Bewegende Begegnungen und Erlebnisse – die Erfolgsgeschichte von Childaid Network geht weiter

Sandra Hörbelt, Svenja Appuhn und Stefan Bode (von links nach rechts) berichteten beim Projektabend von Childaid Network über ihre Erfahrungen vor Ort in Nordost-Indien und Nepal. Foto: Rüger Photographs

Königstein (pf) – „Mein Blick auf die Welt hat sich verändert.“ Zum ersten Mal war Svenja Appuhn, die 20-jährige Kronbergerin, die im vergangenen Jahr am Taunusgymnasium Königstein ihr Abitur machte und inzwischen in Hannover Medizin studiert, im September in Nepal. Vor Ort wollte sie sich ein Bild machen vom Wiederaufbau der Schulen im 2015 vom Erdbeben zerstörten Gebiet von Bhandar. Hatte sie doch als Schülerin maßgeblich die Spendenaktion „Dein Stein für Nepal“ an den Schulen im Hochtaunuskreis mit ins Leben gerufen.

„Alles ist dort anders, riecht anders, schmeckt anders: Ein wunderschönes Land mit herzlichen, gastfreundlichen Menschen,“ erzählte sie am vergangenen Donnerstagabend beim Projektabend zum zehnjährigen Bestehen von Childaid Network im katholischen Gemeindezentrum in der Georg-Pingler-Straße. Aber alles andere als ein Paradies. Das zeigte ihre Begegnung mit zwei im Waisenhaus lebenden Jungen aus der niedrigsten Kaste. „Obwohl das Kastenwesen eigentlich abgeschafft ist,“ wie sie anmerkte. Der Vater brachte sich um, weil er seine Familie nicht ernähren konnte. Da waren die Söhne 16 Monate und vier Jahre alt. Die Mutter verhungerte. Und als die Kinder gefunden wurden, waren sie ebenfalls fast verhungert und Hühner hatten eines der Kinder bereits angepickt.

Entsetzt war die angehende Ärztin auch von den hygienischen Verhältnissen in der Gesundheitsstation. Keine sterilen Instrumente, eine versiffte, durchgelegene Behandlungsliege und kein Papier, um sie abzudecken. Nach ihrem Studium, kündigte sie an, werde sie wieder nach Bhandar gehen, um dort den Menschen zu helfen. Berichte von Begegnungen in den Projektgebieten Nordost-Indien und Nepal standen im Mittelpunkt des Abends, zu dem etwa hundert Gäste gekommen waren: Viele aus dem Team und dem Freundeskreis, eine große Gruppe aus dem Taunusgymnasium, eine Abordnung von der Helene-Lange-Schule Wiesbaden, die vor rund 30 Jahren die Hilfsaktionen für die Kinder von Bhandar startete, Vertreter des Stiftungsrates, einige Groß- und Regelspender und einige, die sich in Zukunft für Childaid Network engagieren möchten.

Für das leibliche Wohl hatte am Donnerstagabend Petra Schwägerl von der Projektfabrik Königstein mit ihrem Team gesorgt. Kleine Fingerfood-Köstlichkeiten aus dem asiatischen Raum entführten die Besucher kulinarisch in die Projektregionen. In seinen Begrüßungsworten schlug Dr. Martin Kasper, Stiftungsgründer und ehrenamtlicher Vorstand der Stiftung, den Bogen von den Anfängen bis heute. Bilder von der Schule in Amguri vor zehn Jahren, als die Kinder in provisorischen Bambushütten in einem staubigen Flüchtlingscamp unterrichtet wurden, und vom heutigen stattlichen Schulkomplex mit seinen festen Gebäuden und Internaten für Jungen und Mädchen, waren sichtbarer Beweis für die Erfolgsgeschichte von Childaid Network. Inzwischen wurden über 110.000 Kinder und Jugendliche durch Schul- und Berufsausbildung auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde vorbereitet. „Das schaffen wenige andere Organisationen so“, stellte Dr. Kasper nicht ohne Stolz fest.

