Senioren, die sich nicht unterkriegen lassen

Den Senioren in Corona-Zeiten eine Freude machen. Vor dem Alten- und Pflegeheim der Awo Haus Dammwald spielen Theresa, Antonia und Christopher Stemann für die Bewohner.     Foto: Hochtaunuskreis

 

Friedrichsdorf (fch). „Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands gestattet. Dabei soll in der Öffentlichkeit – mit Ausnahme zu Angehörigen des eigenen Hausstands – der Mindestabstand zu anderen Menschen von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden.“ Was sich schnell und einfach liest, ist in der Umsetzung meist schwieriger und hat vor allem auch für Singles sowie Alleinlebende weitreichende Konsequenzen.

Besonders wichtig in der Corona-Krise ist, dass der Kontakt der Menschen nicht untereinander abreißt. Wie groß die Hilfsbereitschaft ist, beschreibt Jasmin Lenz aus dem Amt für soziale Angelegenheiten der Stadt Friedrichsdorf: „Die städtische Corona-Hilfe verzeichnet sehr viele hilfsbereite Menschen. Derzeit haben wir 99 Hilfsangebote. Es gibt wesentlich weniger Menschen, die Hilfebedarf anmelden. Jetzt sind es erst zwölf.“ Auf ihre Nachfrage nach Gründen, warum Menschen nicht um Hilfe bitten, erhielt sie zwei Antworten. Zum einen gäbe es bereits ein sehr gutes Nachbarschaftsnetz oder eine gute Unterstützung durch Angehörige und Freunde. „Manche möchten selbst einkaufen gehen“, berichtet Lenz. Redebedarf gibt es zwar immer, aber da das Rathaus infolge der Corona-Pandemie geschlossen ist, berät die städtische Mitarbeiterin per Telefon, per E-Mail oder auf dem Postweg. „Manches ist dadurch komplizierter und langwieriger, aber die Menschen zeigen viel Verständnis.“

Zu den Schwierigkeiten, die besonders ältere Mitbürger betreffen, gehören ausgesetzte Besuchsmöglichkeiten in den Pflegeheimen, aufschiebbare Arzttermine werden abgesagt, Pflegebegutachtungen laufen nur noch schriftlich. Das überfordert schon mal. Oder die Tafel kann nur eingeschränkt helfen, was für finanziell schlechter gestellte, auf die Tafel angewiesene Personen schwierig ist. „Manche Senioren entdecken aber auch neue Talente. Sie schreiben mehr E-Mails und telefonieren häufiger.“ Mitglieder des Seniorenbeirats bemerkten, dass in der älteren Generation eher Gelassenheit vorherrsche. Die Erfahrungen der Kriegsgeneration könnten dazu beitragen.

Zwei, die wissen, wie es geht

Zwei Senioren schilderten der Friedrichsdorfer Woche wie sie die in diesen Krisenzeiten zur Verfügung stehende Zeit nutzen. Hartmut Koch hält beim Einkaufen und Spazierengehen Abstand zu anderen Kunden und Spaziergängern. „Meine HNO-Ärztin hat mich früh über die mit den Covid-19-Viren verbundenen Gefahren informiert. Ich halte mich an ihre Ratschläge wie Abstand halten, Hände waschen, die telefonische oder digitale anstelle der direkten Geselligkeit genießen. Komme ich nach Hause, dann wasche ich als erstes meine Hände.“ Koch ist seit drei Jahren Witwer, kümmert sich um seinen Haushalt und die Wohnung. „Derzeit lese ich viel, vor allem Zeitungen und sehe im Fernsehen Nachrichtensendungen, da es kaum Sportübertragungen gibt.“ Der Senior sagt: „Ich fühle mich trotz der Einschränkungen wohl, richte meinen Balkon für die Freiluftsaison her, will die Balkonkästen neu bepflanzen. Zu tun habe ich immer etwas. Etwa Fotos sortieren und ins Album kleben.“ Benötigt Koch Hilfe, dann sind seine beiden Söhne und Schwiegertöchter zur Stelle, die ebenfalls in Friedrichsdorf wohnen. „Alle Menschen müssen vernünftig sein, denn die ganze Welt ist betroffen. Jeder muss Acht geben, keiner sollte die Situation unterschätzen“, sagt der 84-Jährige. Koch freut sich, dass fast alle Menschen Rücksicht auf andere nehmen und anerkennen, welche Leistungen Leute bringen, die bei Polizei, Feuerwehr, Krankenhaus, Pflegedienst und in anderen Hilfeeinrichtungen arbeiten.

Den Weg von seiner Wohnung zum Haus Dammwald kennt Werner Exner bestens. Er ist ihn bis vor drei Monaten täglich gegangen, um seiner Frau das Mittagessen zu bringen. Und um danach im gegenüberliegenden Rewe einzukaufen. Der ehemalige Triathlet „ich kann schlecht gehen, aber joggen geht“, legt die Strecke zwar noch regelmäßig zurück, aber „den Einkauf erledigen derzeit meine Tochter und meine Enkelin.“ Langeweile kennt der 84-Jährige nicht: „Mein Tag könnte 36 Stunden haben.“ Bis vor einem Vierteljahr hatte er ein eigenes Softwarehaus (Vertrieb und Technik) belieferte die Großindustrie. „Ich fand keinen Nachfolger.“ Noch heute programmiert der studierte Mathematiker täglich von mittags bis abends: „Die Technologie ändert sich alle 15 Jahre grundlegend. Ich beschäftige mich mit der technologisch anspruchsvollen Umstellung.“ Nach Abschluss seiner Arbeiten will er sie Firmen und Internetanbietern offerieren. In seiner thematisch breit gefächerten Bibliothek stehen 3000 Bände in acht Sprachen, zu seinen Lieblingsautoren gehören Goethe und Wittgenstein. Er liest Lyrik, Prosa und Geschichte. Fit hält sich Exner täglich mit vier Stunden Kraft- sport und Laufen.



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