Vom Apfelregen ins Bällebad

Stolze „Apfelhelden“ präsentieren die von ihnen gesammelten Äpfel. Foto: privat

Friedrichsdorf (fw). Die Rüttelstange setzt an, erst ein leichtes Vibrieren, dann verpasst Volker Georg von der Arbeitsgruppe Streuobstwiesen dem Ast einen heftigen Stoß. Es regnet Äpfel. Sicherlich einige Hundert. Es sind kleine, tiefrote, knackige Äpfel. Den Kindern steht der Mund offen. Aber nur einen Moment. Dann stürzen sie los, füllen ihre Eimer und entladen sie auf einem Anhänger. Viele sind echte Profis. Denn normalerweise kennen sie das Prozedere vom Friedrichsdorfer Apfeltag.

Seit 2002 strömen bis zu 30 Klassen aller Grundschulen auf die Streuobstwiesen und sammeln, was ihre Eimer hergeben. Allerdings macht diesmal der Virus der Aktion einen Strich durch die Rechnung. Dennoch sind an zwei Wochenenden Familien von Kindern aus dem Waldkindergarten und dem Nabu sowie Mitglieder der Streuobstwiesen-AG auf eine Streuobstwiese am Bornberg zum Ernten gekommen. „Unser Rekord waren mal 23 Tonnen, normal sind es etwa zehn, diesmal werden es vielleicht drei“, rechnet Förster Hans-Jörg Sommer vor. „Die Schüler fehlen uns natürlich“, sagt Sommer. Aber nicht nur, weil die Kinder fleißige Sammler sind, sondern weil die AG Streuobstwiesen es als ihre Aufgabe sieht, das Wissen um die Streuobstwiesen an die jüngere Generation weiterzugeben. Viele Streuobstwiesen sind im Besitz von älteren Friedrichsdorfern. Sie können sich nicht mehr um die Naturschätze kümmern. „Hier gibt es noch viele, aber in Deutschland ist dieser Landschaftstypus eher selten“, erklärt Uwe Stubbe vom Nabu: „Zudem sind es Horte für seltene Pflanzen, Rückzugsorte für brütende Vögel und Heimat für eine Vielzahl von Insekten.“

Kein Baum hier werde gespritzt, kein Unkrautvernichter ausgebracht, versichert Sommer, „‚Schutz durch Nutzung“ ist das Konzept. Die Wiesen werden für die Viehhaltung verpachtet, in den ersten zehn Jahren erfolgt ein Erziehungsschnitt damit die Krone breit und der Ertrag hoch ist, und wir kümmern uns um Neupflanzungen.“ Doch trotz des großen Engagements ist der Klimawandel stärker: Viel zu trockene Sommer und Stürme setzen den Apfelbäumen zu. „Wenn sich nichts ändert, werden wir Streuobstwiesen nur punktuell erhalten können.“ Sommer kennt das Problem in einer noch größeren Dimension, denn hauptberuflich arbeitet er bei Hessen Forst.

Die Schar der Kinder nähert sich dem Apfel auf ihre Weise: Sie vergleichen Größe und Formen, Festigkeit und Geschmack. Letzterer changiert zwischen „zusammengekniffener Mund“, „genüssliches Schmatzen“ und „verächtlichem Ausspucken“. Und dann ist da noch der Stolz, als sie es tatsächlich schaffen, binnen zwei Stunden einen ganzen Anhänger mit Äpfeln zu befüllen. „Sieht aus wie ein Bällebad“, sagt ein Junge, der ganz bestimmt mal Streuobstwiesengroßgrundbesitzer werden will.



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