Viel Beifall für klangliche Leistung und Engagement

Bad Homburg (ks). Kantorin Susanne Rohn „geht gerne auf Schatzsuche“ und entdeckt dabei auch für ihre Sängerinnen und Sänger immer wieder unbekannte Kleinode, mit denen sie die Chormitglieder und nicht zuletzt auch die Zuhörer in der Erlöserkirche überraschen und erfreuen kann. Beim ersten Konzert unter Corona-Bedingungen war zwar alles ein bisschen anders und ungewohnt, aber alle Beteiligten waren froh, dass es überhaupt wieder weitergegangen ist und „Frau Musika“ mit heiteren und ernsten Weisen triumphieren und ein paar ihrer „unerschöpflichen Schätze der Musik“ preisgeben konnte.

Im Augenblick haben nur jeweils zehn Mitglieder des Kammerchors im Altarraum Platz. Deshalb wurden die Werke in verschiedenen „Formationen“ vorgetragen, was den musikalischen Hörgenuss nicht geschmälert hat. Das dankbare Publikum, gut im Kirchenschiff verteilt, würdigte mit seinem Beifall neben der wieder eindrucksvollen klanglichen Leistung und Homogenität auch das musikalische Engagement des Chors und seiner Leiterin Susanne Rohn, die auch am Flügel und an den Orgeln präsent war. Gemeinsam haben sie den erschwerten Bedingungen getrotzt und den Kirchenraum wieder zum Klingen gebracht.

Das Programm war zum Gedenken an den 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin mit einer Huldigung an den Dichter verknüpft, dessen Leben in der evangelischen Theologie zwar verankert war, der er jedoch nicht dienen wollte. Er war der griechischen Antike zugetan, denn er sah darin noch die naturhafte Einheit mit den göttlichen Mächten, der eine Spaltung von Natur und Geist mit ihren Folgen fremd war. Ihr konnte er vor allem in seiner Dichtung huldigen.

Diese „Mischung“ aus christlichem Gedankengut und Zeugnissen von Hölderlins Dichtkunst passte gut zu diesem vierten Konzert in der Reihe „Klassische Moderne“, das mit vier Slowakischen Volksliedern von Béla Bartok begann. Mit Hochzeitslied, Erntelied und Tanzliedern wird vom dörflichen Leben der Menschen erzählt, das neben der schweren Arbeit auch Raum für Freude und Vergnügen lässt. Das hat der Komponist und mit ihm der Chor gut zumAusdruck gebracht. Eine interessante Variante war Carl Orffs Stück für Sprechchor aus seinem Werk „Die Jahreszeiten“, dem sich „Sieben Hölderlinchöre“ von Harald Genzmer anschlossen, auch sie dem Rhythmus des Lebens mit seinen Höhen und Tiefen und dem der Tage und Jahre bis zum „Sonnenuntergang gewidmet. Da durfte auch das Gedicht „Hälfte des Lebens“ nicht fehlen, das die Düsterkeit des Abschieds vorausnimmt, wenn der Mensch alt und es „Winter geworden ist“. Variiert auch im Gedicht „Sonnenuntergang“, das an den „Sonnenjüngling“ gerichtet ist. Eben noch hat er „ auf der Leier gespielt“, doch dann ist er „zu den fremden Völkern hinwegegangen, die ihn noch ehren“.

Mit Cole Porters „Let’s do it“ endete der erste Teil, dessen Pause Susanne Rohn mit zwei Werken eindrucksvoll ausfüllte. An der Sauer-Orgel erklangen das „Ave Maria“ und das „Te deum“ von Jean Langlais (1907-1991) und an der Woehl-Orgel ein Werk von Helmut Walcha (1907-1991) auf den Text „Ich rufe zu dir, Herr Jesu Christ“. Mit einer jubelden Hommage an „Frau Musika“ von Heinrich Kaminski meldete sich der Chor zurück, ehe es mit den Psalmen 121 und 23 aus Herbert Howells „Requiem“ aus dem Jahr 1935 weiterging. Der 23. Psalm ist evangelischen Christen gut vertraut, in dem es am Anfang heißt „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln ...“. Die Fortsetzung mit drei weiteren Werken zu Hölderlin-Gedichten relativierte den Optimismus dieses Psalms mit „Hyperions Schicksalslied“, in dem Hölderlin von der Ruhelosigkeit spricht, der die „leidenden Menschen“ ausgesetzt sind: „Wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen, Jahre lang ins Ungeswisse hinab.“

Erlösung brachte dem Dichter nur die Liebe von Diotima, in dem Gedicht „Am Abend“ festgehalten. Sie ist die „Himmelsbotin“, die ihn „staunend und dankend empor zum goldenen Tag“ blicken ließ. Mit Paul McCartneys „Yesterday“ wurde noch einmal die Vergangenheit beschworen, denn in diesem Popsong trauert ein Liebender dem „Gestern“ nach, weil seine Liebste ihn verlassen hat. Warum? Das weiß er nicht. Es war ein außergewöhnliches Konzert, das die schwierigen und verschlungenen Wege der Menschen zwischen Erde und Himmel mit einer „stimmigen“ Kombination aus Chormusik und Texten eindrucksvoll nachgezeichnet hat. Der Beifall war wie immer lang und herzlich.



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