Droht Fischbachs „Grüner Lunge“ Gefahr?

Anhand des Baumbestandes erkennt man den unterirdischen Bachverlauf. Die Bürgerinitiative sieht die „Grüne Lunge“ Fischbachs durch die Bebauung bedroht. Foto: A. Thonke

„Für den Geltungsbereich Gemarkung Fischbach, Flur 17, Flst. 252/1, 2.785m², An der Reiskirch, wird ein Bebauungsplan mit der Zielsetzung der Errichtung von Doppelhaushälften aufgestellt. Der Bebauungsplan erhält die Bezeichnung „Verlängerte Rhönstraße“. Bereits vor einigen Jahren wurden in der Rhönstraße Doppelhaushälften errichtet (Beispiel Flst. 254/7 ff.). Durch Verlängerung der Rhönstraße sollen nach Abschluss des Bebauungsplanverfahrens hier ebenfalls Doppelhaushälften errichtet werden. Im Rahmen der Novellierung des Baugesetzbuches wurde vor wenigen Jahren ein neuer Paragraph 13b eingeführt, wodurch bestimmte Außenbereichsflächen im sogenannten beschleunigten Verfahren einer Wohnbebauung zugeführt werden können.“
Was sich sehr sperrig liest, ist ein Antrag der Koalition im Stadtparlament vom 24. Februar, der inzwischen zwei Mal zurückgezogen wurde. Denn das „Wie?“ und vor allen Dingen das „Was passiert da?“ treibt anscheinend nicht nur die Politiker der Koalition (CDU/FDP/SPD) um, sondern auch die Anwohner. Sie haben inzwischen eine Bürgerinitiative „Kräthenbach-Feuchtbiotop“ gegründet und wollen aufklären. Denn eine Bebauung in dem Gebiet, ist ihrer Ansicht nach nicht nur schier unmöglich, sondern auch grob fahrlässig.

Historie

Das knapp 3.000 Quadratmeter große Feuchtbiotop ist in eine weitaus größere Biotopfläche in der Talsohle Fischbachs mit großer ökologischer Wertigkeit und Funktion, was Fauna, Flora und Biodiversität angeht, integriert. Außerdem besitzt sie eine ausgewiesene Eigenschaft als Hochwasserschutzfläche für alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Abschnitt Fischbachs und befindet sich in der unmittelbaren Nachbarschaft des städtischen Kindergartens. Es handelt sich bei dem Gelände um einen sogenannten Außenbereich im Innenbereich, wodurch automatisch eine stärkere Schutzfunktion entsteht.

Das Gelände besitzt bereits eine lange Historie. Bereits vor mehr als zwanzig Jahren wurde in unmittelbarer Nähe ein Naturteich illegal zugeschüttet. Nur durch beherztes Entgegenstellen einiger Fischbacherinnen und Fischbacher wurde der Bagger damals aufgehalten. Die Untere Naturschutzbehörde stoppte das illegale Verhalten des Bauträgers. Für zwei Jahre stand alles still, bis dann aufgrund des großen Schadens eine Ausgleichsfläche gestellt und doch gebaut wurde. Die bereits existenten Häuser in der Nachbarschaft hatten dann fortan feuchte Keller, so berichten es die Hausbewohner. Und die Häuser auf der Fläche, auf der der Teich vormals war, mussten in Wannen gebaut werden. In dem Gebiet verläuft unterirdisch nach wie vor der Kräthenbach, ihm schließen sich zahleiche Wasseradern an, sowohl von dem östlichen Fischbacher Hang (Richtung Schneidhain), als auch von dem westlichen Bergrücken (Staufen).

Bürgerinitiative

Andreas Thonke und Mark Scheibe, die die BI ins Leben gerufen haben, mussten beobachten, wie der Antrag zur Bebauung entstand. „Eines Tages saß Alexander Furtwängler, Magistratsmitglied, auf der Terrasse des Grundstückeigentümers, es wurden Pläne entworfen“, können die beiden berichten. Dazu müsse man wissen, dass Furtwängler Teilhaber einer Projektgesellschaft ist. Die er inzwischen nach eigenen Angaben aufgegeben habe. Nichtsdestotrotz wurde er bei Bürgermeister Albrecht Kündiger vorstellig, der sich von dem Bebauungsplan nicht sonderlich angetan zeigte.

