Bundesverdienstkreuz für Hildegard Klär

Hier sieht es nach Arbeit aus. Seit zehn Jahren offiziell im Ruhestand, geht für Hildegard Klär die ehrenamtliche Arbeit, vor allem für Europa, weiter. Das verrät ihr Schreibtisch.

Foto: Wittkopf

Kronberg (pf) – „Alleine kann man die Welt nicht verbessern, aber ich habe zum Glück auf meinem Weg immer Mitstreiter gefunden.“ Als Austauschschülerin in den USA hatte Hildegard Klär in den Jahren 1958/59 erfahren, was Demokratie, Politik und ehrenamtliches Engagement bewirken können. Damals war die gebürtige Hamburgerin 18 Jahre alt. Seitdem hat sie sich in vielfältiger Weise und in einer Vielzahl unterschiedlicher Organisationen und Funktionen für ihre Ideen und Überzeugungen eingesetzt. Acht Jahre lang war sie Abgeordnete im Hessischen Landtag. Seit 1997 versucht sie, als Kreisvorsitzende und seit 2001 als stellvertretende Landesvorsitzende der Europa-Union möglichst viele Menschen für die Idee Europa zu begeistern. Heute wird ihr im Museum Kronberger Malerkolonie in der Streitkirche das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

„Walk together, talk together, all ye people of the earth, then and only then ye shall have peace.“ Dieses Sprichwort aus dem Sanskrit hat sich Hildegard Klär zum Lebensmotto gewählt. Es ist der Wahlspruch des American Field Service Interkulturelle Begegnungen e.V. (AFS), der größten und ältesten Jugendaustauschorganisation weltweit. Mit ihr war sie 1958 in die USA gekommen und für sie war sie nach ihrer Rückkehr nach Hamburg acht Jahre lang tätig. Ihr erstes von vielen Ehrenämtern.

„Ich war erst 19 Jahre alt, aber ich habe bereits das Auswahlverfahren der deutschen Stipendiatinnen und Stipendiaten geleitet, mit Lehrkräften, der Schulbehörde und den Eltern ehemaliger Gastschüler verhandelt, die amerikanischen Austauschschülerinnen und -schüler und ihre Gastfamilien in Hamburg betreut und bei öffentlichen Veranstaltungen auf dem Podium gesessen“, erinnert sie sich. Nein, Lampenfieber habe sie dabei nicht gehabt, antwortet sie auf eine entsprechende Frage.

Ihr Elternhaus, erzählt sie, war völlig unpolitisch, aber in der Hansestadt mit seinem bedeutenden Überseehafen sehr weltoffen. Zur aktiven Politik kam sie erst zwanzig Jahre nach ihrer Rückkehr aus den USA. Inzwischen hatte sie nach ihrem Abitur sechs Jahre lang Sprachen in Hamburg und Innsbruck studiert, geheiratet, eine Tochter bekommen und war mit ihrem Mann, der damals Verkaufsdirektor eines Hamburger Unternehmens war, nach Brasilien gegangen, wo ihr Sohn geboren wurde. Fast drei Jahre lang lebte die Familie in Sao Paulo und Rio – eine Zeit, die sie als sehr bunt in Erinnerung hat.

Ihr politisches Leben begann erst 1979 mit ihrem Eintritt in die SPD. Damals lebte sie nach einigen Jahren in Schwalbach und einer fünfjährigen Berufstätigkeit als Pfarrsekretärin in Niederhöchstadt im Glashüttener Ortsteil Schlossborn. Wenn Hildegard Klär etwas anpackt, dann macht sie es auch ganz. So auch in der Politik. Sie engagierte sich im Ortsverein Glashütten, war sechs Jahre lang Ortsvereinsvorsitzende und gleichzeitig Mitglied im Unterbezirksvorstand der SPD Hochtaunus. Nach vier Jahren als stellvertretende Unterbezirksvorsitzende übernahm sie 1991 das Amt der Vorsitzenden von Ernst Welteke und leitete den Unterbezirk bis 1999.

