Richtige Mobilität für alle geht anders

Der barrierefreie Zugang zu den Bahnsteigen wäre für die Seulbergerin Siglinde Bürger eine große Hilfe. Nicht immer kann ihr Sohn Volker Bürger ihr wie hier beim Tragen der Einkäufe helfen. Foto: fch

Friedrichsdorf (fch). Der barrierefreie Umbau des Bahnhof Friedrichsdorf ist unter Bürgern, Pendlern und Politikern das Topthema der Stunde. Und dies, obwohl es sich um eine „never ending Story“ zu handeln scheint.

Bürgermeister Horst Burghardt fand im Rückblick auf seine Amtszeit deutliche Worte: „Zu dem enttäuschenden Kapitel meiner Laufbahn gehört die „Zusammenarbeit“ mit der Bahn zum barrierefreien Umbau des Bahnhof Friedrichsdorf. Wenn wir so arbeiten würden wie die Bahn, würde nichts umgesetzt und die Stadt wäre schon längst pleite.“ Träger des barrierefreien Umbaus ist die Bahn und nicht die Stadt. Die Kosten für den Umbau werden aktuell auf 8,8 Millionen Euro geschätzt. Die Stadt Friedrichsdorf plant derzeit, sich an den Kosten mit 3,86 Millionen Euro zu beteiligen. Das ist mehr als das Zehnfache der Summe, die bei der ersten Kalkulation 2002 genannt wurde. Damals sollte der Umbau 2,2 Millionen Euro kosten und die Stadt wollte 330 000 Euro tragen. Der Baubeginn war auf 2003 terminiert. Passiert ist bis heute nichts, obwohl Kommunalpolitiker und Bürger sich immer wieder bei der Deutschen Bahn AG/DB Station&Service AG für das Projekt stark machten. 2008 hatte die Stadt Friedrichsdorf zu einen interdisziplinären Workshop eingeladen. Der Entwurf eines Frankfurter Architektur- und Stadtplanungsbüros für die „Neustrukturierung Bahnhof Friedrichsdorf und Umfeld“ diente als Planungsgrundlage. 2011 waren die Kosten bereits auf vier Millionen Euro angestiegen, der städtische Anteil betrug 800 000 Euro. Dank dem anhaltendem Engagement der Stadt wurde das Projekt „Bahnhof Friedrichsdorf“ in die „Rahmenvereinbarung zur Modernisierung von Bahnhöfen in Hessen“ aufgenommen. Dadurch konnten auch Landesfördermittel beantragt werden. Ende 2012 beauftragte die Bahn eine Machbarkeitsstudie, die eine Bauwerksuntersuchung beinhaltete. Die Ergebnisse der Studie bildeten im März 2013 die Grundlage eines Abstimmungsgespräches zwischen Bahnvertretern und Stadt. Favorisiert für den barrierefreien Umbau wurde der Vorschlag „Erschließung aus der bestehenden Personenunterführung“. Die Bahn verzögerte 2014 die Unterzeichnung einer Planungsvereinbarung mit der Begründung, dass die Untersuchungen zur Elektrifizierung der Taunusbahn noch nicht abgeschlossen seien. Ein Jahr später wurde die Vereinbarung unterzeichnet und die Planungen vertieft. 2018 konnten die Bürger im September über die Planungsergebnisse im Rathaus informiert werden.

Umbau immer wieder verschoben

Und im November 2019 wurden sie im Zuge des Planfeststellungsverfahrens im Rathaus für die Öffentlichkeit zur Einsicht ausgelegt und auf der Internetseite des Regierungspräsidiums veröffentlicht. Im Herbst 2020 sollten endlich die Bagger rollen und der barrierefreie Umbau bis Herbst 2021 Realität werden. Geplant ist die Bahnsteige durch Aufzüge und angepasste Treppenzugänge zu erschließen. Auf der Ostseite, vom Römerhof aus, soll eine Rampe an die Unterführung angebaut und der Zugang zu den Gleisen ermöglicht werden. Die Bahnsteige sollen in der Höhe an die Züge angepasst werden, um einen barrierefreien Einstieg in die Bahnen zu gewährleisten. Die Planungen sehen eine Überdachung und Neugestaltung der Bahnsteige vor. Die Unterführung soll mit modernen Beleuchtungselementen freundlicher und heller gestaltet werden. Die Stadt Friedrichsdorf plant zusätzlich die Fahrradabstellanlagen zu erneuern. Am 2. September 2020 teilte die DB Station&Service AG in der Sitzung des Ausschusses für Bau, Umwelt und Verkehr mit, dass das Projekt voraussichtlich bis 2022 verschoben wird. Die Begründung für die erneute Verschiebung sorgt bei Claudia Schick, der Fraktionsvorsitzenden der Friedrichsdorfer Wählergemeinschaft (FWG) für Empörung und Verärgerung: „Als Grund für die erneute Verzögerung wurde genannt, dass die Decke der Unterführung zum Gleisbereich zu dünn sei und der Gleisoberbau nicht mehr der Norm entspreche. Ich frage mich, warum dies nicht bei der Bauwerksuntersuchung 2012 erkannt wurde. Ich habe in dieser Sache zwei Briefe geschrieben. Zum ersten Mal an einen Minister und einen Vorstandsvorsitzenden. Der erste Brief ging an Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen), den hessischen Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten, der zweite an Dr. Richard Lutz, den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG. Auf die Antworten bin ich gespannt.“ Die DB Station&Service AG wirbt in ihrem Internetauftritt mit ihrem Programm für „Barrierefreiheit & Mobilitätsservice“. Dort heißt es unter anderem: „Auch wenn Ihre Mobilität eingeschränkt ist, ist es uns wichtig, dass Sie mit uns gut Ihr Ziel erreichen.“ Zu den Aufgaben der DB Station&Service AG gehören Bau und Betrieb, Instandhaltung und Entwicklung von Personenbahnhöfen. Zuständig ist das Unternehmen für 5400 Bahnhöfe, die täglich von rund 21 Millionen Reisenden und Besuchern genutzt werden. Der Bahnhof Friedrichsdorf (Taunus) scheint dabei zum Leidwesen von Pendlern und Bürgern in Vergessenheit geraten zu sein.

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