Lesermeinung

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Unser Leser Ralf Gandenberger aus Bad Homburg, Mitglied des ADFC, meint zum Thema „Einbahnstraßen für Radfahrende“:

In Bad Homburg hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, die Kisseleffstraße für sechs Monate für Radfahrende entgegen der Einbahnstraße freizugeben. Zuvor hatte die Stadtverwaltung die Freigabe geprüft und festgestellt, dass dies möglich ist und die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Verkehrsversuche können ein probates und sehr sinnvolles Mittel sein, um Veränderungen auszuprobieren und die Akzeptanz oder Auswirkungen zu erkunden.

Die Freigabe von Einbahnstraßen für Radfahrende in Gegenrichtung ist für einen Verkehrsversuch aber völlig ungeeignet. Einbahnstraßen sind bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen nämlich zwingend freizugeben. Daher kann der „Versuch“ in der Kisseleffstraße auch nicht einfach beendet werden. Natürlich ist es immer angezeigt, Auswirkungen von Änderungen der Verkehrsführung zu evaluieren und bei Problemen Maßnahmen zu ergreifen, um negative Folgen zu mindern oder zu beseitigen.

Diese können und dürfen jedoch nicht in der Aufhebung der Freigabe bestehen, sondern müssen anderer Art sein. Schließlich ist die öffentliche Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden und erwartet Rechtstreue zu Recht auch von ihren Bürgerinnen und Bürgern. Vielleicht muss auch die Einhaltung von Verkehrsregeln stringenter überprüft werden, so dass Anlieger der Kisseleffstraße nicht länger den Eindruck haben, dass Verkehrsverstöße von der Stadtverwaltung geduldet würden.

Vielfach wird beklagt, dass für Radfahrende freigegebene Einbahnstraßen zu eng seien. Eigentlich dürfte jeder, zumindest aber jeder, der jemals ein Führerschein gemacht hat, wissen, dass derjenige, auf dessen Fahrbahnseite sich ein Hindernis befindet, den entgegenkommenden Verkehr passieren lassen muss. Gegebenenfalls ist hierzu anzuhalten oder in eine Lücke zu fahren. Dies gilt natürlich auch in für den Radverkehr freigegebenen Einbahnstraßen.

Das Problem in Bad Homburg besteht häufig darin, dass in Einbahnstraßen oft keine entsprechenden Lücken vorhanden sind, weil durchgängig – zulässigerweise oder verkehrswidrig – geparkt wird. Sollte dies der Fall sein, ist es Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde beziehungsweise der Stadtverwaltung, durch geeignete Maßnahmen den Begegnungsverkehr zu ermöglichen. Das Problem einer – zum Beispiel durch parkende Fahrzeuge – zu engen Einbahnstraße, besteht also nicht darin, dass sie für den Radverkehr freigegeben wurde – das ist vom Gesetzgeber ausdrücklich so gewollt –, sondern darin, dass keine Maßnahmen ergriffen wurden, um einen guten Begegnungsverkehr zu ermöglichen. Und ganz wichtig ist, und das gilt für Auto- und Radfahrende, dass sich alle Verkehrsteilnehmer mit Respekt und gegenseitiger Rücksichtnahme begegnen.

Hierdurch lassen sich fast alle potenziellen Konflikte bereits vorher verhindern. Ich würde mich sehr freuen, wenn die oben genannten Punkte von der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik den Bürgerinnen und Bürgen sehr viel intensiver erklärt und auf die bestehenden Regeln hingewiesen würde. Dann werden die Einwohner einbezogen und mitgenommen und verstehen die getroffenen Maßnahmen sehr viel besser.



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