Ein Platz eng an der Seite der Christen im Orient

Fröhliche und wissbegierige Mädchen bei der Sommerbibelschule der armenisch-evangelischen Gemeinden in Syrien: Das jährliche Ferienprogramm für christliche Kinder ermöglicht der Hilfsbund.Foto: Hilfsbund

Bad Homburg (a.ber). „Es waren auch manch sorglose Abenteurer, unerschütterliche Einzelkämpfer und scheinbar wenig Begabte dabei, die doch echte Zeugen der Liebe Gottes wurden“: So der Vorsitzende des Christlichen Hilfsbunds im Orient, Pfarrer Daniel Geiss, im Rückblick auf 125 Jahre Bestehen und Wirken des Hilfsbundes und dessen Mitarbeiter. Im Jahr 1896 zunächst als „Deutscher Hülfsbund für Armenien“ durch den evangelischen Pastor Ernst Lohmann in Frankfurt am Main gegründet, gehört das seit 1974 in Bad Homburg ansässige Missionswerk heute zu den anerkanntesten Hilfsorganisationen von Christen für den Nahen Osten: Im Libanon, in Syrien, Irak sowie nach wie vor in Armenien engagiert sich der Christliche Hilfsbund im Orient mit unerschütterlich praktizierter Nächstenliebe und projektbezogener Hilfeleistung durch seine nachhaltig verlässliche Organisation in den Krisengebieten für die Christen dort am Ort – die ihrerseits segensreich für ihr muslimisch geprägtes Umfeld tätig sind.

Weltweit werden zur Zeit mehr als 340 Millionen Christen verfolgt, die Zahl der getöteten Christen ist deutlich gestiegen – Fakten und Zahlen dazu hat „Open Doors“ in seinem Weltverfolgungsindex im Februar 2021 veröffentlicht. Auch in der Türkei hat sich die Lage für dort lebende Christen dramatisch verschlechtert; zudem hat die türkische Militäroffensive im Nordirak die Region praktisch christenfrei gemacht; in Nordostsyrien werden hunderte Christen durch islamistische Söldnertruppen derzeit zur Flucht gezwungen. „Der Orient braucht Oasen der Hoffnung, Liebe und Barmherzigkeit. Deshalb ist unser Platz gerade jetzt eng an der Seite der Christen im Orient“, sagt der Geschäftsführer und Theologische Leiter des Hilfsbunds, Dr. Andreas Baumann. Diesen Impuls, verfolgten Christen zu helfen, spürte auch der im hinterpommerschen Dorf Glowitz aufgewachsene Sohn einer Pfarrersfamilie und spätere Frankfurter Pfarrer Ernst Lohmann: Angesichts der Massaker an hunderttausenden armenischer Christen in Kleinasien, die durch die Türken im Herbst 1895 und Frühjahr 1896 unter stillschweigender Duldung des mit dem osmanischen Reich eng verbundenen deutschen Kaiserreichs verübt wurden, verschickte Pfarrer Lohmann am 2. Februar 1896 seinen „Ersten Aufruf zur Fürbitte und Mithilfe für Armenien“. Über Umwege hatte er aus der amerikanischen Presse von den Grausamkeiten und Bluttaten an der christlichen Bevölkerung der Türkei erfahren.

„Da entschloss ich mich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Und da gab es eine richtige Volksbewegung.“ Ernst Lohmann habe sich nicht einschüchtern lassen, so Dr. Andreas Baumann. „Für ihn war Jesus plötzlich nicht mehr nur historische Gestalt, sondern lebendige Wirklichkeit.“ Fünf Monate später wurde der „Deutsche Hülfsbund für Armenien“ offiziell gegründet. Die Armenienhilfe zog weite Kreise im Deutschen Reich und in der Schweiz: Man errichtete Waisenhäuser für die nach dem Genozid überlebenden Waisenkinder in Armenien, übernahm humanitäre und seelsorgerische Aufgaben vor Ort für mehr als 500 000 Notleidende.

