Ungebeugt – Sarah Fischers Leben mit FOP

Sarah Fischer und ihr Vater Ralf sind ein gutes Team. Die Unterstützung ihrer Familie hilft der jungen Frau dabei, selbstbewusst ihren Weg zu gehen. Foto: csc

Bad Homburg (csc). Wie würden Sie reagieren, wenn sie erfahren würden, dass Sie eine schwere Krankheit haben? Verzweifeln? Resignieren? Sich zurückziehen? Die 29-jährige Sarah Fischer bekam mit sieben Jahren die Diagnose Fibrodysplasia Ossificans Progressiva kurz FOP. Es handelt sich dabei um einen sehr seltenen Gendefekt, bei dem das Binde- und Stützgewebe langsam verknöchert. Doch Sarah Fischer hat sich nicht zurückgezogen, sondern sie geht offen mit ihrer Krankheit um und spielt jetzt sogar in einem Dokumentarfilm über FOP mit dem Titel „Bis auf die Knochen“ mit. Am heutigen Donnerstagabend wird der Film um 18.30 Uhr im Kinopolis am Bahnhof vorgestellt.

Im Geben von Interviews ist Sarah Fischer, inzwischen Profi. Mit einem Interview hat auch ihre „Filmkarriere“ begonnen. 2019 absolvierte die junge Frau in einem Hotel in Wasserburg am Bodensee, in dem die Familie schon seit Jahren Stammgast ist, ein Praktikum am Empfang. Ihr Vater Ralf kam damals auf die Idee, die Lindauer Zeitung anzuschreiben. Diese berichtet über Sarah und ihren Gendefekt. „Ich habe mich mit der Reporterin gut verstanden und sie stellte mir dann etwas später ihren Freund vor“, erinnert sie sich. Das war der erste Kontakt mit dem Filmemacher Michael Scheyer. Zwei Jahre lang dauert es, unterbrochen durch die Coronapandemie, bis die Dokumentation schließlich fertig ist. Sie erzählt Sarahs Leben mit der Erkrankung und begleitet sie zu wichtigen Stationen, zum Beispiel ihrem Facharzt in Garmisch-Partenkirchen, zu ihrer Firma in Aschaffenburg oder eben ins Hotel in Wasserburg.

Ein beeindruckender Lebenslauf, doch kein Weg ohne Stolpersteine und Hürden. Sie kennt die bohrenden Blicke, die man spürt, auch wenn sie selten offen, sondern meistens hinter dem eigenen Rücken stattfinden. „Ich bin es gewohnt“, sagt sie fast stoisch. Sie habe sich angewöhnt, die Gesichter ihrer Mitmenschen zu lesen. Sind es bewundernde Blicke? „Oft, aber nicht immer. Manche gaffen auch bloß“, erzählt sie. Das sind die, die wehtun können. Die 29-Jährige weiß aber auch, dass viele sich überfordert und verunsichert fühlen, wenn sie mit ihr und ihrem Rollstuhl konfrontiert sind. „Aber wenn ich dann aktiv auf den ein oder anderen zugehe, dann ergeben sich oft nette Gespräche“, erzählt sie. Wie viel Kraft sie das manchmal kosten mag, das behält sie für sich. „Wenn Kinder schauen, dann winke ich einfach“, verrät sie und lächelt dabei.

Ihr Vater, Ralf Fischer, sitzt während des Interviews an ihrer Seite, hat gemeinsam mit seiner Frau die Höhen und Tiefen in Sarahs bisherigem Leben begleitet. Er weiß, wie es ist, als Angehöriger 500 Kilometer einfache Strecke zurücklegen zu müssen, nur um einen Facharztbesuch machen zu können – denn FOP hat statistisch gesehen nur ein Mensch von einer Million. In ganz Deutschland müsste es demnach circa 100 Personen mit dieser Krankheit geben. „Da FOP aber individuell verläuft, mag es sogar einige Betroffene geben, die gar nicht wissen, dass sie die Krankheit haben“, vermutet er. Seit 2014 ist Ralf Fischer der Vorsitzende des Fördervereins FOP Germany. Er weiß auch, wie es ist, trotz Rollstuhl nicht überall hinzukommen. „Man könnte sich im Alltag über Vieles ärgern“, sagt er. „Aber das bringt nichts. Diese Kurve muss jeder für sich selbst kriegen.“

Als die kleine Sarah 1996 zur Welt kommt, scheint alles okay zu sein. Auffällig ist nur, dass sie verkrümmte und verkürzte Großzehen hat. Sie wächst in Griesheim auf, wird dort eingeschult, alles läuft normal, bis die damals Siebenjährige eines Morgens mit Schwellungen am Rücken aufwacht. Ein Arzt vermutet eventuell Krebs, eine Gewebeprobe am Hals wird entnommen, doch die ist zum Glück negativ. Sarah erhält Medikamente, bekommt wenig später, aber epileptische Anfälle. Bis ihr Opa eines Tages von einem Arbeitskollegen eine Stern-Reportage in die Hand gedrückt bekommt, in der ein FOP-Betroffener von seinem Leben mit der Krankheit berichtet. Sofort gehen bei der Familie die Alarmglocken an – es gibt Parallelen. „Wir sind dann mit unserem Verdacht wieder zum Arzt. Zuerst hieß es, das könne es nicht sein“, erinnert sich der 64-Jährige. Doch eine Blutanalyse liefert schließlich Gewissheit. Sechs quälende Monate seit den ersten Symptomen waren inzwischen vergangen. „Nicht zu wissen, womit wir es hier zu tun hatten, war eigentlich das Schlimmste“, sagt Ralf Fischer rückblickend.

Seit 2011 ist Sarah auf einen Rollstuhl angewiesen, doch jedes Stück Autonomie verteidigt sie wie eine Löwin. Immer mittwochs fährt ihr Vater sie zu ihrer Arbeitsstelle nach Aschaffenburg. Die junge Frau arbeitet dort als Software-Testerin, und Mittwoch ist immer Teambesprechung, und da will sie unbedingt dabei sein. An allen anderen Tagen ist sie im Home-Office. „Ich sitze im Auto zwar leicht erhöht, wegen meiner Beine, aber in einem ganz normalen Sitz und das mache ich, solange es geht“, sagt sie energisch.

!Der einstündige Film „Bis auf die Knochen“ läuft am Donnerstag, 3. April, um 18.30 Uhr im Kinopolis Bad Homburg. Karten für die Vorstellung sind über die Webseite des Kinos verfügbar. Wer mit dem Förderverein für FOP Germany in Kontakt treten möchte, kann sich per E-Mail an info[at]fop-ev[dot]de wenden.



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