Eine Hugenottenrose ziert die Landgrafen-Pflastersteine

Friedrichsdorf (fch). Einen kurzen Blick auf die Geschichte der 1687 durch Hugenotten gegründeten Stadt Friedrichsdorf warfen 60 Bürger im Rahmen einer besonderen Stadtführung. Deren Titel lautete „Der Landgraf zieht um“. Auf ihre Zeitreise in die Vergangenheit mitgenommen wurden die Bürger von „Pfarrer“ Manfred Fels und „Hugenottin“ Karin Halfmann. Der Weg der Gruppe führte vom Rathaus zum Philipp-Reis-Museum an der evangelischen Kirche, dem früheren „temple“ vorbei zum Landgrafenplatz. Hier hat die Säule aus Lahnmarmor mit der gusseisernen Büste von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Homburg einen neuen und schönen Standplatz erhalten.

Zwar steht das Wahrzeichen noch mitten in einer Baustelle, doch die Neugestaltung des Landgrafenplatzes macht Fortschritte. Interessantes aus der 332-jährigen Geschichte der vom Landgrafen gegründeten Stadt und ihrer Menschen wussten die Stadtführer zu berichten. Das hugenottische Erbe dokumentiert sich in der wirtschaftlichen Entwicklung und baulichen Substanz. Auf dem Stadtrundgang zeigten die Führer architektonische Sehenswürdigkeiten. Zu den berühmten Persönlichkeiten der Stadt gehörte Philipp Reis, der Erfinder des Telefons.

Philipp Reis kam als Zehnjähriger nach Friedrichsdorf. Er besuchte erst als Schüler und ab 1858 als Physiklehrer das Institut Garnier. Mit Ehefrau Margarethe bewohnte er das heutige nach ihm benannte Haus in der Hugenottenstraße. Seine Forschungen zum Thema, ob Tonsprache in die Ferne übertragbar sei, wurden 1861 vom Erfolg gekrönt. Und er stellte das erste brauchbare Telefon der Öffentlichkeit vor.

Der Landgraf gewährte den französischen Glaubensflüchtlingen eine Reihe von Privilegien. Sie durften außer ihrer französischen Sprache auch ihre Religion beibehalten. Und so entstand eine französisch-reformierte Gemeinde, die sich bald nach der Stadtgründung ihre eigene Kirche errichtete. Das reformierte Symbol der von König Ludwig XIV. vertriebenen und aller politischen, bürgerlichen und religiösen Rechte beraubten Protestanten war das Hugenottenkreuz. Mindestens so wichtig wie ihr französisch-reformierter Glaube war den Friedrichsdorfern ihre Kirchenordnung, die „discipline ecclesiastique“. Die theologische Vierämterlehre besagt, dass für die richtige Ordnung der Kirche vier Ämter in jeder Gemeinde notwendig seien. Es sind die Pastoren oder Hirten (pasteurs), die Lehrer (docteurs), der Älteste (anciens) und Diakone (diacres).

Auch die bewegte Wirtschaftsgeschichte der Stadt nahm mit den Hugenotten und ihren Handwerkskünsten ihren Anfang. Die kleinen Färberhäuschen, die sich entlang der Hugenottenstraße reihen, sind stumme Zeugen der Woll- und Stoff-Färber. Weltruhm erlangten ein Dutzend Friedrichsdorfer Bäcker mit dem Backen von feinem Zwieback. Er wurde als Teegebäck gereicht, zum Frühstück gegessen und in die weite Welt exportiert.

Auf dem Landgrafenplatz erhielten die Teilnehmer der Stadtführung als Dankeschön nicht nur echten Friedrichsdorfer Landgrafen-Zwieback, sondern auch einen Landgrafentaler mit Schokoglasur und Herrscherporträt. Die süßen Grüße steuerten Bäcker und Konditoren aus der angrenzenden Bäckerei bei. Begrüßt wurden Bürger und „Landgraf“ zudem mit einem kleinen Umtrunk und einer schwungvoll vom Saxofon-Ensemble der Musikschule gespielten Weise. Gut gelaunt nutzten die Friedrichsdorfer zudem die Gelegenheit, sich „Ein Stück vom Landgrafenplatz“ mit nach Hause zu nehmen. Rainer Barde, der Leiter des Kinderhorts „Kassiopeia“, und seine Stellvertreterin Silvia Stekly verkauften alte Pflastersteine vom Landgrafenplatz. Bemalt hatten diese einige der 70 Kinder im Grundschulalter aus dem Kinderhort mit einer farbenfrohen Hugenottenrose. Professionell zur Seite stand ihnen Graffitikünstler Jan-Malte Strijek. Die Steine werden jetzt für fünf Euro das Stück verkauft.

Der Erlös aus dem Verkauf soll nach dem Willen der jungen Künstler an den ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst Frankfurt/Rein-Main gehen. Weitere Graffiti-Steine für den guten Zweck können noch bis zum 30. August an der Infostelle im Rathaus erworben werden. Wem Fortuna hold ist, der kann nach dem Kauf eines echten und einmaligen „Street-Art-Landgrafen-Pflastersteins“ noch attraktive Preise gewinnen.

Rainer Barde, der Leiter des Kinderhorts „Kassiopeia“, und seine Stellvertreterin Silvia Stekly verkaufen alte Pflastersteine vom Landgrafenplatz. Foto: fch

„Pfarrer“ Manfred Fels und „Hugenottin“ Karin Halfmann berichten aus der Geschichte Friedrichsdorfs. Foto: Stadt Friedrichsdorf

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