Im Dorfladen ein Stück Leben miteinander teilen

Ein freundlicher Ort zum Einkaufen und Plaudern: Der Oberhof Dorfladen im Torbogen der Domäne Oberhof in Ober-Erlenbach bietet alles Notwendige für den täglichen Bedarf und vor allem frische regionale Lebensmittel. Die ersten Kunden sind begeistert. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Knackiger Eichblattsalat, Dinkelbrötchen und Sauerrahm: Zufrieden schaut die Erlenbacher Ortsbeirätin Ingelore Kausen in ihren Einkaufskorb. „Wunderbar! Es macht richtig Spaß, in diesem tollen Laden frische Ware einzukaufen!“ Dass es an diesem sonnigen Morgen im Innenhof der Domäne Oberhof an der Burgholzhäuser Straße in Ober-Erlenbach auch noch frisch gebrühten Kaffee, selbstgebackenen Kuchen und jede Menge leckere Bratwürstchen von Selbsterzeugern gibt, zieht viele Ortsansässige dorthin. Stadtprominenz und Vertreter der Kirche sind auch gekommen, um zu reden, zu loben und einzukaufen: Denn die Evangelische Diakonie Hochtaunus eröffnet gemeinsam mit ihrer im Oberhof ansässigen Tagesstätte den „Oberhof Dorfladen“. Und schließt mit dem neuen attraktiven Einkaufs-Angebot eine Lücke – regionale Produkte und ein Café zum Klönen sollen den Dorfladen in Zukunft zu einem Treffpunkt für die Bürger Ober-Erlenbachs machen und darüber hinaus auch weitere Kunden anziehen.

Dass sich im Oberhof Dorfladen nun unterschiedlichste haupt- und ehrenamtliche Akteure für ihren Ort engagieren und vor allem die Menschen mit seelischen Behinderungen und psychischen Erkrankungen der seit 2021 in der ehemaligen hessischen Staatsdomäne ansässigen Tagesstätte der Diakonie hier in Zukunft sinnvolle Beschäftigung finden, ist für Dekan Michael Tönges-Braungart ein großer Gewinn für die Ortsgemeinschaft: „Möge der schöne und einladende Dorfladen ein Treffpunkt und Begegnungsort werden, in dem uns nicht nur ein gutes Angebot regionaler Lebensmittel erfreut. Ein Dorfladen ist ein Mittelpunkt, wo Menschen ein Stück Leben miteinander teilen, wo es auch wichtige Lebensmittel gibt, die man nicht mit Euro bezahlen kann: ein offenes Ohr unter Nachbarn und Freunden, das Gefühl willkommen zu sein, sich engagieren zu können“, sagte der Dekan des Evangelischen Dekanats bei der Eröffnungsfeier. Oberbürgermeister Alexander Hetjes bezeichnete das Engagement der Diakonie und der vielen Helfer als „aller Ehren wert“. Ober-Erlenbach wachse mit zwei neuen großen Wohngebieten kräftig. Mit dem Dorfladen werde nun Nachhaltigkeit und regionale Versorgung und ein Umdenken in Sachen Lebensmittel-Herkunft gefördert und verbinde sich mit einem Beschäftigungsangebot für die Klienten der Tagesstätte, die so wieder ins Arbeitsleben hineinfinden könnten, so Hetjes. Den Einsatz auch vieler Ehrenamtlicher aus evangelischer und katholischer Kirchengemeinde und anderer Ortsansässiger für den neuen Laden lobte Hetjes ausdrücklich.

Das Projekt Dorfladen stiftet Gemeinschaft in jeder Richtung, das wurde schon am ersten Öffnungstag deutlich: „Eine Bekannte hat mich darauf aufmerksam gemacht, und dann sind wir gleich mal zusammen nach Ober-Erlenbach gefahren, um einzukaufen“, erzählt die Gonzenheimerin Erika Steingräber. In ihrem Korb liegen ein Glas Honig und frische Bio-Eier. Eine andere Kundin hat veganen Brotaufstrich gekauft: „Dafür müsste ich sonst bis zum Hofladen nach Bad Vilbel fahren.“ In den hellen Holzregalen des 75 Qua-dratmeter großen Oberhof Dorfladens stapeln sich Bio- und regionale Lebensmittel wie selbst geröstete Kaffeesorten einer anderen Tagesstätte aus Frankfurt, Linsen und Reis aller Art, Nudel- und Mehlsorten, Bio-Presskopf in Gläsern und Brotaufstriche.

