Texte, die Hoffnung in schwierige Zeiten bringen

Lyrik als alter und neuer Zeit hat Dagmar Scherf zu einem ansprechenden „Trostbuch“ zusammengestellt, das Günther Scherf mit seinen meist Fotos begleitet. Foto: Staffel

Friedrichsdorf (ks). Es ist eine tröstliche Erfahrung, dass in Krisen und Katastrophen Hoffnung und Zuversicht nicht verloren gehen und den Menschen helfen, wieder Mut zu fassen und das Leben mit seinen Unzulänglichkeiten anzunehmen. Auf welchen Wegen das gelingen kann, haben Dichterinnen und Dichter zu vielen Zeiten in Worte gefasst und den Unbillen des Daseins ein „trotz alledem“ entgegen gerufen. So, wie die in Friedrichsdorf lebende Schriftstellerin Dagmar Scherf, die unter diesem Titel in einem schönen kleinen Buch Texte versammelt hat, die „Hoffnung in schwierigen Zeiten“ bringen können. Günther Scherf hat den Texten „stille“ Fotos beigegeben: naturnahe kontemplative Variationen, die für sich selbst sprechen.

Unter den zeitnahen Autoren finden sich Beiträge von Dichtern, die wie Hilde Domin, Marie Luise Kaschnitz, Nelly Sachs, Erich Fried, Bruno Frank oder Paul Celan der Zeit auf ihre Weise getrotzt haben. Menschen, die der Emigration entgehen konnten und mit der inneren geantwortet haben. „Du sing dein Lied“ ruft Bruno Frank den Menschen zu: „Keinem wird es Schande sein, der einst zu seinem Frager spricht, ich sah in Nacht und Tod hinein und sang mein Lied und bangte nicht.“ Aber auch Wut und Verzweiflung sind spürbar, wenn Paul Celan feststellte: „Mit uns, den Umhergeworfenen, dennoch Fahrenden: Der eine unversehrte, nicht usurpierbare, aufständische Gram.“ Maria Bagdahn hält dagegen: „Könnte ich am Wegrand die Hoffnung pflücken, ich schenkte sie dir.“

Hilde Domin, ins Exil gezwungen, hat in dem Gedicht „Ziehende Landschaft“ darüber nachgedacht, wie sich der Mensch in fremder Luft heimisch fühlen könnte: „Man muss den Atem anhalten, bis der Wind nachlässt und die fremde Luft um uns zu kreisen beginnt, bis das Spiel von Licht und Schatten, von Grün und Blau, die alten Muster zeigt und wir zuhause sind, wo es auch sei, und niedersitzen können und uns anlehnen, als sei es an das Grab unserer Mutter.“ Und die auch feststellte: „Man muss weggehen können und doch sein wie ein Baum.“

Dagmar Scherf, die als Kind die Vertreibung aus der geliebten Heimatstadt Danzig erlebte, hält in dem Gedicht „Drei Körnchen Sand“ Erinnerungen fest: „Wenn der Himmel die Möwen nicht mehr trägt. Wenn der Sommer hinter den Dünen versinkt wie nie gewesen. Dann bleiben mir doch noch eine Weile drei Körnchen Sand zwischen den Zehen, dann hängt mir doch noch eine Zeitlang eine Sonnensträhne im Haar. Und meine Faust schließt sich um eine Muschel.“ Eher satirisch-trotzig ist ihr „Traum einer Zeitung“, die am Ende beschließt, „sich selbst zu drucken“: „Jetzt schreibe ich! Geschichten des gedruckten, gedrückten, geduckten, geduldigen Papiers. Was da herausquillt, zerknüllt aus den Abfallkörben! Ich ducke mich nicht mehr. Ich drucke – mich.“ In diese Kategorie könnte man auch ihr Gedicht „Ketten und Lücken“ einordnen, in dem zwei Menschen hinter Gittern darüber nachdenken, wie sie das Gitter überwinden könnten: „Der eine zieht geschäftig zielstrebig seine Kreise. Er spürt die komfortabel lange Ketten schon lang nicht mehr.“ Der andere „liegt scheinbar regungslos drinnen auf der Lauer vor den Gitterstäben und übt nur das Eine: Dünner zu werden als die Lücken. Warum denkt keiner an die Säge?“ Über Hoffnung sinniert die zeitgenössische Schriftstellerin Sharon D. Cohagan: „Es gibt ihn, den einen Funken. Sogar wenn Freunde Trauer tragen. Auch wenn aller dunkel scheint. Hoffnung gibt nicht einfach auf. Sie kämpft. Fängt Feuer.“ Zeitlos schön und versöhnlich sind bekannte und beliebte Gedichte wie der „Frühlingsglaube“ von Ludwig Uhland, das „Stufengedicht“ von Hermann Hesse, die Ode an die „Lebenszeit“ von Rainer Maria Rilke oder auch Josef von Eichendorffs gefühlvolle Huldigung an den „Trost der Welt, Du stille Nacht...“ Und schon Theodor Fontane wusste: „Auch das Schlimmste kann nicht weilen und es kommt ein andrer Tag....“

Die eigenwillige gute Auswahl, die Dagmar Scherf in dem schön gestalteten quadratischen Gedichtband getroffen hat, beweist, dass es viele Wege zu Trost und Hoffnung gibt, die mit der Bitterkeit des Daseins versöhnen. Auch in dieser Zeit.

Dagmar Scherf ist freie Schriftstellerin, hat Lyrikbände, Romane, Erzählungen und Kinderbücher verfasst und für Funk und Fernsehen gearbeitet. Ihr Mann Günther Scherf war bis 2007 Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ in Bad Homburg. Fotografie ist sein Hobby, und seine Bilder hat er in mehreren Ausstellungen präsentiert.

!„Trotz alledem – Hoffnung in schwierigen Zeiten“, herausgegeben von Dagmar Scherf, Fotos, Umschlag- und Layoutgestaltung Günther Scherf, ist im Verlag Books on Demand (ISBN 9-783-75192056-8) erschienen und für 25 Euro im Buchhandel, als E-Book 9,99 Euro, sowie über www.bod.de zu haben.



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