Auch er stellte beispielhaft ein junges Mädchen und seine Geschicht vor: „Moonmoon Gosh, aufgelesen im Slum, am Anfang depressiv, verstört, später erfolgreich in der Schule, hat mit Brillanz Realschulabschluss und Abitur gemacht und ist heute eine anerkannte Mitarbeiterin einer Airline. Sie will sich auch in Zukunft für ihre Schwestern im Snehalaya Kinderheim engagieren“, erzählte Dr. Kasper: „Definitiv ein Vorbild für sie.“

Von ihren Erfahrungen in den Projektgebieten berichteten in Interviews mit Radiomoderator Daniel Fischer (FFH) auch Andreas Fachner, der mehrmals für Childaid Network Filme in Assam und Nepal drehte, Norbert Grobbel, der das Nepalprojekt und vor allem den Wiederaufbau vor Ort betreut, und Sandra Hörbelt von der DZ Bank.

Sie war 2008 das erste Mal in Nordost-Indien, besuchte seitdem fünf Mal die Heime von Snehalaya, kennt jedes Kind dort persönlich und wird bei jedem Besuch mit großer Herzlichkeit empfangen. Die Kinder nennen sie inzwischen „große Schwester“ oder sie sei „wie eine Mama“, erzählte sie. Dr. Ursula Fasselt, Professorin für Sozial- und Verwaltungsrecht, Europarecht und Menschenrechte an der Frankfurt University of Applied Sciences, die im vergangenen Jahr ein Sabbatsemester in Nordost-Indien verbrachte und an der Don Bosco University in Guwahati Vorlesungen über Menschenrechte hielt, betonte, dass die Kenntnis der Menschenrechte ganz besonders für die Adivasi, die unterprivilegierten Ureinwohner der Region, wichtig sei. „Sie können sich auf die Menschenrechte berufen, das ist überzeugender als alle Theorien“, erklärte sie. Stefan Bode, der im vergangenen Jahr gemeinsam mit seinem Freund Dr. Jochen Fortner mit dem Fahrrad die Alpen überquerte und auf diese Weise Spendengelder für die Berufsausbildung von mehr als 600 arbeitslosen Jugendlichen aus den Flüchtlingscamps in Assam sammelte – ein Projekt, das er im März vor Ort besuchte – erzählte eine lustige Geschichte. Sein ehemaliger Chef, den er vor der Alpenüberquerung ebenfalls um Spenden gebeten hatte, wollte 500 Euro für jedes Kilo zahlen, das die beiden zusätzlich zu ihrer normalen Ausrüstung mitnehmen würden. Sieben bis acht Kilo in Form von Hanteln und Gewichten aus einem Fitnessladen habe daraufhin jeder von ihnen am Fahrrad befestigt und so das Spendenaufkommen deutlich erhöht.

Insgesamt erradelten sie über 70.000 Euro, deutlich mehr als die mit Dr. Kasper als Spendenziel vereinbarten 20.000 Euro. Und eine alte Bekannte aus seinem Heimatort im Harz habe er zusätzlich als permanente Spenderin gewinnen können, berichtete er. Norbert Grobbel, der das Nepalprojekt vor Ort begleitete und erstaunliche Baufortschritte erreichte, wurde gefragt, ob er denn auch Schmiergelder habe zahlen müssen. Schmunzelnd berichtete er, dass er schon von dem einen oder anderen Menschen in den Behörden darauf angesprochen worden sei.

„Aber dann habe ich entweder nach seinem Chef gefragt oder ihm gesagt, ich würde zurück in den Ort gehen und dort allen erzählen, was für eine Saubacke du bist.“ Das habe gewirkt. Inzwischen sind in Nepal neun Schulen erdbebensicher wiederaufgebaut, gemeinsam von Childaid Network und der Initiative Kronberg. „Aber wichtiger sind die angestoßene qualifizierte Lehrerfortbildung, die Sozialarbeiter, die die Schulen betreuen, die enge Zusammenarbeit mit den Eltern und Schul-Management-Committees und den Behörden“, meinte Dr. Kasper und kündigte an, im nächsten Jahr solle (hoffentlich mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit) auch ein großes Berufsbildungsprogramm in Nepal angestoßen werden. Die Erfolgsgeschichte von Childaid Network geht weiter.



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