Friedrichsdorf (fw). Eine aufregende Zeit war das: Im Rahmen des Programms „High Seas High School“, veranstaltet vom Internat Hermann Lietz auf Spiekeroog, sind 44 Schülerinnen und Schüler der zehnten und elften Klasse mit einem Dreimaster durch die Weltmeere gesegelt, von Oktober 2023 bis Mai 2024.
Bei einem gut besuchten Vortragsabend des Yachtclubs Friedrichsdorf im „Komischen Schorsch“ in Kirdorf berichtete unlängst die Friedrichsdorfer Schülerin Clara Werckmeister, was sie alles sieben Monate lang auf dem Segelschiff „Gulden Leeuw“ erlebt hatte.
Wer sich die Bilder der Reise anschaut, möchte angesichts von Traumstränden und exotischen Zielen am liebsten sofort selbst losfahren, aber zur Wahrheit gehört auch, dass die Beteiligten sieben Monate lang über keinerlei privaten Raum verfügten, das Wasser derart rationiert war, dass nur eine Minute am Tag geduscht werden durfte (und nein, die Zeit ansparen war nicht möglich) sowie Nachtschichten zum ganz normalen Alltagsbetrieb gehörten.
Davon erzählte die junge, aber bereits sehr erfahrene Seglerin sehr anschaulich und antwortet geduldig auf zahlreiche Nachfragen, auch zu Technik und Ausstattung des Schiffes. Zu diesen außergewöhnlichen Umständen kam ganz „normaler“ Schulunterricht nach gymnasialem Lehrplan, sechs Lehrerinnen und Lehrer haben die Reise begleitet und am Ende Zeugnisse ausgestellt. In vielen Bereichen integriert sich der Lehrplan ganz von selbst: Physik und Mathematik braucht man beim Segeln und Navigieren ständig, Bordsprache ist englisch. Geographie, Politik und Geschichte werden auf See und den Festlandausflügen lebendig, wenn es darum geht, den Regenwald zu erkunden, bei der Obsternte zu helfen oder segelnd den Routen zu folgen, die schon die europäischen Kolonialmächte zur Eroberung Amerikas gefahren sind. Biologie ist auf dem Meer sowieso allgegenwärtig.
Viel freie Zeit gab es also nicht auf der Tour, aber dafür konnten die Schülerinnen und Schüler viele neue Erfahrungen sammeln und erleben, dass sich die eigenen Grenzen auch erweitern lassen. Außerdem sind sie zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen und behalten wertvolle Erinnerungen an die Zeit.
Einen ganzen Monat in Panama
Das Projekt startete und endete in Bremerhaven, mit dem Dreimaster ging es unter anderem nach Madeira, Panama, Costa Rica, Kuba und auf die Azoren. Teilweise waren die Landaufenthalte sehr lang, in Panama verbrachten die jungen Abenteurer einen ganzen Monat. Sie nahmen an Projekttagen mit ortsansässigen Schulen teil, unternahmen Ausflüge oder Wanderungen. Sie erlebten so viel, dass es für ein ganzes Buch gereicht hat: Dreimal in der Woche haben die Schülerinnen und Schüler Blogeinträge geschrieben, ihre Eindrücke geschildert und den Daheimgebliebenen Grüße geschickt. Das Logbuch der Reise ist ebenfalls in dem blauen Band enthalten.
Auch noch interessant: die Handys mussten abgegeben werden und wurden nur für Landaufenthalte zur Verfügung gestellt. „Manche haben sich deswegen gegen die Teilnahme entschieden“, erzählt Markus Werckmeister von den Vorbereitungstreffen. Dafür sind die Schülerinnen und Schüler um viele Erfahrungen aus der wirklichen Welt reicher und ihre Eltern sind froh, sie wieder heil daheim zu haben.
Die Besatzung blieb im Hintergrund
Auf Nachhaltigkeit lege die Crew des ehemaligen Expeditionsschiffes besonders viel Wert, berichtet Clara Werckmeister; „Den Motor hat der Kapitän gar nicht gern angemacht.“ Zeitweise richtete man sich einfach nach dem Wind, wie die Seefahrer es schon vor Jahrhunderten getan haben. Darüber hinaus waren die „Sustainable Development Goals“, 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, ständiges Thema und wichtiger Bestandteil besonders in Fächern wie Mathematik, Biologie und Geografie. Noch mehr Verantwortung als bei den „normalen“ Diensten hatten die jungen Leute beim sogenannten „Handover“ zu tragen. Jede und jeder übernahm eine Rolle als Crewmitglied, die eigentliche Besatzung hielt sich für Notfälle im Hintergrund. Ein unvergessliches Abenteuer, das alle ein Stück hat wachsen lassen.