„Es stehen auf diesem Grundstück zwischen 40 und 50 Bäume, darunter circa 25 Meter hohe Ahornbäume, große Eichen, Walnussbäume und Robinien. Dazu kommen Buchen, Linden, Fichten und Nussbäume. Es ist sozusagen ein Mischwaldgelände“, so Thonke. „Es leben und nisten dort – und das ist dokumentiert – Fledermäuse, Turmfalken, Dompfaffen, Bachstelzen, Buntspechte, Mittelspechte, Schwanzmeisen, Elstern und zahlreiche andere Vogelarten; sogar ein Eisvogel wurde bereits gesichtet. Molche und Salamander sind aufgrund der Eigenschaften einer sogenannten Feuchtwiese dort auch existent. Und ebenfalls dokumentiert.“ Der unterirdisch verlaufende Kräthenbach macht nach Ansicht von Biologe Mark Scheibe eine Bebauung nahezu unmöglich. Man wisse von zwei Brunnen, die auf dem Grundstück gebaut wurden, um es trocken zu legen, was nicht gelang. „Bei der Bebauung der vorderen Rhönstraße traten beim Bauen fontainenartig Wassersäulen hervor, weswegen auch mit Wannen gebaut werden musste“, erinnert er sich. Scheibe weiter: „Der Wasserdruck ist so hoch, dass ein Abpumpen der Brunnen mit den Schachtringen nicht möglich war. Das Wasser läuft seitdem weiterhin über. Diese Auskunft erhielten wir von einem Fischbacher Gärtner- und Landschaftsbauer.“

Städtebau

Städtebaulich sei dieses Gebiet/diese einzelne Fläche nach Ansicht der BI völlig ungeeignet. Es sei völlig unüblich und auch nicht gewünscht, einzelne Teilflächen bei einer Planung aus einem Gebiet heraus zu nehmen.

„Rechtlich ist zu ergänzen, dass bei mehr als zehn Neubauten es sich qua Definition um ein großes Neubaugebiet handeln würde, das wiederum nicht mehr mit dem §13b zu vereinbaren ist und auch keine „Verlängerung“ von irgendetwas darstellt“, erklärt Thonke, der sich kundig gemacht hat. Der Begriff „Verlängerung Rhönstraße“ sei begrifflich ohnehin schlichte Schönfärberei; letztlich würde in das geschützte Feuchtbiotop Kräthenbach hineingebaut.

Aus Sicht der BI war die Rhönstraße nie für eine Verlängerung angedacht und so ist auch der Bodenbelag der Spielstraße mit Pflastersteinen versehen und nicht mit einer Asphaltdecke. Einen Bürgersteig gibt es nicht. Bei einer Erweiterung müsste das ebenfalls baulich verändert werden. Weiterhin sei anzumerken, dass die Straße ohne Wendemöglichkeit am Ende nicht beliebig verlängert werden kann. Das schränkt schon die Bebauungsmöglichkeit entsprechend ein.

„Unsere Bürgerinitiative fragt sich zudem, wie und wo der Abwasserkanal entlang gelegt werden soll? Dieser müsste vermutlich durch die ganze Feuchtwiese des Kräthenbach-Biotops hinter dem bewaldeten Teilstück, das durch die Koalition aus CDU, FDP und SPD bebaut werden soll, entlang führen. Das würde noch mehr Zerstörung bedeuten und das Tor öffnen für die gesamte Bebauung dieses schützenswerten Biotops“, sind sie der festen Überzeugung.

„Hier soll ein Bebauungsplan im Schnellverfahren aufgestellt werden, der lediglich einem Eigentümer hinsichtlich Bodenpreisentwicklung zu Gute kommt und hinsichtlich der Bebauung mit Doppelhaushälften auch bei der Wohnraumverfügbarkeit keine relevanten Beitrag leistet“, so die Sorge der BI. „Das beschleunigte Verfahren schließt beziehungsweise kürzt die gesetzliche Öffentlichkeitsbeteiligung deutlich ein. Gerade bei diesem Gebiet ist ein öffentlicher Diskurs hinsichtlich der weiteren Siedlungsentwicklung unseres Erachtens unerlässlich!“

Versprechen

Andreas Thonke und Mark Scheibe geben ein Versprechen: „Wir sind gewillt, guten Mutes und voller Tatendrang, mit zahlreichen sehr guten und faktischen Argumenten und Fachleuten ausgestattet, um uns für den Erhalt des Kräthenbach-Feuchtbiotops insgesamt einzusetzen und werden nichts unversucht lassen, die Zerstörung dieser auf zahlreichen Ebenen für viele Menschen und viele Tiere äußerst wertvollen Fläche zu verhindern.“

Lesen Sie hierzu auch die Stellungnahme der Politik.

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