Mächtiger Bau mit starkem Innenleben – Augustinum in Neuenhain feiert fünfzigsten Geburtstag

Ein Geburtstagsständchen der besonderen Art: Mitglieder des Opernchores des hessischen Staatstheaters Wiesbaden sangen „What a wonderful world“.Fotos: Esther Schaller

Bad Soden (es) – Mit einem feierlichen, fröhlichen und abwechslungsreichen Festakt im Theatersaal des Hauses beging das Augustinum mit seinen Mitarbeitern und Bewohnern sein 50-jähriges Jubiläum.

Das Erbe des Gründers Georg Rückert

Das Augustinum liegt in der Georg-Rückert-Straße in Bad Soden-Neuenhain. Der Name dieser Straße geht zurück auf Georg Rückert, einen evangelischen Pfarrer. Er ist der Gründervater des Augustinums. Vor 70 Jahren begann er – zunächst in München –, seinen diakonischen Auftrag umzusetzen: Räume zu schaffen für Menschen ohne ein sicheres Zuhause. Zu Anfang für Jugendliche, im Weiteren entwickelte er das Konzept des „Wohnstifts“. Er wollte damit Menschen, die ihren Lebensabend oftmals in Altenheimen in einer unpersönlichen, weitgehend ihrer Selbständigkeit beraubten Umgebung verbrachten, ermöglichen, selbstbestimmt in Appartements zu leben und zuletzt dort in ihrem eigenen, persönlich gestalteten Umfeld auch betreut zu werden. Den täglichen Bedürfnissen sollten Lebensmittelläden, Friseurstudios, Bankfilialen, Arztpraxen und Cafés entsprechen. Dieses Umfeld wurde außerdem von einem breiten Angebot an kulturellen und sportlichen oder touristischen Veranstaltungen begleitet.

Es begann mit „Sturm im Wasserglas“

1962 wurde das erste Wohnstift Augustinum mit diesem Konzept in München eröffnet. Es folgten weitere 22 Häuser an den unterschiedlichsten Standorten im Westen Deutschlands.

Bürgermeister Frank Blasch gab in seinem kurzweiligen Grußwort einen Rückblick auf die Zeit der Bauplanung in Neuenhain. Man fand einen Standort auf bis dahin unerschlossenen Obstplantagen von Neuenhainer Bürgern. Das führte erst einmal zu einem „Sturm im Wasserglas“. Ein eingerahmter regionaler Zeitungsartikel vom 13. Mai 1974 – als Geschenk der Stadt von Blasch überreicht – zeugt davon, wie schwierig es war, die Neuenhainer Bürger zum Verkauf ihrer Parzellen zu bewegen. Dem damaligen Bürgermeister Müller gelang die Überzeugungsarbeit mit den Aussichten auf finanziellen Gewinn durch die weitere Baulanderschließung in diesem Gebiet. Mit der Bemerkung „Wer heute in diesem Teil Neuenhains unterwegs ist sieht, dass es gewirkt hat“ erheiterte Blasch das Publikum.

Der Bürgermeister betonte, welch sichtbarer Gewinn durch den Bau zwischen Gemeinde und Augustinum erwachsen ist. Nicht nur das kulturelle Angebot ist offen für die Bürger der Stadt, sondern auch die Einrichtungen der Gesundheitspflege. Das Augustinum sei ein stetiger Arbeitgeber für Ortsansässige.

Was das Konzept auszeichnet

Auf das gute Miteinander zwischen Bewohnern und Personal verwies Peter Hannig, Beiratsvorsitzender des Hauses. Der hohe Qualitätsstandard habe nicht zur Folge, dass Distanz aufgebaut werde, sondern stets das persönliche Wohl in der Gemeinschaft gepflegt und unterstützt werde. Sein Dank galt besonders der Leitung und dem Personal, das Beständigkeit zeige. Das Motto 2023 „Miteinander“ bedeute auch: „Wir werden miteinander alt!“

Jedes Grußwort beleuchtete einen anderen Aspekt der Einrichtung Wohnstift Augustinum. So erfuhr man vom Vorsitzenden der Geschäftsführung in München, Joachim Gengenbach, viel über das damalige Bauvorhaben. 41.000 Quadratmeter Grund mussten von den Bürgern Neuenhains erworben und 135 Auflagen der Stadt zum Bau berücksichtigt werden. Die Bauplanung begann 1964. Im Jahr 1971 erfolgte die Grundsteinlegung. Vor Ort wurde eine Geschäftsstelle zur Werbung älterer Bürger eingerichtet. 1973 zog der erste Bewohner ein, noch vor der Eröffnung am 24. Mai 1974. Inzwischen wird das Haus von fast 400 älteren Menschen bewohnt. Die Warteliste ist lang, das Wohnstift Augustinum Neuenhain ist ein Erfolgsmodell.

Die stete Weiterentwicklung und Bautätigkeiten der Augustinum-Stiftung zeugt bis heute von dem großen unternehmerischen Mut und der Zuversicht des Gründers – Renovierungen ja, aber keine Veränderung des Konzepts. Es zeichnet sich durch individuelles Wohnen in Gemeinschaft, Kulturgenuss im Hause, Sinnerfüllung bis zuletzt durch die Herausforderung des Mitgestaltens und spirituelle Heimat durch die Begleitung der Kirchen vor Ort aus.

Das Nashorn als Symbol für Furchtlosigkeit und Unbeirrbarkeit ziert als Bronzefigur alle Eingänge der Häuser. Und in jedem Haus liest man – kraftvoll gestaltet – an einer Wand die 1.200 Jahre alte Regieanweisung der Bekenntnisse des Augustinus für ein gelingendes Miteinander.

In der Moderne angekommen

Marcus Reuter, seit 18 Jahren Direktor des Hauses, sprach von der Unbeirrbarkeit, sich auch den heutigen Gegebenheiten der Moderne zu stellen. Hatte vor Jahren kaum jemand ein Handy, so befindet sich heute in allen Wohnungen ein Glasfaseranschluss. Das Kulturangebot hat sich bis hin zum angesagten Open-Air-Kino im Garten ausgeweitet. Gab es früher die „Bedienungsmentalität“, so legt man heute Wert darauf, dass sich die Bewohner vernetzen und aktiv das Kulturangebot mitgestalten. Das neue Kulturjahresmotto „Umbrüche“ wird die Themen fortschreitende Digitalisierung, Erhalt der Gesundheit, Nachhaltigkeit im Umweltschutz, grenzenlose Mobilität in einer globalisieren Welt behandeln.

Der Festakt wurde durch das kurzweilige musikalische Programm der Mitglieder des Opernchores des hessischen Staatstheaters Wiesbaden umrahmt. Es erklangen Lieder der 20er-Jahre, getanzte Musik aus Operette und sehr passend zum Ausklang „You’ll never walk alone“ sowie „What a wonderful world“.

Mit einem Festessen für Gäste und Bewohner und im Anschluss einem ökumenischen Gottesdienst klang der gelungene Jubiläumstag aus.

So sieht das Wohnstift Augustinum heute aus. Es wurde im Jahr 1974 eröffnet. Das wurde jetzt mit einem Festakt begangen.Foto: Tocha

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