Raus aus der Sackgasse. Museum Kelkheim: eine unendliche Geschichte?
Es ist unglaublich, wie sich Kelkheimer Stadtverordnete mit Zufallsmehrheiten von nur vor wenigen Wochen gefassten Beschlüssen verabschieden wollen. Offensichtlich nur um Zeit zu gewinnen oder das ungeliebte Thema -Stadtmuseum Kelkheim-durch weitere Verzögerungen zu verschieben; um das Projekt wahrscheinlich am Ende zu kippen.
Kelkheim hat eine hohe Lebensqualität, die sich nicht nur durch die schöne Vordertaunus- Landschaft, sondern durch seine Infrastruktur, der Innenstadt und seiner Stadtteile, durch reges Vereinsleben, sportlich, kulturell, gesellschaftlich und ebenso durch die Vielfalt der Schulen, ärztliche Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten, Lokalitäten und mehr auszeichnet.
Doch dieses jüngste Votum der Stadtverordnetenversammlung macht nachdenklich und zeigt wenig Souveränität gegenüber früheren Entscheidungen und einem Bürgervotum in der Sache. Wie soll eine Stadtverwaltung mit motivierten Mitarbeitern funktionieren und mit Entscheidungen umgehen, die keine Bestandskraft und Halbwertzeiten haben, die keinen Monat dauert?
Wie verlässlich tritt die Stadt den Institutionen (MTK, Land Hessen u.w.) gegenüber, die seit Jahren dafür auch bereit sind, das Projekt zu fördern? Schadensbegrenzung ist angesagt.
Seit beinahe einem Jahrzehnt wird über das „Museum“ gestritten, gezögert, verzögert. Nun sind über diese Jahre die Kosten derart davon gerannt, dass es daran scheitern kann oder scheitern soll!
Fokussiere ich mich auf die kulturellen Angebote in Kelkheim, so stechen eine Vielzahl von herausragenden Aktivitäten hervor. Die Stadt bietet ausgezeichnete kulturelle Aktivitäten, nicht zuletzt durch das ehrenamtliche Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger, an. Aktuell durch die gelungene Aufführung des Ensembles von Michael Quast, der lebhaften Erinnerung an die Gebrüder von Gagern und ihr Wirken für die demokratische Bewegung in Deutschland im Jahr 1848. Ein eindrucksvoller Beweis für die Lebendigkeit im Umgang mit der Geschichte dieser Stadt.
Dazu gehört auch eine Institution mit überzeugenden Perspektiven, die Bewahrtes entwickelt, aktualisiert, modern gestaltet, die streitbar und aufgeschlossen ist. Kein Ort von gestern. Ob das nun Museum oder anders genannt wird, ist weniger bedeutsam. Lebendig muss es sein. Das gehört zu einer Stadt mit der Qualität von Kelkheim. Dazu sollte sich unsere Stadt auch bekennen!
Der Begriff - Museum - ist für viele Menschen zu starr und mit altmodischer Tradition verknüpft. Ein Ansatz für einen Fortgang in der Sachentscheidung kann meines Erachtens darin begründet werden, die Lebhaftigkeit, das Experimentieren, die Kraft die aus der Geschichte der Stadt in diesen Zeiten ausgehen kann, in den Vordergrund zu stellen, wie es in vielen Städten, auch der Nachbarschaft, geschieht.
Hofheim hat ein lebendiges Erbe, nicht nur durch das „Blaue Haus“, Hanna Becker vom Rath, deren Exponate überall in der Welt zu finden sind. Bad Soden belebt sein Badehaus, nicht nur mit Blick auf die Badetradition, sondern auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler. Hattersheim hat gerade auf dem früheren Sarotti-Gelände ein „Museum“ für etwa drei Millionen Euro investiert. In Kelkheim gibt es nicht minder Bedeutendes das einer breiten Öffentlichkeit zeitgemäß nahegebracht werden kann. Und sicher gibt es hier Persönlichkeiten, die ihren wertvollen Nachlass gerne in ihrer Stadt für die Zukunft verwahrt sehen möchten.
Deshalb lieber Bürgermeister Kündiger: Nehmen Sie sich mit ihren Kollegen der Sache beherzt an, überzeugen Sie Ihre eigenen Freunde: Raus aus der Sackgasse und hinein in den lebendigen offenen Dialog, ohne dass Scheinargumente das Projekt immer weiter in die Ferne schieben. Es sollte eine gesichtswahrende Lösung für möglichst viele Verantwortliche herauskommen.
Es wäre auch ein belebendes Signal für alle Ehrenamtlichen der Stadt, nicht nur für diejenigen die sich seit langem ehrenamtlich für das Projekt einsetzen und bisher noch nicht resignieren. Vielleicht ist die derzeitige Baukonjunktur auch günstig, um möglichst rasch den Kosten-Deckel drauf zu machen.
Es war noch nie verkehrt größer zu denken und weitsichtige Entscheidungen zu treffen. Auch wenn’s mal weh tut, gegen die eigenen Freunde. Das ist letztlich auch die Aufgabe von hauptamtlichen Wahlbeamten und ein wesentlicher Vorteil der Direktwahl eines Bürgermeisters.
Gutes Gelingen!
Berthold R. Gall, Kelkheim
(Anmerkung der Redaktion: Berthold Gall ist Landrat des Main-Taunus-Kreises a. D. und nach seiner Pensionierung seit Jahren Kelkheimer Bürger.