Spannendes Wechselspiel zwischen Alt und Neu

Architekt Uwe Stoll erläutert in der ehemaligen PIV-Ausstellungshalle die Pläne, die auf dem 34 000 Quadratmeter großen Areal Wirklichkeit werden sollen.  Foto: fk

Bad Homburg (jas). In den frühen 1950er-Jahren war das Gelände der von Werner Reimers gegründeten Getriebefirma PIV – das heutige Unternehmen Dana – ein Vorzeige-Areal. „Es sah toll aus, alles war klar strukturiert. Hier muss es richtig gebrummt haben“, sagt Architekt Uwe Stoll. Wer das Gelände zwischen Dornbach und Dieselweg heute betrachtet, sieht ein Konglomerat aus Hallen und Bürogebäuden, der einstige Glanz ist längst verblasst. Doch das Areal, auf dem Bad Homburger Industriegeschichte geschrieben wurde, soll wiederbelebt werden. Auf 34 000 Quadratmetern entsteht dort derzeit ein moderner Industriepark.

Im heutigen Gewerbegebiet Mitte will der Bad Homburger Peter Löw mit seiner Grundstücksentwicklungs GmbH & Co. KG Visionen verwirklichen, die dem geschichtsträchtigen Standort gerecht werden. Denn: Rund um Reimers’ PIV und die Horex-Werke in unmittelbarer Nachbarschaft schlug einst das Herz der Homburger Wirtschaft. „Das Spannende an diesem Objekt ist die Geschichte der PIV, die einst in Bad Homburg größter Arbeitgeber war. Bis zu 2500 Mitarbeiter haben in der Blütezeit im Unternehmen gearbeitet“, informiert Löw, der im Mai 2020 etwa die Hälfte der PIV-Liegenschaft übernommen hat und sie nun in einen modernen Industriepark umwandeln will. Einige Gebäude bleiben erhalten, andere werden zurückgebaut, zudem werden neue Büro- und Lagerflächen entstehen. „Wir sind uns der Tradition bewusst“, sagt Löw bei Vorstellung des Projekts in der ehemaligen PIV-Messehalle. Dabei geht es nicht nur um das große Ganze, sondern auch ums Detail. Ein Beispiel dafür ist die Brunnenschale vor dem Gebäude am Eingang. „Den Brunnen haben die Mitarbeiter Werner Reimers zum 75. Geburtstag geschenkt.“ Auch er soll erhalten bleiben. Insgesamt wird es auf dem Areal sechs Mietflächen geben. Unter anderem werden voraussichtlich im Mai 2023 die Stadtwerke, die schon lange auf der Suche nach einem neuen Standort sind, von der Steinmühlstraße in Ober-Erlenbach in den Indus-triepark an der Justus-von-Liebig-Straße umsiedeln. Weitere Mieter werden der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der Hochtaunuskreis mit dem Katastrophenschutzlager sowie das Unternehmen Ellen Wille, Europas führender Anbieter von Perücken und Haarteilen aus Schwalbach, sein. Auch der vorherige Eigentümer, der weltweit renommierte Hersteller von mechanischen Getrieben Dana, mietet sich auf dem Gelände ein. Für zwei weitere Standorte gebe es Interessenten, mit Abschlüssen werde schon bald gerechnet. „Dann ist die Vermarktung abgeschlossen“, sagt Löw.

„Ich freue mich sehr, dass dieser historische Standort eine solche Aufwertung erfährt. Mit der Familie Löw sind dort Experten am Werk, die ein ausgewiesenes Händchen für die Revitalisierung historischer Bausubstanz haben“, betont Oberbürgermeister Alexander Hetjes, der von einem „echten Knaller“ spricht, der da auf den Weg gebracht wird. Die PIV stehe für ein bedeutendes Kapitel Industrie-Geschichte. Dass diese durch die Modernisierung des Areals erhalten bleibe, sei von großer Bedeutung für die Stadt.

