Bad Homburg. „Es ist ein tiefes Erschrecken, und dann so anstrengend, körperlich und seelisch.“ So beschreibt Melanie Timmler vom Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Bad Homburg/Taunus die Reaktionen von Eltern, die vom Arzt gesagt bekommen: Ihr Kind ist schwer erkrankt an einer Krankheit, die zum Tode führt. Am Tag der Kinderhospizarbeit – jedes Jahr am 10. Februar – machen viele Menschen und Institutionen auch im Hochtaunuskreis mit grünen Bändern, Farbe und Beleuchtung auf die Situation lebensverkürzend erkrankter Kinder, Jugendlicher und deren Familien aufmerksam.
Diana Milke und Melanie Timmler haben im Dezember 2020, mitten in der Corona-Zeit, im Gluckensteinweg 93 in Bad Homburg eine neue Zweigstelle des Deutschen Kinderhospizvereins eröffnet. Hier bekommen Familien schwerstkranker Kinder Hilfe und Begleitung. Mit den beiden hauptamtlichen Kräften kümmern sich 15 ehrenamtliche, fachlich geschulte Hospizhelfer um betroffene Kinder und Jugendliche, die zum Zeitpunkt der Diagnose nicht älter als 18 Jahre sind, um deren Geschwister, Eltern und Großeltern.
„An diesem Tag möchten wir nicht nur mögliche ehrenamtliche Helfer, Sponsoren und solidarische Unterstützer auf unsere Arbeit aufmerksam machen – besonders ansprechen wollen wir die betroffenen Familien im Kreisgebiet: Wir sind ein ambulanter Dienst, der unbürokratisch Begleitung anbietet, im Leben zu Hause mit dem schwer erkrankten Kind oder Jugendlichen, wir gehen mit zu Ärzten und ins Krankenhaus, hören Müttern und Vätern in ihrer Not zu, stützen Geschwister praktisch im Alltag, und wir sind auch weiter an der Seite der betroffenen Familie nach dem Tod des Kindes. Wir ermuntern mit unserer Hilfe zur Selbsthilfe.“
So umreißt Diana Milke, Koordinationsfachkraft des Kinderhospizvereins, die Angebote. Die neue Hospizstelle eröffnet aber noch mehr Möglichkeiten: Die drei barrierefreien Räumen im Gluckensteinweg sollen ein Ort der Begegnung und des Austauschs für betroffene Familien werden; hier können sich Geschwisterkinder zum Bastelnachmittag treffen, während Mütter und Väter Zeit zum Miteinander-Reden haben, hier können Einzelgespräche geführt werden oder Großeltern ihre Sorgen mit geschulten Fachkräften besprechen.
Traumatische Situation
Diana Milke, selbst ausgebildete Krankenschwester und frühere Pflegedienstleiterin in einem stationären Hospiz, die eine „Palliativ-Care“-Fortbildung in Kinderhospizarbeit gemacht hat, hat die neue Anlaufstelle gemeinsam mit der ebenfalls fachlich ausgebildeten Kinderhospiz-Helferin und früheren Erzieherin Melanie Timmler eröffnet, nachdem der seit 15 Jahren in Frankfurt am Main arbeitende Kinderhospizdienst mit einem zu großen Einzugsgebiet konfrontiert war. „Es ist von dort aus oft unmöglich, mit Familien aus dem Usinger oder Königsteiner Hinterland in wöchentlichem persönlichen Kontakt zu bleiben. Ziel ist die Nähe am Ort“, sagt Diana Milke.
Wenn sie oder ihre Kollegin die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer koordinieren und mit ihnen besprechen oder sich selbst ins Auto setzen und Familien aufsuchen, wissen sie, dass sie meist mitten hinein in ein krisenhaftes, für die Eltern und Geschwister traumatisches Erleben kommen. „Die Diagnose ‚Lebensverkürzende Krankheit‘ bedeutet einen Schock für die Angehörigen des Kindes und Jugendlichen. Sie stürzt diese oft in schreckliche Angst, Not und Kummer“, erzählt Melanie Timmler.
Sie, die als junge Mutter selbst ein Kind zu Grabe tragen musste, weiß, was Betroffenen dann durch den Kopf geht: Wie wird das für mein krankes Kind sein in Kindergarten und Schule? Wie schaffe ich das, Arzt- und Krankenhausbesuche, den ganzen Schriftkram mit der Krankenkasse, den Alltag? Wie können wir als Eltern noch Zeit und Verständnis für die Geschwister unseres kranken Kindes aufbringen und wie als Ehepartner im Gespräch zusammenbleiben, um diese schreckliche Zeit durchzustehen? Darf ich als Mutter wieder in den Beruf gehen oder soll ich es lassen? Woher nehmen wir die Kraft zum Durchhalten? Melanie Timmler spricht auch über die Stigmatisierung, die Familien mit todkranken Kindern manchmal erfahren und die immense Bedeutung des Erfahrungsaustauschs unter Eltern mit dem gleichen Schicksal. „Unser Wunsch als Helfer ist, dass sich die ganze Familie durch individuell angepasste Hilfe aufgehoben fühlt“, sagt Diana Milke.
Zehn Familien im Hochtaunuskreis werden aktuell vom Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Bad Homburg/Taunus begleitet. „Wir haben noch Kapazitäten!“, ermuntern die Koordinatorinnen. Zur Seite stehen ihnen die Ehrenamtlichen, die je einer Familie zur Begleitung fest zugeteilt werden. In einem Qualifikationskurs, der 100 Stunden umfasst – hier werden in Abendveranstaltungen und zwei Wochenendkursen Themen wie Tod und Sterben, Kinderhospizarbeit, Erkrankungen und eigene Erfahrungen mit dem Thema Sterben und Tod behandelt – arbeiten die ehrenamtlichen Helfer die Entscheidung heraus, ob sie das kranke Kind selber, die Geschwister oder die Eltern schwerpunktmäßig begleiten wollen. Supervision, Gespräche mit den beiden Hauptamtlichen und Gruppentreffen stehen auf dem Programm.
„Man sollte der Familie dann zwei bis drei Stunden Zeit pro Woche schenken können für Gespräche und praktische Hilfen“, so Milke. Dringend sucht die Bad Homburger Hospizstelle für ihren nächsten Qualifikationskurs, der im Herbst beginnen soll, noch Ehrenamtliche für das Usinger Land. Melanie Timmler sagt, sie könne nur ermuntern für diesen Dienst: „Wir als Helfer erleben trotz der Schwere des Themas auch viel Freude und Lachen, denn es geht nicht nur ums Sterben, sondern um intensive Begleitung für betroffene Familien auf ihrem Lebensweg.“
!Familien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit lebensverkürzender Erkrankung aus dem Hochtaunuskreis können sich beim Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Bad Homburg/Taunus, Gluckensteinweg 93, 61350 Bad Homburg, unter Telefon 06172-9956680 oder per E-Mail an taunus[at]deutscher-kinderhospizverein[dot]de melden, ebenso wie an der ehrenamtlichen Kinderhospizarbeit interessierte Bürger ab 18 Jahren. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.akhd-taunus.de und www.deutscher-kinderhospizverein.de.