Mit Präzision und natürlicher Leichtigkeit

Bad Homburg (jbr). Beeindruckend gespielte Stücke und ein begeistertes Publikum zeichneten die Darbietung von Claire Huangci beim Schlosskonzert in der Reihe „Meisterpianisten“ aus. Bereits zu Beginn brachte Karl-Werner Joerg seine Freude über den amerikanischen Gast zum Ausdruck. Er sei besonders erfreut, dass die international erfolgreiche Pianistin am Samstagabend vor einem so erlesenen und coronabedingt recht kleinen Publikum in der Schlosskirche spiele.

Im Kontrast zum Konzertflügel ganz in Weiß gekleidet begann Huangci das Konzert mit einer Toccata in D-Dur (BWV 912) von Johann Sebastian Bach. Mit einer Mischung aus Präzision und natürlicher Leichtigkeit zog die Gewinnerin zahlreicher Preise die Zuhörer von Beginn an in ihren Bann. Bachs anspruchsvolles Stück bot sie exzellent dar, indem sie die verschiedenen bevorstehenden harmonischen Veränderungen gefühlvoll ankündigte und somit fließende Übergänge erzeugte. Dabei wirkten die besonders schnellen Tempi teilweise stark entfremdend. Auf eine kräftige Eröffnung folgten hin und wieder auch entschleunigte Barockklänge, die für ein gutes Maß an Abwechslung sorgten. Die Schwierigkeit und der Charme des Werkes zugleich liegt unter anderem in der epochentypischen Polyphonie, die bis zu vier eigenständige Stimmen beinhaltet, die perfekt aufeinander abgestimmt zu Bachs bekanntester der sieben, von ihm für Cembalo komponierten Toccaten werden.

Abwechslungsreich ging es weiter mit Wolfgang Amadeus Mozarts neunter Klaviersonate in a-Moll. Hiermit vollbrachte Claire Huangci einen musikalischen Zeitsprung in die Klassik. Ausdrucksstark begann sie mit dem majestätischen Allegro, das mit kräftigen Klängen die Sonate eröffnete. Durch akkurates Spiel vermittelte die Pianistin den Anwesenden die harmonischen Mehrdeutigkeiten, die eine besondere Stimmung erzeugten. Dramatik oder Heiterkeit herausgehört zu haben, blieb somit nur eine Vermutung im Ohr der Zuhörenden. Mozarts dreiteilige Komposition bot mit dem anschließenden Andante cantabile eine angenehme Polarität. Ruhige und dennoch anspruchsvolle Töne folgten dem schnellen, lauten ersten Teil. Mit einem Presto zum Abschluss wurde es noch einmal festlich. Die Musikerin wählte jenes Stück geschickt das Vorige kontrastierend aus und zeigte außer großem, musikalischem Talent auch die verschiedenen Stile der Klaviermusik. Es schieden sich nur die Geister bei dem durch vielfachen Pedaleinsatz erzeugten Klangteppich, der nicht ganz typisch für den Komponisten ist.

Der Höhepunkt war allerdings ein Arrangement für Klavier der berühmten Toccata und Fuge in d-Moll. Beliebt und allgegenwärtig bei Orgelkonzerten erklang nun eine Abwandlung dieses Meisterwerks. Claire Huangci ersetzte durch die Bearbeitung von Ferruccio Busoni problemlos die mächtige Orgel und präsentierte die ganze Klangvielfalt der Toccata aus der Feder Johann Sebastian Bachs am Flügel. In beeindruckender Geschwindigkeit, wenn auch ohne die für Organisten dazugehörigen Kunstpausen im ersten Abschnitt, spielte die 31-Jährige zwar hörbar anders als gewohnt, aber keineswegs weniger mitreißend und machtvoll. Auch wenn in manchen Passagen das barocke Flair durch Oktavparallelen, die der neo-klassizistisch geprägte Busoni hinzugefügt hatte, unvermeidbar etwas verlorenging. Allerdings verflog jener Gedanke schnell wieder, und das Publikum verfolgte gespannt die anknüpfende Fuge, die Bach noch wesentlich schwieriger komponierte. Mit regem Applaus endete die erste Hälfte und hinterließ einige Anwesende sprachlos von der imposanten Darbietung.

Romantik nach der Pause

Nachdem Veranstalter Joerg die Pause wie immer mit dem kleinen Glöckchen beendete, erfüllte die Virtuosin den Saal mit Klängen der Romantik, der auf die Klassik folgenden Epoche. Die Klaviersonate Nr. 19 von Franz Schubert begann trotz c-Moll mit recht heiteren Klängen gefolgt von einem kräftigen Akkord, der den Wechsel zu ausdrucksvoller Dramatik einleitete. Diese schmückte den ersten Teil, ein Allegro, mit Einschüben trügerischer Ruhe. Das anschließende Adagio, ruhig und bequem, wies musikalisch auf das Tonspektrum des Tasteninstruments hin, und hierfür nutzte Claire Huangci auch die annähernd tiefsten Töne. Es entstand insgesamt ein Wechselspiel aus schweren Marschklängen und Läufen. Im abschließenden Teil trat auf außergewöhnliche Art beides gleichzeitig auf.

Nach zwei Zugaben, unter anderem mit Frédéric Chopins berühmter Revolutionsetüde, beendete Claire Huangci das Konzert unter langanhaltendem Beifall.

Der Abend und auch die Pianistin blieben wohl als bewegend, unterhaltsam und sehr außergewöhnlich in Erinnerung, meinten einige Zuhörer beim Hinausgehen.

Claire Huangci nimmt am Konzertflügel in der Schlosskirche Platz. Foto: jbr



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