„Manchmal muss man verrückter denken“

Die Neuseeländerin Carolin Prinn (l.) und ihre Kommilitonin Charlette Timon aus England absolvieren an der nun staatlich anerkannten Academy Of Fine Art Germany in Bad Homburg ein Studium zur Kunstmalerin. Foto: Bergner

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. Vor den fast fertigen Zeichnungen auf den Holzstaffeleien liegen Bleistifte, Kohle und Radiergummi bereit, das Bild einer Frauen-Skulptur in klassischer Pose lehnt schräg dahinter, der Kopf eines alten Mannes in Gips steht neben seinem Abbild, an dem noch gearbeitet wird. Charlette Timon und Carolin Prinn sind zwei von 60 Studenten der Kunstmalerei, die täglich in den Ateliers der Academy Of Fine Art Germany in Bad Homburg vor Zeichenblatt und Leinwand stehen und klassisches Zeichnen und Malen lernen.

Charlette Timon kommt ursprünglich aus England und studiert seit anderthalb Jahren hier, ihre Kommilitonin, die Neuseeländerin Carolin Prinn, ist von einer Kunstakademie in Florenz vor Kurzem an die Academy Of Fine Art gewechselt. Das drei Jahre dauernde Vollzeitstudium ist Teil eines Angebots, mit dem die Gründer der Bad Homburger Kunstakademie, Dana und Jürgen Güttler, Künstlern und Malern, aber auch ambitionierten Menschen aus anderen kreativen und künstlerischen Berufen eine klassische akademische Ausbildung anbieten. Nun hat das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst der Academy Of Fine Art, die 2014 in der Kurstadt gegründet wurde, die staatliche Anerkennung erteilt: Ministerialdirigent Eric Seng überreichte Akademieleiterin Dana Güttler in einer Feierstunde die Urkunde – nun darf die Akademie als erste Institution Hessens zum staatlich geprüften Kunstmaler/Kunstmalerin sowie zum Skulpteur/Skulpteurin vollschulisch ausbilden.

Die jungen Kunststudentinnen Timon und Prinn feierten dieses Ereignis gemeinsam mit ihren Mitstudenten, den Lehrkräften, Akademie-Gründern und Freunden der Institution. Eric Seng vom Hessischen Kultusministerium betonte den strengen Prüfprozess, den die Academy bis zur staatlichen Anerkennung durchlaufen hätte.

„Sie bietet in der Qualität der Ausbildung und Lehre einen besonderen Akzent“, so Seng. Die Anerkennung bedeutet zwar keine finanzielle Unterstützung durch das Land Hessen, doch können Studierende der Akademie in Zukunft einen staatlichen Bafög-Zuschuss zu ihrem selbst finanzierten Studium beantragen. Außerdem hat die Academy Of Fine Art nun das Recht, selbst staatlich anerkannte Prüfungen abzunehmen.

Standort für Künstler und Dichter

Auch Oberbürgermeister Alexander Hetjes war in die Academy-Räume im Südcampus in Ober-Eschbach gekommen und sagte, dass die Stadt, „die schon immer ein Standort für Künstler und Dichter war“, durch den mehrjährigen Aufenthalt der Kunststudenten aus Deutschland und weltweit nur profitieren könne. „Wir hatten 2014 eine Vision, und nun haben wir einen Meilenstein geschafft“, stellte Dana Güttler in ihrer Ansprache fest. „Manchmal muss man einfach größer und verrückter denken.“

Die 1981 geborene berufserfahrene Betriebswirtin für Eventmanagement, die selbst eine künstlerische Ausbildung absolvierte, sich an Kunstakademien im In- und Ausland auch in Organisation und Zusammenarbeit mit Lehrkräften weiterbildete, hatte vor sieben Jahren an ihrem Wohnort Bad Homburg begonnen, Workshops und Kurse in Malerei und Zeichnen für Erwachsene und Kinder anzubieten.

Aus der Zusammenarbeit mit Gymnasien in Frankfurt und Bad Homburg und der Erfahrung des großen Interesses aller Altersstufen an einer klassischen akademischen Mal- und Zeichenausbildung folgte 2018 das erste Angebot für Vollzeit-Studierende und schließlich ein Studienprogramm in Voll- und Teilzeit sowie seit 2021 die Möglichkeit eines Studiums zum Skulpteur.

Dana Güttler hat nun die dreijährige vollschulische Ausbildung um ein weiteres Studienjahr erweitert: An der Academy Of Fine Art kann eine Zusatzqualifikation im digitalen Zeichnen erworben werden, bei der die Studierenden von Branchenprofis aus den Bereichen Film und Gaming unterrichtet werden. Ganz gleich, ob die Studierenden direkt von der Schule kommen, bereits Berufserfahrung, ein Studium oder eine Ausbildung gemacht haben, hier können sich künstlerisch veranlagte Menschen vom Schüler bis zum Rentner zu jedem Trimester im Jahr anmelden. „Wir lernen hier zwei Jahre intensiv Zeichnen und ein Jahr Malerei nach den Grundlagen und Kenntnissen der alten Meister – danach ist man in der Lage, gut zu malen“, erzählt Studentin Charlette Timon, die Interessierte durch die Räume der Akademie begleitete. Stilleben, Selbstporträts, Akt- und Modellmalerei, der Umgang mit Farben gehören zur Ausbildung.

„Es gibt Regeln fürs Zeichnen, wenn man die befolgt, kommt man zu einem guten Ergebnis“, sagt eine Studentin und zeigt auf sechs Kohlezeichnungen von der Bildaufteilung über die erste Skizze bis zum fertigen Aktbild. Hand- und Fußstudien in Gips, modellierte Details wie Nasen, Ohren und Augen liegen in Regalen, in einem der acht Räume steht auf einem Werktisch eine Vogel-Skulptur.

Zwei weiteren Studentinnen, die mitfeiern und vor der Academy an der Straße Im Atzelnest gerade mal Luft schnappen, gefällt die Atmosphäre ihrer Ausbildungsstätte. Die eine, Tätowiererin von Beruf, will hier eine „klassische Ausbildung machen, um möglichst gut zu sein“, die andere will in Richtung Mediengestaltung gehen und freut sich besonders auf das vierte Jahr in digitaler Ausbildung, die sie für Animationsfilme brauche. „Wenn wir dann fertig sind, haben wir technisch alles drauf.“

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