Das Gesamtgrundstück wird nicht mehr so eng bebaut sein wie aktuell. Zukünftig wechseln sich revitalisierte Bestandsgebäude mit begrünten Gebäudekomplexen ab. Wie genau der Industriepark in unmittelbarer Nähe von Hochtaunus-Kliniken und Landratsamt aussehen soll, erläutert Architekt Uwe Stoll von HSP Architekten aus Bad Homburg, der vollauf begeistert von dem Projekt ist. „Was für ein Potenzial, eine einmalige Gelegenheit.“ Die sechs geplanten Standorte sollen alle aus einem „charaktervollen alten Gebäude und einem Neubau“ bestehen. Dabei sollen die Bestandsgebäude mit ihren Klinker-/Putzfassaden das „Rückgrat“ des Industrieparks bilden. Diese werden durch rekonstruierte Industrie-Hallengebäude mit modernen Aluminiumfassaden ergänzt. ,,Hierdurch ergibt sich ein spannendes Wechselspiel“, so Löw.

Begrünte Freiflächen mit Aufenthaltsqualität sollen den offenen, einladenden Charakter der Gesamtanlage unterstreichen. Zudem hat es sich die Löw Grundstücksentwicklungs GmbH & Co. KG zum Ziel gesetzt, 100 neue Bäume zu pflanzen. Momentan wachsen fünf Bäume auf dem Gelände.

Die rekonstruierten Dachflächen der Hallen werden so ausgelegt, dass sowohl eine Dachbegrünung als auch eine Photovoltaikanlage aufgebracht werden kann. Außerdem ist eine gemeinsame Energiezentrale vorgesehen. Löw: ,,Eine ressourcenschonende Versorgung mit Wärme und Kälte ist für alle Mieter von großem Interesse. Dies können wir im Gebäude 2, der sogenannten Härterei, anbieten.“ Die Standorte des Industrieparks werden über eine neue umlaufende Straße mit Alleecharakter erschlossen. Löw steht in engem Kontakt mit der Werner-Reimers-Stiftung, die die Planungen voll und ganz unterstützt. Nach Fertigstellung der Bau- und Sanierungsmaßnahmen ist vorgesehen, an die verbleibenden Bestandsgebäude Tafeln anzubringen, aus denen das jeweilige Baujahr sowie die ursprüngliche und jetzige Nutzung hervorgeht.

„Für den DRK-Kreisverband Hochtaunus bedeutet der Umzug von der Kaiser-Friedrich-Promenade in die neue Liegenschaft in der Justus-von-Liebig-Straße gewissermaßen die ‚Quadratur des Kreisverbands‘, nach der die Verantwortlichen schon lange gesucht haben“, sagt DRK-Kreisgeschäftsführer Axel Bangert. Geschäftsführung und Verwaltung, Kreisbereitschaftsleitung, Katastrophenschutz, Ambulante Pflege und Breitenausbildung sind derzeit noch auf drei Standorte in Bad Homburg und Friedrichsdorf verteilt. Die Zentralisierung auf das neue Domizil im Gewerbegebiet sei für das DRK nicht nur mit organisatorischen Synergieeffekten verbunden, sondern vor allem auch mit kurzen Wegen. „Für die Belange des DRK ist der neue Standort ideal“, so Bangert.

Begeistert zeigen sich auch Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak und der kaufmännische Direktor der Stadtwerke, Ralf Schroedter. „Hier ist vieles vorhanden, was gebraucht wird. Außerdem ist der Industriepark hervorragend an den Verkehr angeschlossen“, so Schroedter. 94 Mitarbeiter der Stadtwerke werden in der Justus-von-Liebig-Straße 3747 Quadratmeter Bürofläche und 1500 Quadratmeter Hallen- und Lagerräume beziehen. Darüber hinaus wird es ein Kundencenter und Wohnraum für den Bereitschaftsdienst geben. Die Kosten für den Umzug der Stadtwerke schätzen Jedynak und Schroedter auf 860 000 Euro.

Synergieeffekte erhofft man sich bei den Stadtwerken und der Stadtverwaltung durch die räumliche Zusammenlegung mit dem städtischen Fachbereich 66, Straßenbau und Stadtentwässerung, der vom Technischen Rathaus ebenfalls in den Industriepark übersiedelt. Damit beziehen die drei großen Bereiche des Stadtkonzerns, die für fast 90 Prozent der Baumaßnahmen im öffentlichen Bereich zuständig sind, ein gemeinsames Bürogebäude.

 

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