Kammermusikalische Sternstunde

Glashütten
(kw) – Der Stern des jungen Amatis Trios (Lea Hausmann, Violine, Samuel Shepherd, Violoncello, und Mengije Han, Klavier) ging nach 2017 schon zum zweiten Mal in diesem für Kammermusik so vorzüglich geeigneten Saal auf. Die jungen Leute arbeiten mit erfahrenen, weltbekannten Kammermusikerinnen und -musikern zusammen und haben auch schon einige zeitgenössische Werke in Auftrag gegeben und uraufgeführt.

Hohe Erwartungen

Mit reichlich Vorschusslorbeeren bedacht und angesichts der hohen Erwartungen stellte sich die Frage: „Würde das Trio diesen gerecht werden?“ Absolut! Gleich mit dem einleitenden Mozart-Trio C-Dur KV 548 nahm es das Publikum so schwungvoll mit, dass viele schon nach dem ersten Satz spontan applaudierten. Sein perfektes Zusammenspiel und das Ineinandergreifen der sich besonders im 2. Satz in der Melodieführung abwechselnden Instrumente waren einfach beglückend, und die feine dynamische Differenzierung ließ diesen Mozart sehr lebendig und kein bisschen langweilig werden, wofür auch einige komponierte Überraschungen wie z. B. die plötzlichen Forte-Akkorde in der Mitte des zweiten Satzes sorgten. Das abschließende heitere Rondo nahm den Schwung vom Anfang wieder auf und bot wiederum viele unerwartete Wendungen, die für die Musik Mozarts zumindest bei genauem Hinhören so typisch sind.

Musik der Emigration

Ib Hausmann, der das Amatis-Trio schon vor fünf Jahren nach Glashütten führte und sowohl musizierend als auch moderierend begleitet, kann man nicht nur hier getrost als „alten Bekannten“ bezeichnen. Die Berufsbezeichnung „Klarinettist“ beschreibt seine Tätigkeit spätestens seit seinem Abschied als Soloklarinettist der Berliner Staatskapelle vor bald 35 Jahren nur noch bedingt, tritt er doch auch als Komponist, Dirigent, Musikerzieher und -erklärer im weitesten Sinne sowie als Konzertveranstalter in Erscheinung. An diesem Abend stellte er zusammen mit Mengije Han drei „Lieder ohne Worte“ des israelisch-deutschen Komponisten Paul Ben-Haim (1897-1984) vor, die 1952 in Israel entstanden und in Klang und Rhythmik an jüdische oder arabische Lieder erinnern. Hausmann und sein Begleiter fühlten sich sensibel in diese melancholische bis klagende Musiksprache ein und schworen deren ganz spezifische Atmosphäre herauf.

Auch mit dem dritten Werk des Abends stellte Ib Hausmann Musik der Emigration vor: Bela Bartoks „Kontraste“ für Klarinette, Violine und Klavier zählen sicher zum Anspruchsvollsten, was der Kosmos der Kammermusik zu bieten hat – sowohl für die Ausführenden als auch für die Zuhörerschaft. Die harmlosen Satzbezeichnungen „Werbertanz, Entspannung, Schneller Tanz“ sind insofern irreführend. Besonders die Geigenstimme ist hochvirtuos, hier sind Akkordgriffe, Arpeggi, Flageolett, Pizzicati und Tremoli am laufenden Band gefordert. Die volkstümlich-ungarische, mal tänzerische, mal kantable Melodik liegt vorwiegend in der nicht minder virtuosen Klarinettenstimme, während das Klavier dem Werk vor allem rhythmische Struktur verleiht. Der dynamische Kontrast zwischen extrem leisen und sehr lauten Stellen wirkte in dem relativ kleinen Saal besonders krass, bis auf kurze Stellen war das gewiss keine Musik zum Zurücklehnen und Genießen. Hieran direkt anschließend einfach Schumann zu spielen, hätte wohl alle überfordert, weshalb die folgende kurze Pause dankbar angenommen wurde.

Schwungvolles Trio

Robert Schumann schrieb für Violine, Violoncello und Klavier drei „offizielle“ Trios und die Fantasiestücke op. 88, die eigentlich auch hierunter zu rechnen sind. Das Amatis-Trio spielte das Trio Nr. 3 op. 110 in g-Moll mit ähnlichem Schwung wie zu Beginn bei Mozart, wobei der Wechselgesang zwischen den drei Instrumenten noch viel enger verzahnt ist und manchmal geradezu atemberaubend schnelle Anschlüsse erfordert. Der zweite Satz, „Ziemlich langsam“, gab Geige und Cello Gelegenheiten zu wunderbar ausgesungenen Kantilenen, die allerdings – typisch Schumann – von einem plötzlichen dramatischen Ausbruch unterbrochen wurden. Der dritte Satz, ein Scherzo, steigert sich zu einer Art Toccata, die sich am Ende fast wie besessen im Kreise zu drehen scheint, immer dasselbe Thema wiederholend, bis der Satz wie atemlos zum Stehen kommt. Im auftrumpfenden 4. Satz („Kräftig, mit Humor“) wird das Scherzo-Thema mehrfach zitiert, Amatis steigert sich in den fast triumphalen Schluss hinein, und das Publikum applaudiert begeistert – auch einige „Bravi“ sind zu vernehmen, zu Recht!

Toller Abend

Ib Hausmann, der kenntnisreich, aber nie dozierend, das Konzert moderierte, wünschte einen beschwingten Heimweg, und dazu passend bedankten sich die Musiker*innen mit der Zugabe von Kreislers „Schön Rosmarin“.

Dass es coronabedingt noch immer keine Erfrischungen in der Pause gab und obendrein die im Bürgerhaus befindliche Gaststätte zur Zeit wegen Renovierung geschlossen ist, waren wohl die einzigen Dinge, die die Besucher an diesem großartigen Abend vermissen konnten. Die dabei waren, gingen in dem Gefühl nach Hause, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein – das musste man erlebt haben. Bleibt nur, den jungen Leuten Glück für ihre Karriere und Ib Hausmann Dank für seine Initiative zu sagen, in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen.

Foto: privat



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