21. Jahrhundert, von der Kultur- und Kriminalgeschichte hin zur Wirtschaftsgeschichte, von Homburger Mikrohistorie bis zu siamesischer Exotik.
Ein wenig bekanntes Thema der Bad Homburger Geschichte behandelt die junge Historikerin Chiara Siebert in ihrem Beitrag, bei dem es sich um die Masterarbeit der Autorin handelt: Im Jahr 1582 wurde einem Homburger Lehrer der Prozess gemacht, nachdem er mehrere seiner Schüler vergewaltigt hatte. Der Beitrag analysiert den Fall und nimmt dabei vor allem den Umgang mit den jugendlichen Opfern genauer in den Blick.
Barbara Dölemeyer liefert in ihrem Beitrag „Schultheiß, Pfarrer, Handelsmann“ einen wichtigen Beitrag zur Quellenkunde und Denkmalpflege. Sie dokumentiert die Inschriften der drei in Gonzenheim erhaltenen barocken Grabsteine und präsentiert die Lebenswege der Personen, auf die sie sich beziehen.
Hölderlin-Kennern ist der Name Charlotte von Kalb ein Begriff: Sie förderte schon früh den jungen Dichter, den sie in Waltershausen als Hauslehrer für ihren Sohn beschäftigt hatte. Der Beitrag von Ismene Deter zeigt die Verbindungen Charlotte von Kalbs zum Homburger Hof und zu den Netzwerken der Hölderlin-Freunde auf, die ihr Leben lang nicht abrissen.
In einer umfangreichen Analyse nimmt Britta Reimann das Homburger Schloss als Schauplatz und Regierungszentrale Kaiser Wilhelms II. in den Blick. Anhand eines Aufenthalts des Kaisers im Oktober 1900 erläutert sie, wie Reiseorganisation, Logistik und Kommunikation funktionierten, um die Regierungsgeschäfte auch in Homburg fernab der Hauptstadt weiterführen zu können.
Ein anderes gekröntes Haupt ist Gegenstand des reich bebilderten Aufsatzes von Andrea Pühringer. Sie beschäftigt sich mit dem Kuraufenthalt König Chulalongkorns von Siam im Jahr 1907, an den heute die beiden Thai Salas im Kurpark erinnern. Dabei vergleicht sie den vom König veröffentlichten Reisebericht mit den privaten Erinnerungen des ihn betreuenden Badearztes Werner von Noorden.
Helmut Hujer schließlich lässt die Geschichte der Bad Homburger Horex-Motorradwerke und ihrer Produkte Revue passieren: Von den bescheidenen Anfängen über die kurze Hochblüte des Unternehmens mit der populären Maschine „Regina“ bis hin zum heute noch unter Motorradfreunden gepflegten Horex-Kult spannt der Beitrag einen Bogen über ein spannendes Stück Industrie-, Verkehrs- und Kulturgeschichte.
Erhältlich ist Band 74 der „Mitteilungen“ bei den Veranstaltungen des Geschichtsvereins, per Online-Bestellung unter www.geschichtsverein-hg.de oder im Buchhandel. Der Band kostet 15 Euro, Vereinsmitglieder erhalten die Mitteilungen kostenlos.