Bad Homburg (a.ber). „Liebes süßes Herzblatt!“: Von Herz- und Trennungsschmerz zeugen die 260 Briefe, die die letzte deutsche Kaiserin, Auguste Victoria, zwischen 1880 und 1892 ihrem Verlobten und spätereren Gemahl Kaiser Wilhelm II. schrieb. Kurz vor der Wiedereröffnung der restaurierten kaiserlichen Appartements im Bad Homburger Schloss rückte Dr. Jörg Kirschstein von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Auguste Victoria in den Mittelpunkt. In einem lebhaften Vortrag im Weißen Saal des Schlosses, bei dem er authentische Fotos und Dokumente aus seinem Buch „Auguste Victoria. Portrait einer Kaiserin“ hinzuzog, zeichnete er ein neues, detailreiches Bild der deutschen Kaiserin.
Von der geschichtlichen Forschung wurde sie bisher eigentlich weitgehend links liegen gelassen; dabei spielte die dem Herzogshaus zu Schleswig-Holstein-Sonderburg entstammende Auguste Victoria (1858-1921), die 1881 ins preußische Königshaus einheiratete, von ihrer Schwiegermutter nie wirklich anerkannt und gelegentlich auch von ihrem eigenen Ehemann abgelehnt wurde, keine geringe Rolle im Familiengefüge der letzten kaiserlichen Familie. Auguste Victoria trat nicht nur als moderne und liebevolle Mutter, Mode-Ikone ihrer Zeit und karitativ überzeugende Person hervor, sondern in den letzten Jahren des Kaiserpaars im niederländischen Exil in Doorn auch als unbeirrbare Stütze Kaiser Wilhelms II. „Über die Frau Kaiser Wilhelms II. gab es wenig Literatur, die Quellenlage ist diffus und schlecht überliefert, der Haupt-Nachlass verbrannte im Krieg 1943 in Charlottenburg“, schilderte Kirschstein den Stand der historischen Aufarbeitung. Der Archivar und Kenner der kaiserlichen Familie hatte sich schon seit seiner Jugend für diese Geschichte interessiert und mit 18 Jahren noch zu DDR-Zeiten begonnen, Führungen im Neuen Palais in Potsdam, der ehemaligen Residenz und privaten Wohnsitz des letzten Kaisers, zu machen: „Warum erzählte man so wenig über die kaiserliche Familie?“
In seinem nun veröffentlichten Buch über Auguste Victoria kommt vieles zur Sprache, was ein wahrheitsgetreues Bild von Deutschlands letzter Kaiserin vermittelt. Außer den Zeugnissen, die der Autor über Eltern und Geschwister von Auguste Victoria veröffentlicht, ist vor allem ihre Beziehung zu Kaiser Wilhelm II. interessant. Dieser, eigentlich selbst von seiner „Liebes-Heirat“ überzeugt, empfand seine Gattin, so legen Auszüge aus erhaltenen Briefen nahe, mitunter in ihrer schwärmerischen „Süßlichkeit“ als lästig, „er fühlte sich von ihr eingeengt“, so Kirschstein. Und doch gelang es der herzoglichen Prinzessin nach der Thronbesteigung ihres Mannes 1888, eine würdige Repräsentantin des Kaiserreiches zu werden. Auf der einen Seite habe sie sich „auf die reaktionär-konservative Seite ihres Mannes geschlagen“, auf der anderen Seite moderne Verhaltensweisen am kaiserlichen Hof gezeigt. „Sie stillte ihre sieben Kinder selbst, hatte eine liebevolle, enge Bindung zu ihren Kindern.“ Dass Auguste Victoria mit ihrer Kleidung die neuesten Modetrends verkörperte, sich von Schneiderinnen und Berliner Modefirmen stets neue Kleider schneidern ließ, die sündhaft teuer waren und nach zweimaligem Tragen aufgetrennt, für Hofdamen-Kleider wiederverwendet oder abgeändert in Berliner Geschäften weiterverkauft wurden – das alles wie auch ihren Hang zu teurem Schmuck kann der Leser des Buches in Wort und Bildern nachverfolgen.
Viele der im Vortrag gezeigten und im Buch veröffentlichten Aufnahmen von Auguste Victoria entstanden in der kaiserlichen Sommerresidenz in Bad Homburg und stammen aus dem Foto-Atelier von Thomas Heinrich Voigt. Aber auch andere Fotografen dokumentierten in Berlin oder in Lazaretten des Ersten Weltkriegs, die die sehr gläubig und karitativ veranlagte Auguste Victoria aufsuchte, um Soldaten Trost zu spenden. „Sie mischte sich in alles ein, aber war auch eine wichtige Stütze für den Kaiser während des Krieges und im Exil“, sagte Kirschstein. „Es war immer alles hübsch nach außen, aber die Tagebücher sagen oft etwas anderes“, kommentierte der Archivar die Verwerfungen im kaiserlichen Familienkreis, die er ebenfalls in seinem Buch aufdeckt. Zahlreiche bisher unbekannte Anekdoten und Vorkommnisse, Schein und Sein der letzten kaiserlichen Familie und die Rolle und Persönlichkeit Auguste Victorias lesen sich im Buch ebenso spannend, wie der Autor sie in seinem Vortrag vermittelte.
!Das Buch „Auguste Victoria. Portrait einer Kaiserin“ von Jörg Kirschstein ist im ber.bra Verlag erschienen und kostet 28 Euro.