Christiane Baumann, seit 45 Jahren Ober-Erlenbacherin und von der evangelischen Kirchengemeinde, klebt gerade noch Preisschilder auf die aktuelle Lieferung: Im Kühlregal liegen regionale Bratwurst und Bio-Fleisch, Handkäse und Milch bereit, es gibt Tiefkühl-Pizza und Eis. Eine weitere ehrenamtliche Helferin geht am Regal für Hygiene- und Reinigungsartikel entlang, rückt die Flaschen Taunusquellwasser von der Haderheck-Quelle in Königstein und die Grillkohle zurecht und den Korb mit selbstgehäkelten Brotkörbchen und Einkaufsnetzen neben dem großen Frühlingsstrauß auf dem Tisch. Die ersten Kunden werden bedient. Bereits Im Jahr 2018, drei Jahre vor dem Umzug der Bad Homburger Tagesstätte der Diakonie von Kirdorf in den Oberhof, hatte Diakonie-Leiterin Stefanie Limberg gemeinsam mit den Fachkräften der Tagesstätte und dann auch mit Rückendeckung des Landeswohlfahrtsverbands Hessen nach dem Richtfest für den Um- und Ausbau der aus dem 19. Jahrhundert stammenden Hofreite durch die private Genossenschaft Oberhof mutig Räume dort reservieren lassen mit der Vision: Hier soll auch ein Laden mit Bio-Lebensmitteln und regionalen Produkten von Landwirten aus der Umgebung entstehen, organisiert von der Tagesstätte.

Sozialpädagoge Stefan Erb, Bereichsleiter der Tagesstätte für Menschen mit seelischen und psychischen Behinderungen und nun auch für den Betrieb des Ladens zuständig, betont das Ziel der Inklusion eines solchen Projekts: „Jeder Mensch ist so, wie er ist, dabei. Unsere Klienten sortieren Ware im Laden, verkaufen und betreiben eine kleine Kaffee-Theke – jeder nach seinen Möglichkeiten. Und, ganz wichtig: Der Dorfladen soll auch Gewinn erzielen.“ Damit die täglichen Öffnungszeiten eingehalten werden können, unterstützen nicht nur viele Ober-Erlenbacher ehrenamtlich; die Diakonie Hochtaunus hat auch hauptamtliche Kräfte mit an Bord. Nadine Rexterrod erledigt gemeinsam mit Manfred Geis alles Kaufmännische und die Bestellungen bei Landwirten, Betrieben und beim Bio-Bäcker. Bei ihnen und dem Sozialpädagogen Erb laufen die Fäden der Organisation zusammen. „Wir wollen ein Dorfladen sein, wo man auch die Dinge bekommt, die man dringend braucht“, sagt Nadine Rexterrod, während sie frisches Brot über die Ladentheke gibt, den Ständer mit Zeitungen zurechtrückt und guckt, ob noch genug Kartoffeln im Korb vor dem Laden liegen. Dass die ehemalige Staatsdomäne Oberhof, die die Stadt Bad Homburg 2012 dem Land Hessen abgekauft und der Genossenschaft „Unser Oberhof“ in Erbpacht überlassen hatte, ein richtiger In-Treff für alteingesessene Erlebächer und Zugezogene und auch für die ganze Region werden kann, liegt nicht nur an dem urigen Ambiente des denkmalgeschützten Vierseit-Hofes, der schon vor dem Zweiten Weltkrieg „ein großer Landwirtschaftsbetrieb mit Hofladen in der Ortsmitte war, mit sechs Pferdegespannen auf dem Hof, 60 Kühen, Schweinen und einem Misthaufen in der Mitte“, wie sich bei der Eröffnung ein betagter Ober-Erlenbacher beim Würstchenessen mit Nachbarn im Hof sitzend erinnert. Mittlerweile sind ein Friseurgeschäft, das Jugendzentrum Ober-Erlenbach, eine Dependance der VHS und der Stadtbibliothek hier eingezogen, die Wohnungen des Mehrgenerationen-Wohnens sind belegt, und weitere Angebote sollen nach Auskunft der für Konzept und Ausbau zuständigen Architektin Antje Riedl folgen.

„Das eher magere Einkaufs-Angebot in unserem wachsenden Stadtteil wird durch den Dorfladen sehr bereichert“, sagte Ortsvorsteher Martin Burk. Dass es bisher zu wenige öffentliche Parkplätze am Oberhof gibt und dies besonders für ältere Bürger und Besucher des Oberhofs problematisch sein kann – diese Kritik an der Stadtplanung äußerten nicht wenige „Ur-Erlebächer“, die zur Eröffnung des Dorfladens gekommen waren. „Und einen Arzt wünschen wir uns hier auch wieder! Aber sonst ist die Domäne Oberhof nach so vielen Jahren Vernachlässigung nun ein sehr positiver Ort.“

!Der Oberhof Dorfladen des Diakonischen Werks Hochtaunus, Domäne Oberhof an der Burgholzhäuser Straße 2c in Ober-Erlenbach, ist montags von 12.30 bis 16.30 Uhr geöffnet, dienstags bis freitags von 8.30 bis 16.30 Uhr und samstags von 8 bis 12 Uhr. Das Café bietet täglich frische Backwaren, Kuchen und Getränke.

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