Aber sie engagierte sich nicht nur in den Parteigremien, sondern auch in der aktiven Politik. Acht Jahre lang, von 1985 bis 1993, war sie Mitglied in der Glashüttener Gemeindevertretung, danach von 1993 bis 2001 acht Jahre lang Kreistagsabgeordnete und von 1995 bis 2003 Landtagsabgeordnete. Tiefe Einblicke in die politische Arbeit hatte sie schon vorher gewonnen, denn von 1981 bis 1993 arbeitete sie für den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Dietrich Sperling, der in Königstein wohnte.

Als Landtagsabgeordnete war sie auch medienpolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Mitglied im Rundfunkrat. Zehn Jahre arbeitete sie nebenher ehrenamtlich noch im Vorstand des Bundes für Volksbildung in Oberursel, dem Trägerverein der Volkshochschule, zuletzt als dessen Vorsitzende. Schon Mitte der 70er-Jahre hatte sie als Dozentin an der Volkshochschule unterrichtet, eine Tätigkeit, die sie auch jetzt noch weiterführt. In Kronberg gibt sie Englischkurse: „Damit ich den Kontakt zur Sprache nicht verliere.“

Im Landtag war sie Mitglied im Haupt- und Petitionsausschuss, im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst und im neu gegründeten Europa-Ausschuss. In den ihrer Erinnerung nach damals niemand so recht wollte. „Ich habe mich gleich dafür gemeldet“, erinnert sie sich, denn Europa liegt ihr am Herzen. Diese Arbeit setzt sie jetzt in der vor über 60 Jahren gegründeten überparteilichen Europa-Union fort, die sich als „die größte Bürgerinitiative für Europa in Deutschland“ bezeichnet. Seit 1997 ist Hildegard Klär Mitglied der Europa-Union, ebenso lange mit drei Jahren Unterbrechung Kreisvorsitzende, seit 2000 stellvertretende Landesvorsitzende und mehrere Jahre Mitglied im Bundespräsidium. Von 2004 bis 2012 war sie auf Landesebene zudem geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Viel Arbeit, die sie mit der ihr eigenen Zielstrebigkeit und Effizienz erledigt hat. „Ich suche den Kontakt zu den Menschen und versuche, ihnen auf möglichst einfache Weise Europa zu erklären“, so beschreibt sie heute ihre Tätigkeit. „Ich will sie zurückholen für die Idee Europa – das ist gerade heute, in einer Zeit der Rückbesinnung auf die Nationalstaaten, ein langer Weg“, weiß sie. Begonnen hat dieser Weg, so berichtet sie, 1951 mit der damals zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Luxemburg und den Niederlanden gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. „Denn Völker, die wirtschaftlich miteinander verstrickt sind, führen keinen Krieg mehr gegeneinander“, so bringt sie auf den Punkt, was zu über 70 Jahren Frieden und Wohlstand geführt hat.

Aber sie ist auch überzeugt, dass Europa nur dann weiter zusammenwächst, wenn die einzelnen Staaten mehr Rechte abgeben. Ihre Vision, die sie zielstrebig verfolgt, ist ein Europa mit mehr Demokratie, mit der EU-Kommission als Regierung, dem Europäischen Rat als zweiter Kammer und einem Europa-Parlament mit allen Rechten eines frei gewählten Parlaments. „Wir brauchen eine gemeinsame Außenpolitik und neben der Finanzunion auch eine Sozialunion“, betont sie. Immer wieder organisiert sie Reisen nach Brüssel, Luxemburg und Straßburg und hofft, dass sie dabei den Mitreisenden den europäischen Gedanken wieder näher bringen kann. „Sie erfahren bei den Reisen, was Europa für unser aller Zukunft bedeutet. Denn wie sollen wir in Europa überleben, wenn wir nicht zusammenhalten? Wir müssen erkennen, was wir haben und unsere Werte nach außen vertreten.“

Wenn sie auf ihr Leben zurückblickt, glaubt sie, doch einiges erreicht zu haben. Dankbar denkt sie dabei nicht nur an die vielen Menschen, die sie begleitet, bestärkt und unterstützt haben, sondern auch an ihre Kinder, denn die mussten früher viel auf die Mutter verzichten. Natürlich gab es auch frustrierende Momente und Rückschläge, aber insgesamt fällt ihre Bilanz doch positiv aus. „Und vor allem: Es war immer ein spannendes Leben.“



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