Das später in „Deutscher Hilfsbund für christliches Liebeswerk im Orient“ umbenannte Werk dehnte im Laufe der Jahre seine Hilfe für Christen im Nahen Osten auch auf andere Länder dort aus. Es arbeitet heute unter dem Namen „Christlicher Hilfsbund im Orient“ als Verein von Bad Homburg und der Schweiz aus durch deutsche Helfer und Fachkräfte in Zusammenarbeit mit einheimischen Hilfsorganisationen in Libanon, Irak, Syrien und Armenien dafür, dass die seit vielen Jahrhunderten im Orient beheimateten Christen ihre Lebensgrundlagen verbessern und in der angestammten Heimat bleiben können. In Anjar, einem armenischen Dorf in der Bekaa-Ebene Libanons, in dem viele Armenier nach dem Völkermord von 1896 Zuflucht fanden, gründete der Hilfsbund ein großes armenisch-evangelisches Internat, das auch externe christliche Schüler besuchen, im Nachbarort Mejdelanjar existiert eine Grund- und Mittelschule, ganze Familien werden unterstützt.

Die Lage der Christen im syrischen Aleppo ist seit dem Kriegsausbruch 2012 eine große Herausforderung für den Hilfsbund: Es wurden Trinkwasserbrunnen gebohrt, die auch muslimische Einwohner nutzen können, Schüler werden individuell gefördert und gemeinsam mit den christlichen Gemeinden am Ort wurde eine Lebensmittelversorgung aufgebaut. Das Waisenhaus „Zatik“ in Eriwan, seit 1994 vom Christlichen Hilfsbund betreut, wird durch die schwierigen Zeiten begleitet, in denen Armenien derzeit steckt. Im Irak wird zusammen mit der Partnerorganisation Capni Menschen bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze und Kleinunternehmen geholfen. „Es ist ein riesiges Drama, dass der Nahe Osten nicht zur Ruhe kommt. Wir spüren Verantwortung, uns für Glaubensgeschwister einzusetzen“, sagt Projektleiter Lukas Reineck, der in Beirut studiert und dort viele Kontakte hat. Mit seinem Jubiläumsprojekt „Christen im Irak eine Zukunft geben!“ zum 125-jährigen Bestehen will der Christliche Hilfsbund im Orient zum Wiederaufbau zerstörter christlicher Dörfer durch Eigeninitiative der dortigen Bewohner beitragen: 125 000 Euro sollen in diesem Jahr gesammelt werden, um damit auch 30 weitere Arbeitsplätze für Christen im Irak zu schaffen. In Deutschland selbst ist der Hilfsbund seit 2016 mit dem Integrationshelfer Alan Pashkevich für Flüchtlinge tätig. Viele Deutsche und Schweizer übernahmen schon Patenschaften für Kinder und Familien im Nahen Osten. Die Stiftung Christlicher Hilfsbund fördert die Arbeit seit 2004. Der Hilfsbund selber ist unter anderem Mitglied im Evangelischen Missionswerk und dem Diakonischen Werk der EKHN.

Die Leidenschaftlichkeit und bunte Vielfalt des Engagements der Helfer des Werks in all den Jahren sind in der Jubiläumsausgabe der Hilfsbund-Impulse mit dem Titel „125 Jahre gemeinsam auf dem Weg mit Christen im Nahen Osten“ dargestellt. Vieles geschah und geschieht nach wie vor direkt am Ort – das große Netzwerk an Menschen, das in 125 Jahren seit der Gründung durch Pfarrer Ernst Lohmann entstanden ist, tut mit ungebrochener Hoffnung Werke der Nächstenliebe und praktischen Hilfe. „Aber während wir Menschen so gern auf das Zählbare und Vorzeigbare schauen, wirkt Gott häufig ganz im Stillen“, sagt Leiter Andreas Baumann. Der Hilfsbund betreibe heute keine strukturierte Mission wie früher oft üblich, sondern wirke im persönlichen Umgang auch mit Menschen anderen Glaubens: „Wir leben, beten, helfen und überzeugen als Christen.“ Dass dies mit Sensibilität und Tatkraft auch in den schwierigen Zeiten der Pandemie geschieht, darauf blicke der Christliche Hilfsbund im Orient im Jubiläumsjahr mit Dankbarkeit.

!Aktuelle Informationen zum Christlichen Hilfsbund im Orient, zum Jubiläumsprogramm, Projekten, Spendenmöglichkeiten und Patenschaften gibt es auf der Homepage des Vereins www.hilfsbund.de und unter Telefon 06172-898061.

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