Seriöser Operngesang als unterhaltsamer Silvester-Spaß

Sopranistin Alexandra Zarubina, Bass Campbell Vertesi, Tenor Rolando Guy und Sopranistin CarrieAnne Winter (v. l.) bringen das Silvesterpublikum in Stimmung. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Mit dem temperamentvollen Opernensemble „The Cast“ feierte das Publikum im ausverkauften Kurtheater ins neue Jahr. Auf der Bühne standen sieben Rockstars der Oper, die ihr klassisches Repertoire mit Können und Charme fernab jeder steifen Etikette präsentierten.

Breits mit dem Ensemblenamen „The Cast“, zu Deutsch „die Besetzung“, geben die Mitglieder der 2013 gegründeten Gruppe einen Hinweis auf ihre zwar künstlerisch anspruchsvolle, aber erfrischend andere Art der Interpretation bekannter Arien, Duette und Volksweisen. Um diese auf Bühnen selten zu sehende Vermittlung klassischer Stoffe dem Publikum näher zu bringen, wählten „The Cast“ ein anderes Setting. „Wir zeigen unserem Publikum, wie es ist, wenn ein Opernensemble feiert und seine Musik voller Leidenschaft hinter den Kulissen interpretiert“, informierte Campbell Vertesi. Und fügte hinzu: „Wir wollen weg von dieser steifen Etikette. Unsere Moderationen sind auch so, dass wir stärker auf Persönliches setzen, also zum Beispiel erzählen, warum uns dieses Stück gerade so interessiert oder warum wir diese Musik so mögen, wie wir überhaupt dazu gekommen sind, das so zu machen, und was uns so passiert ist auf unseren Reisen durch die Welt und an die Opernhäuser.“

Wie das klingt und aussieht, konnten die mitsingenden, klatschenden und jubelnden Zuschauer am Silvesterabend live erleben. Gemeinsam interpretierten Mezzosopranistin Anne Byrne sowie die beiden Sopranistinnen Alexandra Zarubina und CarrieAnne Winter mit Bass Campbell Vertesi, Bariton Till Bleckwedel und Tenor Rolando Guy das populäre Auftrittslied des Figaro „Largo al factotum“ aus Gioachino Rossinis „Der Barbier von Sevilla“.

Im Laufe des Abends interpretierten die sechs erstklassigen Sänger gemeinsam das Sextett aus „Lucia di Lammermoor“, den Anvil Chor aus „Il Trovatore“, das Quartett aus „La Bohème“ und dem Trinklied „Brindisi“ aus „La Traviata“. Bei diesen Liedern und allen anderen wurden die Sänger einfühlsam am Flügel begleitet von Yu Chen. Der Pianist glänzte zudem mit seiner verjazzten Bearbeitung des „Rondo alla turka“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Der Funke der Begeisterung sprang bereits bei der Anmoderation ins Publikum über. Da wurden die Zuschauer zum Mitsingen, Aufstehen, Klatschen, Ausziehen, Handys-Auspacken, Fotografieren und Teilen der Fotos in den sozialen Netzwerken aufgefordert. Auch das Spiel mit Kontrasten kam gut an. Die Sänger traten zwar in Rockstar-Outfits auf, und oft war die Choreografie nicht „Opern like“, doch gesanglich erfüllten sie alle Ansprüche. CarrieAnne Winter aus Michigan begeisterte mit ihrem hohen Sopran unter anderem aus Händels Oper „Giulio Cesare“ vor überschwänglichem Glück geprägten Kleopatra-Arie „Da Tempeste“. Die eine schrille, grüne Perücke tragende Sopranistin erklärte, dass sie Kleopatra als starke Frau vorstelle.

Ihr komödiantisches Talent versprühte Anne Byrne. Die Mezzosopranistin verriet augenzwinkernd, dass sie schon lange Single ist und bei ihren Dates mit deutschen Männern stets eine kostenlose Deutschstunde erhalte. Als Solistin interpretierte sie aus Verdis Oper „Der Troubador“ die Arie der Azucena, „Stride la vampa“, die zuvor vom Tod ihrer Mutter auf dem Scheiterhaufen und der tragischen Verwechslung ihres Sohne mit dem geraubten Baby des Grafen informierte. Rache ist ein großes Opernthema vor allem bei Verdi und Wagner. Mit Dvoráks „Lied an den Mond“ aus Rusalka trat die russische Sopranistin Alexandra Zarubina als Meerjungfrau vors Publikum und gab den Rat: „Liebe kannst du nicht suchen, du musst sie finden.“

Zeitgemäß, ironisch, sinnlich

Schnell fanden die Zuschauer großen Spaß daran, die Klassiker der Oper so zu sehen, wie sie einmal waren: aufregend, belustigend, zeitgemäß, mitreißend, ein wenig ironisch, erfrischend und vor allem unglaublich sinnlich. Da wurde auf der Bühne geflirtet, geschwärmt, geschmollt, den Gefühlen und der Lust am Leben freien Lauf gelassen. „Dein ist mein ganzes Herz, wo du nicht bist, kann ich nicht sein“ verkündete der argentinische Tenor Rolando Guy, und Bariton Till Bleckwedel bekannte voller Enthusiasmus „Ganz ohne Weiber geht die aus die Chose nicht“. Dagegen beklagte sich der kanadische Bass Campbell Vertesi, dass „die Bässe in der Oper nie die Frauen kriegen“. Um dann mit „Some enchanted evening“ zu verkünden wie es ist, wenn an einem verzauberten Abend weise Männer ihre Liebe finden.

Ob als Solisten, im Duett, Trio oder Sextett – die Zuschauer hingen an den Lippen der Interpreten. Sie honorierten gesangliche Höhepunkte wie auch Gags oder Umdichtungen wie „Spaghetti, Tortellini, Pavarotti“ mit anhaltendem Applaus und Bravorufen. Die stürmisch herbeigeklatschten Zugaben wurden unter anderem mit „Lippen schweigen, ‚s flüstern Geigen“ und dem Traditional „Auld Lang Syne“ gegeben.

Weitere Artikelbilder



X