Trump oder Harris – Amerika vor der Wahl

Interessiert verfolgen die Zuhörer das vierte Unesco-Diskussionsforum der Humboldtschule zum aktuellen Thema „The Disunited States vor der Präsidentschaftswahl: Quo vadis Amerika?“. Foto Ivy Wreth

Von Ivy Anne Wreth

Bad Homburg. Mit Spannung blickt die Welt auf die bevorstehende US-Wahl im November und die beiden Kandidaten Donald Trump und Kamala Harris. Am Donnerstagabend fand das vierte Unesco-Diskussionsforum der Humboldtschule zum aktuellen Thema „The Disunited States vor der Präsidentschaftswahl: Quo vadis Amerika?“ statt.

Als Experten waren zum einen Dr. Klaus Scharioth, ein ehemaliger deutscher Botschafter in den USA, Rektor des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben sowie Professor of Practice an der Fletcher School of Law and Diplomat in Medford, Massachusetts, eingeladen. Und zum anderen Corinna Blutguth, eine Programmmanagerin beim German Marshall Fund der Vereinigten Staaten, mit den Fachgebieten deutsch-amerikanische Beziehungen, Desinformation, Außenpolitik und transatlantische Sicherheit. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Deutschen Atlantischen Gesellschaft e.V. (DAG), der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. (GSP) und in Zusammenarbeit mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) statt.

Dr. Scharioth begann mit der Feststellung, dass er in der ganzen Zeit, die er beruflich sowie privat in Amerika verbracht habe, eine solche Polarisierung, wie sie momentan herrsche, noch nicht erlebt habe. Nach seiner Beobachtung werde zum Beispiel im familiären Kontext, Politik grundsätzlich nicht mehr thematisiert, da sonst Konflikte nahezu garantiert seien. Des Weiteren war der Experte sich sicher, dass Kamala Harris am 5. November, die „popular vote“, also die Mehrheit der Wählerstimmen, bekommen werde. Jedoch liege die finale Entscheidung in den USA nicht bei den Wählern, sondern beim „electoral college“. Laut den aktuellen Statistiken, wird die Wahl wohl eine sehr knappe Entscheidung werden und es kommt vor allem auf die sieben sogenannten „Swing States“ an, bei denen noch nicht absehbar sei, ob Trump oder Harris die Mehrheit der Stimmen

erlangen wird.

Anschließend wurde die Frage diskutiert, was die beiden Kandidaten jeweils für die Wähler attraktiv macht. Laut Dr. Scharioth gebe es in den USA eine große Gruppe von Wählern, die sich einerseits vernachlässigt fühlten und andererseits das Gefühl hätten, dass ihre Interessen nicht angemessen berücksichtigt würden. Hierzu gehörten vor allem weiße Männer ohne Collegebildung. Diese stünden eindeutig hinter Trump und fühlten sich beispielsweise in seinen Sprüchen gegen die Eliten bestätigt. Eine große Rolle spiele ebenfalls seine klare Positionierung gegen Einwanderung, das Senken der Steuern für wohlhabendere Menschen und Unternehmen sowie sein Vorhaben, die Zölle anzuheben. Corinna Blutguth fügte hier hinzu, dass das Empfinden mancher Bürger, dass es ihnen, vor allem finanziell gesehen, doch gar nicht so schlecht gegangen sei, unter der Führung von Trump, ebenfalls von Bedeutung sei. Des Weiteren werde Trump häufig als ein Kandidat gesehen, der Wandel bringen könnte, während Harris von vielen eher als Fortsetzung Bidens wahrgenommen werde.

Harris hingegen könne vor allem unter den weiblichen Wählern mit ihrer Befürwortung der Abtreibung punkten. Zudem fokussiere sie sich auf Themen, wie einen höheren Mindestlohn, die Gesundheitsvorsorge und bezahlbare Mieten, die die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung beschäftigen. Außenpolitisch gesehen werde Kamala Harris denselben Kurs wie Präsident Biden einhalten, während Donald Trump sich beispielsweise klar gegen die Europäische Union sowie die NATO positionieren werde, und alles versuchen werde um diesen Organisationen zu schaden.

Blutguth argumentierte ebenfalls, dass unabhängig vom Ergebnis der Wahl, Europa sich darauf einstellen müsse, dass Amerika sich immer mehr am Isolationismus orientieren wird, was in der Konsequenz bedeutet, dass sich das Land voraussichtlich aus den Krisen der Welt zurückziehen und nicht mehr der „policeman of the world – der Polizist der Welt“ sein wird.

Auf die Frage des Moderators Dr. Torben Waschke, wie sich die amerikanische Politik in der Zukunft und mit neuen Generationen gestalten werde, erläuterte Dr. Scharioth, dass die „Make America Great Again“ Bewegung schon sehr von Donald Trumps Charisma lebe und das beispielsweise, Jimmy Vance, der ein Nachfolger von Trump sein könnte, diese Fähigkeit das Publikum in seinen Bann zu ziehen, nicht besitze.

In einem Punkt waren sich Corinna Blutguth und Dr. Scharioth einig, dass Trump aus Altersgründen bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten werde. Im Vergleich zu Hillary Clintons Strategie, sich als mögliche erste Frau im Weißen Haus darzustellen, verfolge Kamala Harris eher die Strategie, dies und die Frage nach ihrer Ethnie nicht zu thematisieren, denn laut Blutguth hatte dies bei der letzten Wahl viele Menschen eher genervt als von der Kandidatin überzeugt. Dr. Scharioth ergänzte hier, dass Harris ebenfalls versucht, einen Kontrast zu Trump darzustellen. Während Trump von „einem Land im Abstieg“ spreche und alles sehr negativ darstelle, zeichne Harris eher ein positives Bild und strebe nach einer „politics of joy“ – also nach einer „Politik der Freude“. Auf die Abschlussfrage, was die Experten als das schlimmere Szenario ansehen, einen Wahlsieg Donald Trumps oder einen Wahlsieg Kamala Harris, der aber von Trump nicht anerkannt wird, entgegnete Corinna Blutguth, dass sie hoffe, dass egal wie die Wahl ausgeht, man keine Gewalt sehen werde. Dr. Scharioth wünscht sich einen möglichst klaren Wahlsieg durch Harris und glaubt nicht, dass die amerikanische Demokratie durch mögliche Gewalt gefährdet sei.



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