Gedenken und Erinnern am 9. November

Main-Taunus (mtk). Die Stadt Hofheim und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Main-Taunus-Kreis hatten sich angesichts der Corona-Situation auf eine kleine Gedenkfeier verständigt, um an den 9. November 1938 und die Juden, die verfolgt und ermordet wurden, zu erinnern.

Bürgermeister Christian Vogt, Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler, Pfarrerin Daniela von Schoeler, Joachim Janz, Pfr. i.R. Willi Schelwies, Günter Pabst und Chasan Daniel Kempin sollten die Gedenkfeier an der ehemaligen Synagoge gestalten.

Für alle überraschend fanden sich über 40 Personen ein, unter ihnen die ehemalige Bürgermeisterin Gisela Stang, der Kreistagsvorsitzende Wolfgang Männer, die Kreistagsabgeordnete Beate Graf und Stadtrat Bernhard Köppler. Und auch manche Passanten blieben stehen. Alle – auf Abstand achtend und mit Maske versehen – verfolgten die Gedenkfeier, die traditionsgemäß mit den Glocken der katholischen Pfarrkirche St. Peter und Paul und der evangelischen Johanneskirche eingeläutet wurde und gaben der Feier den würdevollen Rahmen. Ein Video der Feier ist auf der Startseite der Homepage main-taunus.deutscher-koordinierungsrat.de/gcjz-main-taunus zu finden.

Pfarrer i.R. Willi Schelwies, evangelischer Vorsitzender der CJZ, beantwortete die Frage, die von vielen in unserer Gesellschaft immer wieder aufgeworfen wird. „Warum dieses Erinnern und Gedenken? Muss denn immer noch und immer wieder von damals die Rede sein? Viele fragen so. Wie also damit umgehen? Einfach nicht mehr daran denken?

Vergangenheit vergangen sein lassen und zur Tagesordnung übergehen? Wir leben nicht aus dem Augenblick, wir tragen unsere Geschichte mit uns herum. Und wir gehören zur Täterseite und nicht auf die Seite der Opfer. Darum müssen wir uns der Geschichte stellen, eine Kultur der Erinnerung entwickeln, die die Vergangenheit nicht verdrängt. „Es kann geschehen – überall“, hat einst der Auschwitz-Überlebende Primo Levi geschrieben. Es kann geschehen, überall, auch wieder bei uns.“

89 Frauen, Männer und Kinder

Bürgermeister Christian Vogt erinnerte an die „89 Frauen, Männer und Kindern, die in unserer Stadt wegen ihres jüdischen Glaubens offen verfolgt wurden, die ihre Heimat und ihr Leben verloren haben.“ „Wir alle sind gefordert, dem Antisemitismus entschieden entgegenzutreten und dürfen nicht wegschauen. Wir sind es, die für Menschenrechte und Demokratie in unserer Stadt eintreten müssen. Wir müssen dafür sorgen, dass Frauen, Männer und Kinder jüdischen Glaubens heute und in Zukunft sicher in unserer Stadt und unserem Land leben und sich zuhause fühlen können.“

Stadtverordnetenvorsteher Andreas Hegeler betonte, dass „eine generelle Absage des Gedenkens, wie an manchen Orten geschehen, das falsche Signal ist, denn das Gedenken an die Gräueltaten vor 82 Jahren ist trotz des Virus eine hohe Verpflichtung, die uns alle betrifft.“ Er zitierte aus der „Stuttgarter Schulderklärung der evanglischen Kirche vom Oktober 1945“ und stellte den Bezug zu heute her „wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“

Joachim Janz erinnerte an das Schicksal der Familie Oppenheimer und Pfarrerin Daniela von Schoeler holte mit den Straßennamen in unmittelbarer Nähe der früheren Synagoge die Menschen jüdischen Glaubens in unsere Mitte. Sie lebten, geachtet bis zum Wirken der Nationalsozialisten, neben uns und mussten erfahren, dass sie zunehmend entrechtet, verfolgt und schließlich in die Konzentra- tionslager deportiert wurden – denunziert von früheren Nachbarn.

Chasan Daniel Kempin von der liberalen jüdischen Gemeinde Frankfurt und Mitglied der CJZ betete auf Deutsch und hebräisch für die Opfer der Shoa das El Male Rachamim (G“tt voller Erbarmen).

Günter Pabst, CJZ Vorstandsmitglied, legte vor der Gedenktafel ein Blumengebinde mit den Schleifen „ZACHOR“ – ERINNERE DICH!“ nieder. Zum Abschluss hatten alle Besucher, die Gelegenheit eine Kerze anzuzünden.

Es ist eine lange Tradition, dass der Leistungskurs der Main-Taunus-Schule die musikalische Umrahmung der Gedenkfeier übernimmt. In diesem Jahr musste dies corona bedingt leider ausfallen. Das hielt die Schüler des Leistungskurses nicht davon ab, am nächsten Tag mit ihrer Lehrerin, Studienleiterin Stephanie Lill, der Opfer der Reichspo- gromnacht zu gedenken.

Die musikalische Umrahmung der Gedenkfeier musste dieses Jahr leider ausfallen. Das hielt die Schüler des Leistungskurses der Main-Taunus-Schule nicht davon ab, am nächsten Tag der Opfer der Reichspogromnacht zu gedenken.Foto: MTS

Günter Pabst, CJZ Vorstandsmitglied, legte vor der Gedenktafel ein Blumengebinde mit den Schleifen „ZACHOR“ – ERINNERE DICH!“ nieder.Foto: Günter Pabst

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