Sichere Strichführung und geometrische Konturen

Die Schwestern Anette und Katja vor den sieben Tafeln ihres Vaters Professor Johannes Möhrle zur Architekturperspektive (v. l.). Foto: Staffel

Bad Homburg (ks). In der Englischen Kirche haben sich drei Künstler zusammengefunden, die einiges gemeinsam haben. Sie haben Architektur studiert, waren in diesem Bereich in leitenden Funktionen tätig und sind begeisterte Maler und Zeichner, die immer oder fast immer am Ort malen. Rainer Nippert, Manfred Sieber und Johannes Möhrle kommen aus einer Zeit, in der Entwürfe noch am Reißbrett entstanden sind und dem Auftraggeber so vermittelt wurden, dass dieser auf den ersten Blick erkennen konnte, wie gut das Objekt mit der Umgebung und dem sozialen Umfeld harmoniert.

Anette Möhrle-Borsutzky, die den Spuren des Vaters folgte und im Bauamt von Pfungstadt als Architektin arbeitet, bestätigte, dass ihr Vater gerade darauf besonderen Wert gelegt hätte. „Ihm war es wichtig, das Konstruktive mit dem Atmosphärischen zu verbinden“, sagte sie, und ergänzte, ihr Vater habe bedauert, dass mit dem Einzug der digitalen Welt auch die Architektur „so seelenlos“ geworden sei. Nach aktiven Jahren bei der Bundespost hat Johannes Möhrle ab 1960 Architektur-Perspektive an der Technischen Hochschule in Darmstadt gelehrt, und das Zeichnen und Aquarellieren sei seine große Leidenschaft gewesen. Sichere Strichführung und geome-trische Konturen kennzeichneten seine Architektur-Perspektiven, wie sich gut aus den sieben Tafeln zu diesem Thema ablesen lässt. In seinen Aquarellen gönnt er sich die leuchtenden Farben, die zu seinen südlichen Motiven passen. Dass er auch in Bad Homburg zu Hause war, bezeugen ein paar eindrucksvolle lokale Motive. Professor Möhrle ist 1931 in Frankfurt geboren und 2017 in Bad Homburg gestorben. Anette Möhrle-Borsutzky teilt sich die Aufsicht mit ihrer Schwester Katja, die den Spuren der Mutter, einer Ärztin, gefolgt ist und in der Landesärztekammer in Wiesbaden in den Bereichen Medien und Gesundheitspolitik engagiert ist.

Rainer Nippert gesteht, dass ihm das Zeichnen und Malen am Ort „eine hohe Konzentration abverlange“, die ihm andererseits aber auch den Freiraum verschaffe, der Hektik das Alltags zu entkommen. Auch bei ihm geht es „in der Regel“ um Architektur-Motive. Dabei kann der Maler durch geschickte Verschiebungen für ihn wichtige Elemente stärker herausheben, anderes dagegen in den Hintergrund rücken. Auch seine Farben sind kräftig und der jeweiligen Atmosphäre angepasst. Der Diplomingenieur ist 1940 1n der Niederlausitz geboren, hat in Berlin studiert und in leitenden Funktionen in München, Frankfurt und Mainz gearbeitet.

Manfred Sieber, 1934 in Berlin geboren, hat an der Bauhaus-Universität studiert und unter anderem auch als Architekt in Oberursel gearbeitet. Er verbindet die Aquarellmalerei mit der Rohrfederzeichnung, die nicht „ganz einfach zu praktizieren sei“. Er malt ausschließlich vor der Natur, arbeitet die Bilder nicht nach und setzt darauf, dass die Kompositionen einen Architekten erkennen lässt, „der als Maler viele Kenntnisse auf diesem Sektor gespeichert hat“. Manfred Sieber lebt in Kronberg und hat seiner kleinen Ausstellungsliste einen Text beigefügt, in dem er auch über die Tücken berichtet, die das Zeichnen mit Tuschefass und Rohrfeder mit sich bringt. Vor allem dann, wenn in der Eile des Aufbruchs der Deckel auf dem Tuschefass vergessen wurde und die Tusche aus dem Rucksack tropft. Verbucht unter „die Tücken des Alltags“. Sieber hat seine besondere Liebe zur Insel Hiddensee entdeckt, arbeitet „nach kurzem Erfassen einfach drauflos“ und lässt das, was nicht gelingt, in den Papierkorb wandern. Ein gutes Prinzip.

Es ist eine schöne und interessante Ausstellung, die quasi in der Retrospektive an „Tugenden“ erinnert, die heute nicht mehr gepflegt werden. Und die bestätigt, wie schön es ist, wenn auch ästhetische Kriterien zum Zuge kommen und die Farben leuchten dürfen.

!Die Ausstellung „Unterwegs“ in der Englischen Kirche an der Ferdinandstraße ist noch bis Sonntag, 9. Februar, zu sehen und jeweils eine Stunde vor Beginn der Veranstaltungen sowie am Wochenende von 11 bis 14 Uhr geöffnet.



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